• 5000 Kiel - Wals

    10. August 2022 in Österreich ⋅ ⛅ 17 °C

    Die Überfahrt war sehr ruhig, kaum Wellengang und ich bin bereits um 06:30 Uhr aufgestanden. Ich konnte nicht so richtig schlafen. Immer, wenn ich munter wurde, wurde mir bewusst, dass dies die letzte Nacht meiner Reise vor meiner Rückkehr nach Hause ist und damit auch Zeit, Resümee zu ziehen.
     
    Ich war schon nervös, als ich am 15. Mai dieses Jahres in Wals aufbrach und an die 5.000 vor mir liegenden Kilometer dachte. Schaff ich es? Was wird alles passieren? Aber im Grunde meines Herzens wusste ich, dass ich mein Ziel erreichen, meinen Traum verwirklichen kann.
     
    Im Nachhinein betrachtet, ist die Zeit verflogen. Jeden Tag neue Eindrücke, neue Orte, neue Bekanntschaften, neue Herausforderungen.
     
    Und eines muss man schon auch sagen: es war noch nie so leicht zu reisen wie heute. Auf Grund der Sprach- und Videotelefonie ist man ja nie von seiner Umwelt abgeschnitten. Man ist nicht wochenlang unterwegs, ohne mit Familie oder Freunden kommunizieren zu können. Und auch die Navigation, sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung, hat sich durch GPS und die vielen nützlichen Helferleins stark vereinfacht. Aber ein bisschen Abenteuer ist doch geblieben.
     
    Ein persönlicher Grund für die Reise war auch herauszufinden, ob ich an meine Grenzen gelange und diese vielleicht das eine oder andere Mal überschreiten muss. Heute kann ich stolz feststellen, dass ich meine körperlichen Grenzen nie überschreiten musste, dass ich nie Schmerzen hatte und auch mein Allerwertester die Reise ohne Probleme mitmachte. Meine mentalen Grenzen habe ich auch nie wirklich erreicht. Ich hatte zwar das eine oder andere Mal einen Hänger, besonders, wenn es mehrere Tage hintereinander regnete. Aber so, dass ich aufgeben wollte, das war nie der Fall. Wenn die Sonne wieder am Himmel stand und ich in den neuen Tag radelte, war alles wieder in bester Ordnung. Das lag sicher auch an der Reiseplanung. Dabei war es mir immer wichtig, dass die Etappen die richtige Länge hatten. Für mich waren das zwischen 70 und 90 Kilometer pro Tag. Da hat man auch Zeit, die Landschaft zu genießen und die eine oder andere Rast zu halten. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen. Aber auch die immer wieder eingefügten Rasttage haben es meinen Körper erlaubt, sich zu regenerieren. Außerdem hatte ich so die Möglichkeit, die Orte, an denen ich rastete, besser kennenzulernen und mich mit Land, Leuten und deren Geschichte genauer auseinanderzusetzen.
     
    Für mich hat sich diese Reisegeschwindigkeit als optimale Geschwindigkeit fürs Reisen herausgestellt. Man ist schneller als zu Fuß, aber langsamer als mit dem Auto. Man nimmt die Umgebung mit allen Sinnen auf. Man riecht das Wasser, den Wald, die Wiesen, aber auch die Abgase der vorbeifahrenden Autos. Man spürt den Wind, die Wärme, die Kälte, den Regen. Man ist mittendrin, ungeschützt. Man verflucht die Steigungen, freut sich aber doppelt über die langen Abfahrten. Dass man sich den Arsch abgefroren hat, hat man spätestens unter der heißen Dusche wieder vergessen. Ja, und man fällt jeden Tag rechtschaffen müde ins Bett.
     
    Das klingt fast nach Wiederholung. Würde ich eine solche Reise wieder machen? JEIN. Ja, aber nicht mehr in dieser Länge.
    Mich hat das Slowspeed-Reisefieber gepackt. Ich freue mich auf weitere Radtouren mit meinen Radspezies, aber auch auf mehrtägige Wanderungen mit Barbara. Ich freue mich, draußen in der Natur zu sein.
     
    Es ist jetzt Zeit, das Reisetagebuch zu schließen.
    Bevor ich es aber ganz schließe, möchte ich mich bei allen meinen Reisebegleitern für das Dabeisein, die vielen „Daumen hoch“, die positiven und aufmunternden Kommentare und eure Ausdauer bedanken. Besonders bei dir, liebe HelgaS, möchte ich mich für deine launigen, witzigen, aufbauenden und hintergründigen Kommentare herzlichst bedanken. Ich werde diese vermissen.
    Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich kaum auf eure Kommentare geantwortet habe, aber dafür hat mir schlicht und einfach oft die Zeit gefehlt oder die Müdigkeit mich übermannt.
     
    Ja, und ganz zum Schluss bleibt mir nur mehr eins zu tun: mich bei meiner Barbara zu bedanken, dass sie meinen Traum unterstützt hat, in dem sie mir die Zeit dafür gegeben hat. Es waren die ersten drei Monate seit mehr als 25 Jahren, die wir nicht fast Tag und Nacht zusammen waren. Jeder von uns musste sich wahrscheinlich an diese Situation erst einmal gewöhnen. Ich muss ehrlich gestehen, ich habe es am Anfang auch genossen, Barbara sicher auch. Niemand in der Wohnung, der schmutzt.
     
    Es war wunderschön, sie in Göteborg wieder zu sehen, in die Arme zu nehmen, zu küssen, ihr Lachen zu hören und ihre Wärme zu spüren.
     
     
    Also dann: Servus und auf Wiedersehen, es war schön mit euch zu reisen.
    Weiterlesen