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  • Provinz Hatay und İskenderun

    2 maj, Turkiet ⋅ ☀️ 21 °C

    Claudia wird am Morgen davon wach, dass irgendetwas laut des Abhang zu unserem Zeltplatz hinunterpoltert. Der erste Verdacht, dass es sich um einen Traktor handeln könnte, bestätigt sich nicht und wäre bei etwas logischem Nachdenken auch gar nicht möglich gewesen. Der Blick aus dem Zelt offenbart, dass stattdessen eine Schafherde die kleine steile Rampe runtergetrieben wird. Schnell Heiko wecken, denn es dauert nicht lang, bis auch die bellenden Hunde und der freundliche Hirte unser Zelt erreichen. Letzterer möchte uns zum Frühstück zu seinem Haus einladen, was Heiko aber dankend ablehnt und den Kocher für die Zubereitung unserer morgendlichen Heißgetränke anwirft. Es dauert keine zehn Minuten, da steht der Hirte wieder vor unserem Zelt und informiert uns darüber, dass seine Mutter bereits das Frühstück vorbereitet. Also gut: Kocher wieder aus, Sachen packen, Zelt abbauen, Räder beladen...! Der Hirte sitzt etwas abseits im Gras und wartet geduldig, bis wir fertig sind. Im seinem und dem Geleit von einer Herde Schafen und zwei Hunden marschieren wir schließlich zum 400m entfernten Hof. Neben der mähenden Schafherde muhen auch Kühe und gackern Hühner auf dem Gelände, über unseren Köpfen schwirren und zwitschern reichlich Schwalben und Spatzen. Wir lernen die Mutter des Hirten kennen, die uns vor dem Haus ein herrliches Frühstück mit Brot, Schafskäse, eingelegten Oliven von eigenen Bäumen, gekochten Eiern und natürlich Tee serviert. Heiko hat in der Nacht neben bellenden Hunden auch ein Heulen gehört, jetzt erfahren wir, dass diese Laute wohl von Schakalen stammen. Außerdem berichtet der Hirte von etwa 60 Wildschweinen, die hier im Umkreis unterwegs sind. Da die Tiere das Getreide zerstören, werden sie geschossen und angesichts des Umstandes, dass Türken kein Schweinefleisch essen, an Chinesen verkauft, die in unmittelbarer Nähe ein Kraftwerk betreiben. Als wir dem Hirten auf Nachfrage unsere weitere Roure zeigen, empfiehlt er uns eine Änderung. Auf der von ihm empfohlenen Strecke sei weniger Verkehr und es sei insgesamt schöner als auf der von uns vorgesehenen Route, die wohl an einem Kraftwerk vorbeiführt und stark von LKW frequentiert wird. Wir folgen der Empfehlung, die sich auch als absolut richtig erweist. In der Ferne sehen wir deutlich die Rauschschwaden der Industrieanlagen, von denen wir auf der Nebenstraße (noch) verschont bleiben. In einem winzigen Dorf legen wir eine kleine Rast an einer Bushaltestelle ein. Inzwischen war unsere Entscheidung gefallen, durch die Region Hatay zu fahren. An der Beschriftung der Bushaltestellenbänke erkennen wir nun, dass die Provinz Adana hinter uns liegt und das Dorf bereits zu Hatay gehört, wo in der Nacht auf den 06. Februar 2023 die Erde bebte. Der Gedanke, dass durch dieses verheerende Erdbeben hier im letzten Jahr tausende Menschen ihr Leben und unzählige ihr Zuhause mit allem Hab und Gut verloren haben fährt fortan mit. Während wir hier noch so sitzen, kommt ein junger Mann vorbei und stellt interessierte Frage. Ein Viertelstündchen später taucht er erneut auf, um uns eine große Tüte voll mit Orangen zu schenken. Mit reichlich Vitamin C im Fahrradkörbchen radeln wir weiter und erreichen kurz darauf die Hauptstraße, der wir nun bis zum Zielort İskenderun nicht mehr entkommen können. Viel lauter Verkehr, vor allem LKW, braust an uns vorbei und der erste Mittelmeerblick (wir sind nur einen Steinwurf von der Küste entfernt...) wird durch mächtige Industrieanlagen in der Freihandelszone verhindert. Kurz vor Erreichen der Stadt können wir dann doch noch einen Blick auf das Mittelmeer erhaschen, wenn dieser auch bei weitem nicht so grandios und besonders ist wie der bei Erreichen des Schwarzen Meeres im letzten Jahr. Mit der Einfahrt in İskenderun sind dann auch für uns erstmals die durch das Erdbeben angerichteten Folgen nicht mehr zu übersehen: Lücken, wo einst Häuser standen, zerstörte Gebäude, nach wie vor Container- und Zeltunterkünfte in der Stadt. In zentraler Lage liegt das Diamond Palace Hotel, wo wir gegen 19 Uhr einchecken. Unser Zimmer ist sehr groß und geräumig, darüber hinaus aber eher "mittelmäßig". Im letzten Abendlicht zieht es uns nach einer Dusche noch einmal hinaus an die Promenade. Wir besuchen einen bedeutenden Platz der Stadt, den
    İskenderun Monument Square (İskenderun Anıt Meydanı), auf dem natürlich auch ein Mahnmal des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk nicht fehlen darf. Leider stehen das auf einem Marmorsockel montierte Bronzewerk von Atatürk im Militäranzug auf einem sich aufbäumenden Pferd sowie der größte Teil des Platzes unter Wasser, was wir zunächst auf Regenfälle in den letzten Tagen zurückführen. Später erfahren wir allerdings, dass der Küstenstreifen an dieser Stelle durch das Erdbeben um einen Meter abesackt ist. Das erklärt natürlich einiges...!
    Zum Abschluss des Tages wird es dann tatsächlich türkei-untypisch: In einer recht belebten Straße, man könnte fast "Partymeile" sagen, bestellen wir Burger und Pizza und sogar auf die geliebte türkische Nachspeise verzichten wir. Vielleicht morgen wieder...
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