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  • Day 2

    Costa Calida heißt Heiße Küste

    February 17, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 18 °C

    Zwischen San Carlos de la Rapida und Bolnuevo liegen 479 Kilometer und eine halbe Welt. Unsere Ferienanlage heißt Oasis de las Palmeras und ist auch eine: Es ist vermutlich die größte Ansammlung von Palmen auf einem Fleck im Umkreis von 50 Kilometern. Habitaciones kauern in ihrem Schatten unterhalb von Las Gredas de Bolnuevo, einer monumentalen Sandsteinskulptur mit bizarren Motiven, Türmchen, Pilzchen, Tischchen, Fensterhöhlen, die Meer und Wind in Jahrmillionen aus der Zeit gemeißelt haben. Touristen werden in Bussen hergekarrt, ausgespuckt und wieder an Bord gepfiffen. Anders als die Mauersegler und Tauben, die hier zuhause sind, nisten und sich morgens vom Bett aus beobachten lassen. Die Möwen sind riesig und sehen aus wie Albatrosse. Nachts wirft das Naturtheater das Echo des Meers in unser Zimmer. Vom Balkon aus können wir das Meer auch sehen, zwei Pools gibt es außerdem und, nicht zu vergessen, eine Bar mit überreichlichem appetitlichem Tapasangebot in Terrinen, auf deren Inhalt man nur mit dem Finger zeigen muss, um das Gewünschte zu bekommen. Tapas sind eine geniale Erfindung, wir ernähren uns fast ausschließlich davon: Überbackene Auberginen, Thunfischsalat mit Oliven und Ei, Lachssalat, Meeresfrüchtesalat, Kartoffelsalat, Salsiccia, winzige Sardinen, gefüllte Paprika, Bratkartoffeln mit Knoblauch, verschiedene Sorten Gulasch con und sin alio, etc., etc.
    Wenn wir nicht Tapas essen, lesen wir. Schreiben. In der Sonne sitzend auf dem Balkon, von dem aus man das Meer sieht. Und hört. Wir treffen uns mit S, der besten Freundin, die ein paar Kilometer weiter in Mazzaron Urlaub macht, auf der „Platte“, einem Sozialcafé in Islaplana. Halb Europa jenseits der 60, betucht und weniger betucht, scheint hier und in den Dörfern der Umgebung zu überwintern. Wir schlürfen „Asiatico“, eine irrsinnig süße Melange aus Espresso, Orangenlikör und dickflüssiger Kaffeesahne. Sieht schön aus, schmeckt umwerfend. Wir unterhalten uns: Über Gott und die Welt, über Hemingway, Franco und die Existenz der bis heute nicht aufgearbeiteten spanischen Diktatur bis 1975.
    Zum Sonnenuntergang, der schon fast vorbei ist, fahren wir nach Azohia, und nach dem versäumten Sonnenuntergang gibt es den nicht versäumten Aufgang des Vollmonds und dann wieder Tapas nebst Vino tinto - in einem Lokal mit Blick auf die Dämmerung.
    Am folgenden Nachmittag fahren wir mit den E-Bikes nach Westen in die Sierra de las Moreras. Anfangs mutet das ausgetrocknete schmutziggrün bewachsene Karstgebirge trostlos an. Ein Perlhuhn mit klatschrotem Schnabel, das in einer Talsenke Essbares aufpickt, ist noch das Bunteste. Auch eine Karnickelsippe wieselt umher - inmitten einer halblebigen Palmenpflanzung, die kurz vor dem Abnibbeln steht. Ich kann nicht anders, mir ist es hier zu karg, zu kahl; trockenes Gebüsch und ein einzelner Rosmarinbusch mit Duft und winzigen blauen Blüten sind zu wenig. In den deutschen Nachrichten war kürzlich die Rede davon, dass Spanien derzeit am Verdursten ist - es hat so wenig geregnet, dass sogar die Talsperren ausgetrocknet sind bis auf den letzten Tropfen, so dass ehemalige uberflutete Dörfer wieder begehbar sind.
    Erst auf dem Rückweg im Abendlicht erschließt sich uns der Charme der abweisenden Moreras-Landschaft doch noch. Die marmorierten Felsblöcke sind ein von der Natur geknetetes Gebäck, mehrstöckige Tortenstücke in kakaobraun, ocker bis zitronengelb. Im Meer sollen sich laut Touristeninfo Schildkröten, Delphine und sogar Pottwale tummeln. Zu Gesicht bekommen wir weder die einen noch die anderen. Nur ein Boot aus Stein schwimmt vor der Küste - mit steinernen Menschen darin.
    Die Sonne versteckt sich heute hinter einem Hügel und macht aus ihrem Untergang ein Geheimnis, ehe sie dann doch noch eimerweise Rot ausschüttet, das der Horizont kaum fassen kann.
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