• Heer der Fliegen

    5 juli 2021, IJsland ⋅ ⛅ 13 °C

    Heute war mal ein Tag, der alles wieder gut geerdet hat. Jetzt gibt es wieder ne Menge Luft nach oben. Alles fing entspannt an. Nach dem Frühstück ging‘s los zum nächsten Supermarkt, wo ich mich mit meinem üblichen Baguette+Käse und Salami Pack für unterwegs eindeckte Ich schwang mich auf mein Rad, als plötzlich jede Drehung der Pedale ein fieses Mahlgeräusch verursachte. Ich hatte das seit gestern sporadisch bemerkt und auch schon erfolglos untersucht. Es hatte sich bei mir der Verdacht zusammengebraut, dass meine im Ausland als exotische geltende Nabenschaltung langsam den Geist aufgibt und ich hatte insgeheim gehofft, dass sie Island noch gerade überstehen würde. Mit diesem Geräusch war meine Hoffnung dahin. Ich fuhr noch ein Stück mit allen möglichen Gedanken, wie ich jetzt wohl weitermachen sollte. Einfach ins einsame Hochland weiterrattern, bis sich die Pedale nicht mehr drehen? Und dann? Noch ein letzter Blick auf die Kette, wie ich es schon 20 Mal gestern gemacht hatte und siehe da, jetzt konnte man wirklich den Grund sehen. Die Klemme, die den Gepäckträger hinten hält, hatte sich geöffnet und eine Schraube schabte an der Kette. Deswegen auch das sporadische Auftreten beim Fahren, wenn die schweren Gepäcktaschen die Klemmen rutschen ließen. Nach 45min war es gefixt und weiter ging’s mit neuem Optimismus.

    Das Wetter wurde immer besser, die Landschaft war ganz nett und die Berge nahmen links und rechts wieder zu. Etwas nervig waren die kleinen Fliegen, die bei jedem Stopp egal, ob bei Sträuchern oder bei Steinwüste keine 30 Sekunden brauchten, um von 5 auf ein Menge von mehreren hundert anzuwachsen. So musste ich schließlich, um zu essen blitzschnell die Satteltasche auffummeln, das Baguette rauszerren, aufreißen (keine Zeit noch das Messer rauszusuchen), Käse und Wurst aus der Packung friemeln und ins Baguette stopfen. Fliegen waren da vermutlich schon an die Tausende um mich rum und sie wollten vor allem an die Augen und in die Ohren, prasselten wie Hagelkörner auf den Fahrradhelm ein und krabbelten sogar unter die Mütze, die ich schon vorsichtshalber über die Ohren gezogen hatte. Also ging’s schnell wieder los auf“s Fahrrad, um bei Tempo 20 das Baguette runterzuschlingen. Meine Hoffnung, dass das mit den Fliegen nur ein kurzfristiges Phänomen wäre, wurde enttäuscht, Die Fliegen blieben. Auch als ich dann Bekanntschaft mit der ersten Schotterstraße machte und aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse das Rad mehrfach den Berg hoch schieben musste, kamen die Fliegen.
    Ebenso als zwei Amerikanerinnen ihr Auto beim Wenden in den Sand festsetzten und ich mit meinem Handy den Abschleppdienst organisierte und ständig im Dreieck vor den Fliegen davonlief. Dass die Landschaft nicht meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, war verschmerzbar. Ein Bagger und eine Abrissbirne hätten kein eindrucksvolleres Landschaftsbild zaubern können, als sich mir heute ab dem ersten Schotterweg bot.

    Das letzte Stück zum einzigen Campingplatz im Nirgendwo hier war ebenfalls ein langes Stück Schotterstraße, was mir die letzten Kräfte abverlangte. Endlich nun Ruhe und Entspannung? Pustekuchen! Wenn ich vorher von Tausenden Fliegen gesprochen hatte, waren es jetzt Millionen, die mich hier herzlich in Empfang nahmen. Der Zeltaufbau ein Spießrutenlauf: Zelt auslegen - vor Fliegen flüchten - zwei Heringe reindrücken - vor Fliegen flüchten - etc. Gleiches beim Essen, was zum Glück aber heute nur Wasser kochen mit Aufgießen war. Gegessen habe ich dann im Aufenthaltsraum mit anschließendem Gespräch mit dem Besitzer. Erkenntnisse: Ich habe das Ende der Asphaltstraßenzone erreicht, die nächsten paar hundert Kilometer werden Schotterstraßen sein. Die Fliegen werden wohl bleiben. Nur Wind, Kälte oder große Hitze, die es vermutlich an einem Tag im Jahr gibt, vertreiben sie. Jippie, das wird ein Spaß.
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