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  • Jour 20

    17 Frómista – Carrión de los Condes

    16 août 2022, Espagne ⋅ ⛅ 24 °C

    Heute Morgen bin ich nicht so früh los. Ich hatte Mühe, mich aufzuraffen. Das war wohl die Prüfung für meinen gestrigen Exkurs übers Innehalten. Mir war kalt und eine Schwere erfüllte meinen Körper, die sich auch auf die Seele legte. Immerhin bekam ich noch in Frómista meinen Café con Leche und bin dann mit einem letzten Blick auf den schlichten San Martín losgelaufen.
    Der Weg heute führte fast ausschließlich neben der Straße entlang. Er war schnurgerade und darüber wölbte sich der weite Himmel. … so weit und wolkig und lebendig-bewegt. Ich bin noch immer auf der Meseta. Das heißt Hochebene. Bisher hatte ich Meseta immer mit Hochofen verbunden, wohl wegen des Wissens, hier hoch zu sein (ich bin auf einer Höhe zwischen 800 und 1.000 Metern) und der Erfahrung der letzten Male, dass es hier heiß und ohne Schatten war: hoch und heiß = Hochofen. Aber eben nicht: nur hoch und flach = Hochebene.
    Nach der erste Pause gegen 9 Uhr, lief es etwas besser. Die Füße waren nicht mehr so schwer und mir wurde wärmer. Den ganzen Weg über sollte es allerdings kühl bleiben – es wehte ein lebhafter Wind und die Sonne verschwand immer wieder hinter den Wolken: ideales Wanderwetter.
    Ich hätte auch eine Alternativstrecke abseits der Straße wählen können, aber die führte 10 km weit durch den Wald. Heute hatte ich eher Lust auf Ortschaften. Die gab es an der Straße alle 3 … 4 km. Das lockert den Weg auf und durch die vielen Eindrücke vergeht die Zeit schneller.
    Unterwegs kam ich nach Villalcázar de Sirga. Das ist eine Cluniazensische Stadt, die mit den Zisterziensern zu tun haben. Bernhard von Clairvaux spielte da eine große Rolle. Er hatte in Vézelay zu dem zweiten Kreuzzug aufgerufen: „Gott will es!“ hatte er gerufen und nach Osten gewiesen, Richtung Jerusalem. Wieder so jemand, der im Namen Gottes zu einem Krieg aufruft.
    Die Kirche in Villalcázar war cerrado – geschlossen. Als ich um die Kirche herumlief, sah ich dass es im Westen keinen Eingang gab. Da ist sonst immer das Hauptportal. Im Osten ist der abgeschlossene Chor. Wenn man sich den Grundriss der Kirche als liegenden Menschen vorstellt, ist im Osten der Kopf, in der Vierung das Herz und im Westen sind eben die Füße. Man geht von Westen herein bis zum Chor, wendet sich und geht nach Westen wieder heraus. Das ist wie ein Weg zur Quelle und wieder zurück in die Welt.
    Der Dom von Münster, dessen Westfassade mit einem prächtigen Portal im zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe zerstört wurde, ist nach dem Krieg wieder aufgebaut worden. Die Westfassade wurde zugemauert. Es gibt lediglich 8 kleine runde Fenster, die Andeutung einer Rosette, durch die Licht in den Dom fällt. Was hat das zu bedeuten? Wenn da, wo es zurück in die Welt geht, kein Ausgang ist – keine Perspektive für die Zukunft möglich ist?
    Und hier in Villalcázar? Auch hier gibt es nur ein Fenster in der Westfassade – weit oben. Die Pilger sind in alten Zeiten bei der Kirche angekommen, haben dort in der Kirche übernachtet und am nächsten Morgen gestärkt und mit erhobenem Haupt durch das Westportal weitergezogen – nach Santiago und weiter bis ans Meer.
    Was nun, wenn das Westportal verbaut ist und ich mich erst wieder nach Osten wenden muss mit Blick auf diesen überbordenden goldenen Altar, der die ganze Macht der Kirche zeigt und mich klein werden lässt, dass ich mich durch einen Seitenausgang hinausschleichen muss?
    Mittags bin ich schon in Carrión de los Condes, eine quirlige Stadt, zumindest in der Mittagszeit und dann wieder nach der Siesta am Abend.
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