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  • Day 21

    I survived the monkeys of Corcovado!

    February 11, 2023 in Costa Rica ⋅ ☀️ 28 °C

    Das Abenteuer beginnt frühmorgens. Auf dem Weg in den Nationalpark mit dem Pickup kreuz und quer durch den Fluss Rincon frage ich meinen "personal Guide" Juan-Luis, ob manchmal jemand im Corcovado verloren geht. Prompt bekomme ich die Geschichte eines Costaricaners aufgetischt, der sich allein auf den Weg machte und von seiner Mutter vermisst gemeldet wurde. „Was he found?“, will ich wissen. "Yes, they found him“, Juan Luis macht eine bedeutungsvolle Pause, "several months later. They found his bones."
    Das kann ja lustig werden, denke ich mit leisem Grausen, während wir uns an der Rangerstation Los Patos, dem Ost-Eingang zum Park, mit unseren Namen in einem Buch verewigen. Ich überfliege die übrigen Eintragungen dieses Samstags. Die Parkbesucher, alle jünger als ich, lassen sich an zwei Händen abzählen. Manche durchqueren den Corcovado von Ost nach West und müssen um 5 Uhr morgens aufbrechen, um die 25 Kilometer bis zur Rangerstation Sirena am Pazifik an einem Tag zu schaffen, denn auf dem Weg gibt es kein Camp, keine Unterkunft. So weit will ich nicht. Wer Glück hat, sieht auf der Wanderung Affen, Agutis, Ameisenbären; wird das Glück unverschämt, beschert es einem manchmal einen Tapir oder, sehr selten, einen Panter oder gar Jaguar.
    Tapir wäre schon schön, denke ich, aber Juan-Luis dämpft meine Erwartungen und stellt mir ein Faultier in Aussicht. Er ist jung und mit einem freundlichen Ernst bei der Sache, die da heißt, mir das Prinzip des Regenwalds zu erklären. Er existiert, wie jede Art Wald unter einer bestimmten Art Einschränkung, „Limitation“, und, anders als in gemäßigten Zonen, geht es hier in den Tropen nicht um Wasser oder Winter, sondern um „Space“, um Raum. In mehreren Stockwerken bilden die vielen unterschiedlichen Pflanzen, große Bäume, kleine Bäume, Palmen, Farne, Schlingpflanzen ein komplexes, genau ausdifferenziertes Miteinander. Wir wandern durch eine grüne Wildnis, vorbei an Bäumen, die in den Himmel wachsen, deren Alter niemand schätzen kann, auch nicht anhand ihrer mannshohen Brettwurzeln. Eine von weit oben herunterbaumelnde Liane heißt Affenleiter und sieht auch so aus. Ob sie auch für Menschen nutzbar ist? Auf dem von Wurzelsehnen durchzogenen schmalen Waldweg liegen abgefallene Blätter, groß wie alte Autoreifen. Auf Augenhöhe küsst mich der Corcovado mit „Red lips" zweiblättrigen Blütenblättern, die nicht nur so heißen, sondern auch samtig weich und rot sind wie Lippen.
    Zu einem Wasserfall geht es, gesichert durch ein Handseil, steil bergab. Dass wir nach einem erfrischenden Bad von hier aus schon wieder den Rückweg antreten sollen, schmeckt mir nicht recht. Nicht nur wegen des Tapirs, der auf sich warten lässt. Man braucht wohl mehr Zeit und auch Geduld, als für diese Tour vorgesehen ist, denn wie gesagt, ihn zu sehen ist ein unverschämtes Glück und unverschämte Glücke sind selten. Trotzdem reicht mir diese Alte-Leute-Wanderung nicht. Gefragt von Juan Luis, ob wir eine größere Runde drehen sollen, nicke ich heftig. Tiefer hinein geht es in den Corcovado, jetzt auf dem Weg nach Sirena. Immerhin 9 Kilometer haben wir am Ende hinter uns gelassen. Haben jede Menge kleiner Tiere, Eidechsen, Anolis, Vögel gesehen. Ein Faultier hängt sich an diesem Tag für mich nicht einen Baum. Kurz vor Schluss jedoch, als habe sich das Schicksal wie in einem perfekt inszenierten Theaterstück die Pointe möglichst lange aufgespart, gibt es plötzlich Tumult über uns in den Bäumen. Vier Spidermonkeys regen sich über unser Erscheinen auf, diagnostizieren uns als Feinde und holen umgehend zu einem Gegenschlag aus, der sich gewaschen hat. Wie Krieger bauen sie sich mit ihren unendlich langen Gliedmaßen im Astgewirr auf, um nichts weniger als eine Schlacht zu schlagen. Sie nehmen Anlauf, springen mit Wucht auf Palmwedel, rütteln und schütteln sie mit ihren Händen, schimpfen, keifen, giften, knurren. Ein Regen kleiner und größerer Blätter, Schoten, Samenkapseln geht auf uns nieder. Wow, haben die Temperament! Und Ärger! Einen Moment kommt es mir so vor, als würde sich im Krawall dieser vier Affen die Wut der gesamten Kreatur auf uns Menschen entladen, die in ihren Kosmos eindringen und ihnen die Lebensgrundlage wegnehmen. Dann ist der Spuk auch schon vorbei, die Spidermännchen suchen die oberen Etagen ihres Waldes auf, und wir kehren zur Ranger Station zurück. I survived the monkeys of Corcovado!
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