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  • Hari 19

    Innehalten.

    15 Ogos 2022, Sepanyol ⋅ ⛅ 24 °C

    Ja Moment, das war doch schon mal dran: Innehalten, oder?
    Nein, das war „Anhalten!“ – vor zwei Wochen vielleicht, als ich in Pamplona zwei Ruhetage eingelegt habe und meinen überflüssigen Ballast nach Hause geschickt habe. Da gab es den Footprint ANHALTEN! mit Ausrufezeichen.
    Nun Innehalten – ohne Ausrufezeichen, nur mit Punkt.
    Heute Morgen, als ich im Dunkeln den Berg hochstieg – und es war ein schönes Stück: genau genommen 1.050 m lang und 12% Steigung, sagte das Schild – hatte ich eine neue Empfindung, die ich gerne mit euch teilen möchte.
    Sonst habe ich vor einem Berg gestanden und habe gedacht: „nein, da will ich nicht hoch!“ oder „wenn ich doch schon oben wäre,“ und jeden Moment hätte ich mich umgeschaut, wieviel ich schon geschafft hätte und was noch vor mir läge. Das war weg! Also diese Beurteilungen, Befürchtungen und Hoffnungen, dieses Nicht-Wollen. Ich war einfach so im Moment da und habe Schritt vor Schritt gesetzt – und es ging gut. Kein Schweißausbruch, kein Herzklopfen, kein Schnaufen – nur das ruhige Schreiten, das mit dem Herzschlag synchron war – und alle vier Schritte und Schläge das „Tock“ des Wanderstocks, das den Atem begleitete.
    Dann habe ich mal in mich gespürt und genau empfunden, wann der Stress einsetzen könnte. Und das ist, wenn ich woanders wäre, als da, wo ich im Moment bin – also schon oben auf dem Berg oder am Tagesziel in Frómista oder warum nicht gleich in Santiago oder kann ich nicht einen Bus nehmen oder warum bin ich nicht mit dem Auto gefahren oder warum bin ich überhaupt hier und nicht irgendwo im warmen Bett und schlafe aus? Alles Vorstellungen, die nicht mit dem Moment verbunden sind, in dem ich mich gerade befinde. Und mein Stresssystem führe hoch: Puls beschleunigen, Atemfrequenz erhöhen, Darmaktivität runterfahren, … und schon würde ich in der Falle stecken.
    Das habe ich heute Morgen nicht getan. Ich habe versucht bei mir und meinen Füßen zu sein. Und wenn ich abschweifte, habe ich mich sanft wieder hergeholt. Das ist vielleicht Innehalten. Anhalten! – Stoppen wäre irgendwie zu abrupt.
    Und es ging gut.
    So habe ich versucht, den ganzen Tag zu laufen: den Berg auf der andern Seite – noch steiler: 18% – wieder runter, durch die endlos langen Ebenen, und noch ein Stück weiter als am Vortag. Ich habe gesungen und geschaut, was um mich herum lebte – und habe ruhig Schritt vor Schritt gesetzt.
    Ultreia et Suseia
    Das ist ein alter lateinischer Pilgergruß und heißt soviel wie Weitergehen und Darüberhinausgehen. Da fehlte etwas für mich. Ich kann nicht immer nur weitergehen. Das hört sich so an, wie eine Maxime, die ich als junger Mensch einmal hatte – wohl von anderen übernommen: „wenn der Karren im Dreck steckt, musst du nur Gas geben, dann kommt er schon wieder raus und es geht weiter.“
    Nein, das stimmt nicht!
    Heute glaube ich, ich sollte erst einmal innehalten und spüren, was gerade alles in und um mich herum lebt, also ganz im Dasein, im Moment sein. Einmal, als mir das gelungen ist – nämlich ganz ruhig zu werden – habe ich gespürt, wie sich unter mir ein seichter, aber stetiger Strom weiter bewegt hat. Äußerlich war alles still – und dann dieser Strom. Das war ein starkes Erlebnis, an das ich mich immer wieder erinnere, und schon allein zu wissen, dass ich das schon einmal erlebt habe, hilft.
    Das war auch heute Morgen so: der Weg selbst begann unter meinen Füßen sich zu bewegen.
    Deshalb meine ich, bevor ich immer weitergehe und dann über mich hinaus, sollte ich innehalten. Innehalten heißt aus Latein (ich kann kein Latein, aber der Google-Übersetzer hat mit geholfen) also Innehalten auf Latein ist inhibire. Vielleicht könnte der Pilgergruß dann so lauten:
    Inhibeia et Ultreia et Suseia.
    Heute in der eindrucksvollen romanischen Iglesia San Martín in Frómista war dieser Spruch in Architektur gebracht. Da war dieser schlicht Vierungsturm: im Grundriss quadratisch (Symbol für das Irdische), darüber achteckig (in die weite Ewigkeit) und dann kam die runde Kuppel (darüber hinaus: Gott). – Inhibeia et Ultreia et Suseia.
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