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- Day 167
- Tuesday, September 17, 2024 at 5:51 AM
- ☁️ 5 °C
- Altitude: 1,887 m
United StatesHarts Pass48°43’15” N 120°40’10” W
Victory Lap

Nachdem wir die kanadische Grenze erreicht hatten, liefen wir noch etwa dreieinhalb Meilen zurück zu einem Zeltplatz. Es ging nur bergauf, denn irgendwie müssen wir ja nochmal über den höchsten Punkt des Trails in Washington. Ich lief allein und hatte nochmal etwas mehr Zeit, um meine Gedanken zu sortieren. Tränen waren aber immer noch nicht in Sicht.
An einer Wasserstelle traf ich die anderen und leihte mir mal wieder eine Wasserblase, um Wasser zu filtern.
Am Zeltplatz war einiges los, aber wir kamen alle noch gut unter. Mit einem gemeinsamen Abendessen im Dunkeln ging der Tag zu Ende. Wir beschlossen, dass wir morgen einfach ausschlafen werden.
Die Nacht war ruhig, auch wenn ich etwas Angst hatte, dass der Bär vielleicht mal vorbeischaut. Long Strides, dessen Zelt neben meinem stand, war schon recht früh wach und packte zusammen, weil er nicht mitbekommen hat, dass wir ausschlafen wollen. Weil es kalt war, startete er aber dann einfach schon.
Auch Sundance und Robin starteten etwas früher. Ich hatte es nicht eilig, weil ich wusste, dass erstmal vier Meilen Anstieg auf mich warten, aber weil der sich ja nicht in Luft auflöst, wenn ich länger warte, machte auch ich mich auf den Weg.
Das Wetter war wie gestern richtig schön, sodass ich meine Jacke schon bald abwarf. Ich freue mich richtig, den Weg nochmal bei Sonnenschein zu gehen, denn die Hälfte kenne ich von Vorgestern ja nur wolkenverhangen. Außerdem versuchte ich diese letzten Meilen nochmal so richtig zu genießen.
Ich war irgendwie erleichtert als ich den ersten Anstieg geschafft hatte. Oben saß eine Gruppe auf ihrem Weg zur Grenze, sodass wir uns gegenseitig wieder beglückwünschen konnten.
Als ich Robin und Sundance überholte, verabredeten wir uns für eine Wasserfilter-Snack-Pause am nächsten Bach, denn ich kann das ja jetzt nicht mehr einfach so allein.
Die Mittagspause verbrachten wir am Zeltplatz von vorgestern. Als ich dort ankam konnte ich gar nicht glauben, wen ich dort erblickte: Die Kanadierinnen Krysta und Erin! Die Freude war groß und wir berichteten uns gegenseitig von den letzten Wochen. Als sie sich wieder auf den Weg machten, kamen die nächsten bekannten Gesichter um die Ecke: Will und Ari. Das deutsch-amerikanische Pärchen hat mich seit Kennedy Meadows South immer wieder begleitet und ist auch mit den anderen aus meiner Gruppe gut befreundet. Alle haben sich sehr gefreut auch die beiden nochmal zu sehen.
Es macht mich irgendwie sentimental alle nochmal zu sehen und nicht zu wissen, ob man sich jemals wieder sieht.
Robin, Sundance und ich zelebrierten unsere letzte Mittagspause sehr. Wir lagen in der Sonne, tranken heiße Schokolade und ließen die letzten Wochen nochmal Revue passieren.
Nach über einer Stunde ging es weiter, denn wir hatten erst gerade so die Hälfte der geplanten Meilen geschafft. Gleich nach der Pause wurde ich wieder von den Reitern mit ihrer Pferde-Maultier-Kolonne ausgebremst, die wieder zum Tränken an der Wasserstelle stoppten.
Danach ging es hinab ins Tal, um gleich darauf die Serpentinen zum nächsten Pass wieder hinaufzugehen.
Dort sah ich Long Strides auf einmal, wie er Wasser auffüllte. Er machte mich darauf aufmerksam, dass das die letzte Quelle vor unserem heutigen Campplatz ist. Offenbar hatte er vergessen, dass der Bach an dem wir vorgestern Mittagspause machten, ganz gut Wasser führte. Ich entschloss mich also dazu bis dorthin zu warten, um nicht unnötig Gewicht zu tragen. Zusammen gingen wir den Anstieg hinauf und stoppten oben, wo Shoeless mit Toasty und Trout stand. Noch so ein Wiedersehen, was Freunde bei allen auslöste. Wir quatschten eine ganze Weile, doch es wurde dann kalt und auch schon spät. Die letzten Meilen zum Camp ging es nun bergab. Ich lieh mir eine Wasserblase, auch wenn ich die Hoffnung hatte, dass ich meine an der Stelle wiederfinde, wo ich sie vergessen hatte. Doch das war leider nicht der Fall.
Der Campingplatz war nicht ganz ideal, da es nur wenige gerade Stellen gab. Ich quetschte meins neben Shoeless, da die meisten anderen größere Zelte haben als ich.
Nach und nach kamen alle an und Eva verkündete, dass sie heute sogar zwei Bären gesehen hat. Irgendwie ist es unfair oder ich bin einfach nur blind
Als es schon dunkel war, versammelten wir uns alle zum letzten Abendessen. Völlig überraschend kam Giggles aus den Niederlanden um die Ecke. Es fühlt sich langsam wirklich schicksalshaft an, den man auf die letzten Meter nochmal wiedersieht. Wir verbrachten einen schönen letzten Abend und sprachen darüber, was wir nicht vermissen werden. Das Fazit war klar: jeden Tag sein eigenes Haus und Bett bauen und keine fließendes Wasser haben.
Zurück im Zelt habe ich etwas getan, was ich schon lang nicht mehr machen musste: eine Blase aufstechen. Ich habe mir tatsächlich am letzten richtigen Wandertag nochmal eine an der Ferse gelaufen. Vielleicht ist es ein Zeichen, dass es jetzt langsam vorbei sein soll.
Die letzte Nacht auf dem Trail war ruhig und erholsam. Es waren sogar Polarlichter angesagt, aber leider hat man keine gesehen.
Überraschenderweise war mein Zelt am Morgen trocken. Das ist natürlich sehr praktisch, da ich heute und die nächsten Tage sowieso nicht die Möglichkeit habe, es vernünftig zu trocknen.
Bis zu Harts Pass waren es nun nur noch fünf Meilen. Wir schafften es sogar alle zusammen zu starten und liefen wie aufgefädelt hintereinander. Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich mit dem morgendliche Geschäft bis zur Komposttoilette am Parkplatz warten kann, doch mein Körper hatte andere Pläne. Das hieß also, dass ich die anderen davon ziehen lassen musst, um mir ein stilles Örtchen zu suchen. Wenigstens hatte ich zum Abschied nochmal einen sehr guten Ausblick. Vermissen werde ich dieses Prozedere aber nicht.
Irgendwann holte ich Shoeless ein und wir liefen zusammen. Dann kam uns mal wieder ein Bekannter entgegen. Diesmal war es Sesame, der Franzose, den ich an meinem ersten Tag bei Scout und Frodo kennengelernt hatte und dann nie wieder gesehen habe. Zufälle gibts.
Wenig später war der Parkplatz auch endlich in Sicht und da es die Wandergötter gut mit uns meinen, warteten zwei Trail Angel mit Frühstück auf uns. Es gab Hash Browns, Eggs Benedict, Biscuit and Gravy und heißen Kaffee. Was für ein Abschluss!Read more