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  • Day 12

    Die Samoa OmaS und ihre Geschichte

    February 14 in Samoa ⋅ 🌧 29 °C

    Wir umkreisen den Markt in Apia, der Hauptstadt von Samoa. Und wir spüren instinktiv: Das wird unsere letzte Chance sein, auf Samoa Omas zu treffen. Was wäre ein buntes Markttreiben ohne Großmütter, die hier ihre Ware feilbieten? Doch es gestaltet sich schwierig. Das Durchschnittsalter in Samoa liegt bei unter 21 Jahren. Das heißt im Umkehrschluss: nur wenige Omas.

    Aber warum suchen wir sie eigentlich, die Samoa OmaS? Das wiederum ist eine Geschichte, für die wir etwas ausholen müssen. Und deren Anfang ziemlich weit zurückliegt.

    Als Studenten stießen wir in den 1980-er Jahren auf ein Buch des bis heute unvergessenen Satirikers, Humoristen und Autors Hansgeorg Stengel. Es hieß "ANNASUSANNA". In Versalien geschrieben, beschrieb der Titel zugleich Inhalt und Zielrichtung des Büchleins. Es ging um links- wie rechts- oder, um genauer zu sein, um vor- wie rückläufige Wörter, Wortgruppen und Sätze. AnnasusannA ergab, genau so wie etwa der Name OttO oder die Wörter RentneR und LagerregaL, immer das Gleiche, unabhängig davon, ob man sie von vorn nach hinten oder von hinten nach vorn las. So etwas nennt man in der Linguistik ein Palindrom.

    Stengel wusste das. Mehr noch. Zum einen hatte er als ausgesprochener Ästhet der deutschen Sprache existierende Palindrome gesammelt. Keine Ahnung, wo er die fand in Zeiten, in denen es kein Internet  gab. Zum anderen übte er sich selbst in der Kunst des Drechselns von Palindromen. In das denkwürdigste integrierte der gebürtige Thüringer Stengel den Ort Siebleben, damals eigenständig, heute nach Gotha eingemeindet. !NEBEL BEI SIEBLEBEN! lautete es. Unglaublich, aber wahr: Rückwärts gelesen, ergibt es genau dasselbe. Uns dämmerte, dass es sich bei der Herstellung von Palindromen um eine anspruchsvolle sprachliche Kunst handelte, die einiges an Kreativität und Abstraktionsvermögen erforderte.

    Ob man es glaubt oder nicht, aber Samoa ist mit dem Palindrom als solchem eng verwoben. Dass dieses Wort schon deshalb ungewöhnlich war, weil es mehr Vokale als Konsonanten beinhaltete, war Stengel nicht verborgen geblieben. Und schon ging sein Kopfkino an. Es gebe da eine Insel in der fernen Südsee, schrieb er, wobei es uns damals schwerfiel herauszufinden, wo das eigentlich genau war, denn die Insel ist so klein, dass sie im Schulatlas gar nicht verzeichnet war.
    Der eigentliche Gag: Die dort lebenden Großmütter, so Stengel, seien auch ein Palindrom, nämlich die Samoa OmaS. Das fanden wir derartig beeindruckend, dass es uns nicht mehr aus dem Kopf ging. Vor allem keimte aus unerfindlichen Gründen in uns der Wunsch, selbst auf der kleinen Insel einmal nach dem Rechten zu sehen und dabei vielleicht sogar auf ein paar Samoa Omas zu treffen.
    Es dauerte 40 lange Jahre, bis unser Wunsch in Erfüllung gehen sollte.

    Ironie der Geschichte: Heute haben wir unsere liebe Not, wenigstens einiger Omas gewahr zu werden. Bis es dann doch klappt. An einigen Gemüseständen sitzen Großmütter neben ihren meist jüngeren Familienangehörigen.
    "Können wir ein Foto von Ihnen machen?", fragen wir rundheraus - und werden nicht enttäuscht. So gelingt es uns doch noch, wenigstens ein paar Samoa OmaS auf das nicht vorhandene Zelluloid zu bannen. Ein Traum wird wahr, auf dessen Erfüllung wir so lange gewartet haben.

    Kaum ist das passiert, geht die Phantasie mit uns durch. Wir überlegen, ob wir nicht der südamerikanischen Stadt Lima, Hauptstadt von Peru, auch noch irgendwann einen Besuch abstatten müssen. Denn dort soll es Familien geben, die ihr Haus niemals wärmen. Oder, um es mit Hansgeorg Stengel zu sagen: EINE TREUE FAMILIE BEI LIMA FEUERTE NIE.
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