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  • Day 176–178

    Der Taliban-Deal

    January 8 ⋅ ☀️ 13 °C

    Unser letzter Ort im Iran ist die Pilgerstadt Maschhad, die größte Stadt im Osten des Landes. Hier lehrte der 8. heilige Imam nach Mohamed, Imam Reza, die Lehren des Korans und hat hier seine Ruhestätte. Schon bei der Einfahrt in die Stadt wird deutlich, dass es viele schiitische Pilger hierher zieht. Hotels und Souvenir-Läden mit religiösen Artikeln dominieren das Stadtbild im Zentrum. Als ausländische Touristen bekommen wir eine offizielle Führung durch das gigantische Gelände, welches 598.657 m² groß ist und extrem beeindruckend. Auch wenn wir ehrlicherweise erstmal genug von religiösen Stätten haben, die hier im Iran zwar wunderschön sind, jedoch meist sehr streng und bedruckend wirken.

    Unser eigentliches Ziel hier ist die afghanische Botschaft. Nach vielen Abenden des Abwägens über eine Reise durch Afghanistan, haben wir uns für ein ungewöhnliches Abenteuer entschieden. Wir trafen viele Afghanen auf unserem bisherigen Weg, andere Reisende, die aus Afghanistan kamen und wurden in eine Whatsapp-Reisegruppe für afghanische Reisende eingeladen. Insgesamt sammelten wir viele Informationen, Meinungen und Einschätzungen zu der aktuellen Situation in einem zuletzt sehr bewegten Land. Reisen heißt auch Erkunden und ungewöhnliche Wege beschreiten, um dabei selbst hautnah einen Eindruck zu gewinnen. Immer unter der ersten Prämisse der eigenen Sicherheit.

    Insgesamt waren es zwei aufregende Tage in Maschhad. Denn zu erst brauchten wir ein Visa für Afghanistan und darüber gab es verschiedene Erfahrungen in unserer Chat-Gruppe. Nervosität macht sich bei uns breit, ob und wie wir das Visa bekommen. Wilde und chaotische Zustände beschreiben unseren ersten Blick auf die Botschaft am besten: Ein Kneul aus Menschen lungerte vor der Botschaft, ein paar Türen ohne klaren Weg und nur ein Schild (Islamische Republik Afghanistan) verriet, dass wir richtig waren. Nach mehreren Versuchen und Durchfragen gelangten wir in die richtige Tür.

    Am Eingang Fenster, die kaputt waren, Hängeschränke auf Halbmast, leere Schreibtische ohne auch nur einen Kugelschreiber, ein paar gammelige Stühle und irgendwo am Ende des Raums ein kleines Fenster zu einem besseren Büro. Wie eine Durchreiche in den in 70er Jahren von Küchen zum Wohnzimmer. Dort deutlich zu erkennen, saß ein Taliban. Es gab keine Hinweise, Schilder oder irgendwas das auf eine Botschaft hinwies, es sah eher aus wie nach einer Wohnungsauflösung.

    Durch unsere Whatsapp-Gruppe waren wir informiert, was wir einreichen sollten und bereits nach kurzer Zeit boten sich Wartende als Unterstützung an. Schnell wurde auch der Taliban auf uns aufmerksam und bat um eine Unterredung…so ungefähr ;-). Als wir ihm versicherten, dass wir wirklich ein Visa wollten, wies er uns an zu warten. Wir warteten und nichts passierte, nur das wilde Treiben von iranischen Händlern und Fahrern, die alle wissen wollten, was wir hier machten und uns für einen viel zu hohen Preis die Mitfahrt anboten. Nachdem uns das Warten zu lang ging, fanden wir ein einzelnes Papier auf einem Schreibtisch und glücklicherweise unser Fehlendes.

    Danach boxte ich mich zum Taliban durch (Dörte als Frau war komplett Luft) und überreichte ihm unsere Unterlagen und die nötigen Dollar, die er lose in seine Schublade warf. Er guckte nur und fragte seinen Chef gegenüber etwas. Daraufhin musste ich ein paar Fragen über uns beantworten und er machte mir dann klar, ich sollte nochmal ein paar Dollar drauflegen, sonst würde das nichts werden. Wat nun? Autorität bleibt Autorität, auch nach meiner Erklärungen und dem Versuch zu Verhandeln (mit Taliban wollte ich auch nicht zu lange verhandeln). Er gab mir ne Deadline bis wann ich nachlegen sollte und schloss die kleine Durchreiche.

    Ab ins Hotel, wo noch 100 Dollar in Reserve vorhanden waren. Jedoch brauchte ich weniger und ich wusste der Taliban wird mir im Leben nicht rausgeben und noch mehr Kohle wollte ich diesen Leuten nicht in den Rachen schmeißen. Es gibt keine offiziellen Wechselstuben in Maschhad, nur den Schwarzmarkt oder internationale Hotels. Auf zum nächstbesten Hotel, dort kein Chance zu wechseln, nur blöde Blicke. Dann in eine Bank, dort auch nicht möglich und mit einem Zettel von dort zum nächsten Hotel. Dieses hatte auch keine Lust meinen Schein zu verkleinern. Meine letzte Chance war der Schwarzmarkt, der viele fliegende Händler hat und die musste ich erstmal aufsuchen. 100$ waren zu groß für die ersten und dann fand ich einen kleinen Souvenir-Shop der unter seine Theke griff und dort ne Plastiktüte mit Dollar hatte und das Geld wechselte. Die Zeit lief natürlich gegen mich und es wurde sehr knapp, so dass ich zu Laufen begann. Verschwitzt doch rechtzeitig kam ich in der Botschaft an und drückte dem Taliban seine Kohle in die Hand.

    Bereits am späten Nachmittag waren unsere Visa völlig schief im Reisepass eingeklebt und während unseres Wartens im Botschaftsraum lernten wir Abas kennen, der uns anbot uns gleich am nächsten Morgen um 4 Uhr mit nach Afghanistan zu nehmen. Wir verhandelten einen fairen Preis mit ihm und verabredeten uns für den nächsten Tag.

    Das musste erstmal gebührend gefeiert werden mit einem traditionellen Essen, Lamm mit Gemüse im Mini-Tontopf geköchelt und vom Kellner am Tisch mit Zange und Handschuhen serviert.

    Afghanistan is calling…
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