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  • Day 4

    Wiedersehen mit dem Paradies

    January 25, 2023 in Costa Rica ⋅ 🌧 28 °C

    Auf der Straße von Puerto Viejo nach Süden fahren mehr LKWs, Lieferwagen und Mopeds, als man auf dem Weg ans Ende der Welt erwarten könnte. Einen Fahrstil pflegend, dass man froh sein kann, wenn man das Ende der Welt lebend erreicht. Ich habe mir ein Fahrrad geliehen, einen altersschwachen Drahtesel ohne jedes Extra, aber einmal nach Manzanillo und zurück wird er schon durchhalten. Ich bin gespannt auf das Naturreservat an der Grenze zu Panama, einst für uns der schönste Flecken Costa Ricas, um nicht zu sagen, auf Erden , nirgendwo war das Paradies so nah.
    Bereits nach einem halben Kilometer springt von meinem Bike eine Schraube ab, und der Bügel, der, mit der Radnabe verbunden, eigentlich das Schutzblech über dem Reifen halten sollte, klappert unerträglich. Mangels Schnur binde ich ihn schließlich mit einem von einer Tempotaschentuchpackung abgerissen Streifen Plastikfolie fest. Ich mausere mich auf meine alten Tage noch zur Ingenieurin.
    Hinter Punta Uva lässt der Verkehr nach, und Fahrradfahrer sind auf der Fahrt durch den Urwald mehr oder weniger unter sich. Es ist schwül, mit dem Fahrtwind aber auszuhalten. Kurz nach 13 Uhr passiere ich das Ortsschid Manzanillo. Hier enden die Wege, früher war das Dorf ein Ort für Aussteiger mit verfilzten Rastafrisuren, das "Maxi", das die Umgebung rund um die Uhr mit Reggae-Musik beschallte, die einzige Kneipe. Der Zugang zum Nationalpark führte durch eine Furt am Karibikstrand, die nur bei Niedrigwasser passierbar war. X-mal sind wir durchs knietiefe Wasser in unser Eldorado gewatet, ehe 2016 eine Hängebrücke gebaut und der Park für jedermann zugänglich wurde. Seither ist ein Kassenhäuschen samt Aufsichtsrspersonal und weiteren wenig romantischen Accessoires dazu gekommen. Geschäftig hin und her fahrende Lastwagen, ein Bagger und eine Planierraupe sind dabei, neben der Hängebrücke eine Zufahrtstrasse über die Furt zu errichten. Zu sehen, wie dieser unberührte Flecken Erde von der Zivilisation buchstäblich überrollt wird, tut weh. Es tut weh, das zu sehen, obwohl oder gerade weil man selbst zu den Berührern gehört. Ich schließe meine Schrottmühle an, entrichte Wegezoll und hinterlasse meinen Namen auf einer Liste. Mein Rucksack wird durchsucht, unklar wonach, vermutlich nach Essbarem. In jüngerer Zeit häufen sich Fälle, bei denen gefräßige Touristen beim Besuch der Nationalparks von noch gefräßigeren Waschbären angefallen und verletzt werden.
    Im Park hat die Bauwut Einzug gehalten. Mehrere Privatdatschen aus Holz, die 2016 auch noch nicht da waren. Der Traumstrand mit Palmen und Mangroven mit donnerndem Meer dagegen unversehrt.
    Man kann das Gelände auf markierten Trails durchwandern, auch das ist neu. Früher war man Pionier und jeder Streifzug eine spannende Exkursion ins Ungewisse. Ich nehme den am wenigsten ausgetretenen Pfad ins Landesinnere. Irgendwann ist das Tosen des Meers verstummt. Noch ein paar Meter, und ich bin im Schoß von Mutter Erde, ganz allein mitten im Urwald mit in den Himmel wachsenden Bäumen, Lianen, Farnen und Gebüsch. Nein, ganz allein bin ich nicht, ganz und gar nicht. In die Stille tropft dann und wann das Knacken von Geäst, das Plopp einer am Boden aufschlagenden Nuss. Das Stockwerk über mir ist bevölkert mit ganzen Sippen von Brüllaffen. Sie pflücken Hülsenfrüchte, vielleicht werfen sie sie auch nach mir. Irgendwann beginnen sie eine geräuschvolle Unterhaltung und ziehen dabei alle Register. Sie schnattern, ächzen, schnaufen wie Blasebälge, klagen, seufzen, wimmern. Zu Gesicht bekomme ich keinen von ihnen, eben so wenig wie den Tukan, der irgendwo in der Nähe sein spitzes Ki-Ri ausstößt.
    Auf dem Heimweg überrascht mich ein Tropenschauer. Auch das ist Costa Rica: Diese aus dem Nichts einsetzenden und ebenso abrupt wieder endenden brachialen Güsse, bei denen kein Auge und auch sonst nichts trocken bleibt. Auf der Terrasse eines geschlossenen Sodas lassen mich Hund und Katze bereitwillig biwakieren und ich warte in friedlicher Gesellschaft das Ende der Sintflut ab.
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