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  • Day 32

    Corcovado und kein Ende

    February 22, 2023 in Costa Rica ⋅ ☀️ 23 °C

    Nach unserem Strandtag an der Playa Rincon sind unsere Körper gespickt mit geschätzt 1000 Sandfloh-Stichen, gefühlt sind es mehr. Insbesondere die Beine sehen aus, als hätten sie die Windpocken. Das Jucken samt Kratzreflex ist zeitweise so unerträglich, dass man aus der Haut fahren könnte. Dessen nicht genug, pflücke ich auch noch zwei fette Zecken aus der Leistengegend, vollgesogen mit meinem Blut. Die Stimmung bei uns Urlaubern ist etwas gedämpft.
    Es ist einer der schönsten Morgen hier in Costa Rica, jenseits der Drake Bay sieht man die Kordilleren ohne die üblichen Nebelumhänge. Weit hinten über dem Ozean eine einzelne Wolke mit einem Gewitter im Bauch, das uns heute mit Sicherheit nicht treffen wird. Der Regen ist längst Geschichte, seit La Fortuna sind unsere Schirme in den Reisetaschen verschwunden und werden bis zur Heimkehr wohl auch dort bleiben.
    Die letzte Woche unserer Reise ist angebrochen.
    Schon denken wir in Rückblicken, an die schönsten Tier- und auch Menschenbegegnungen - mit den beiden netten Kellnern im Restaurant in Bahia Drake, der Physiotherapeutin im Cariblue in Puerto Viejo, meinen beiden Tourguides. Wo es das beste Essen gab, die besten Betten, wo die leckersten Milchshakes, wo die lautesten Grillen, die fiesesten Insekten, ja, die auch.
    Angesichts unserer Malässen sind wir unschlüssig und uns auch nicht ganz einig, ob wir Osa den Rücken kehren und wieder gen Norden fahren sollen. Wir haben die Staubstraßen von Drake Bay satt, etwas mehr Corcovado- Wildlife könnten wir allerdings durchaus noch vertragen. Zum Beispiel in der Marenco Lodge südlich von Bahia Drake mitten in einem Stück Urwald UND direkt am Meer bzw. hoch ÜBER dem Meer. Mit unserem Umzug dorthin geht der letzte Rest von Zivilisation flöten. Rasieren (Robert) und Föhnen (ich), Aircondition, warm Duschen und Elektrizität im Cottage gehören der Vergangenheit an. Unsere Laptops, Kameras und Smartphones laden wir an einer Steckdosenkonsole im Haupthaus bzw. Speisesaal, die mit Solarstrom gespeist wird. Dafür gibt's morgens wieder Brüllaffen, und man hat gesteigerte Chancen, dass einem Scarlett Macaws oder Tukane vor die Linse fliegen.
    Bei meiner Strandwanderung zur Playa Josecito muss ich auf halbem Weg den Rio Claro überqueren. Um den auf einem Schild am Ufer in Aussicht gestellten Fährverkehr in Anspruch zu nehmen, blase ich pflichtschuldigst in die angehängte Trillerpfeife, leider erfolglos. Worauf ich den Fluss weiter vorne am Strand durchwate. Gleiche Prozedur auf dem Rückweg, buchstäblich in letzter Minute, weil die Flut halt nicht auf einen wartet. Literweise Schweiß vergieße ich und habe am Ende wohl einen leichten Sonnenstich. (Mein Sohn J. erzählt mir später am Telefon, dass er am Rio Claro vergangenes Jahr exakt das Gleiche erlebt hat, einschließlich Trillerpfeife und Zeitnot infolge kommender Flut.)
    Nachmittags, wenn die Sonne in der Lodge um die Ecke kommt und auf den Balkon knallt, weiß man nicht, wo man sich hintun soll, bis das Gestirn schlappmacht, im Meer ertrinkt und ein Abendrot hinterlässt, das jeden Tag kitschiger wird.
    Beim Abendessen kleben Geckos an der Decke, durchsichtig bläulichbleich wie Winterhaut, wie Fingernägel, ab und zu fällt einem einer auf den Kopf, auf den Tisch, ins Essen.
    Nachts läuft der Ventilator auf Stufe drei und erzeugt zusammen mit dem Gedonner der Brandung bei Hightide einen Sound, der einem noch im Schlaf die Ohren abfallen lässt. Heute morgen habe ich zum ersten Mal gedacht, die Natur hat hier auch was Menschenfeindliches, Gewalttätiges, Pura Vida hin oder her.
    Das alles ist vergessen, sobald es hell wird und man zusammen mit seiner Kaffeetasse draußen auf die ersten Tuck-Hähne wartet, die sich dann auch tatsächlich im nächstliegenden Baum einfinden und in Pose setzen. Was für tolle Tiere sind das, wie sie im Morgenlicht geräusch- und bewegungslos auf einem Ast verharren und langsam die Köpfe von der einen nach der anderen Seite wenden. Heute muss mein Glückstag sein. Bis zum Frühstück kommen noch ein Kolibri sowie ein zärtliches Papageienpaar dazu, das auf einem Baum vor Publikum ausdauernd schnäbelt. Der meterlange Leguan, den Robert später in unserem Badezimmer findet, ist Gott sei Dank Single.
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