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  • Der schwerste Abschied

    February 19, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 30 °C

    Am 08.02. sind wir morgens in Phnom Penh in den Bus gestiegen, um die 10h Fahrt nach Banlung anzutreten. Diesmal waren wir die einzigen Westler*innen. Es war wieder ein kleiner, moderner Bus für ca. 12 Personen mit großen Sitzen, also war es sogar recht angenehm. Außerdem wollte Judith sowieso noch ihr Buch zu Ende lesen, für das sie in Phnom Penh keine Zeit gefunden hatte. (An dieser Stelle eine Riesen Empfehlung für "Eine Billion Dollar" von Andreas Eschbach, falls ihr das noch nicht gelesen habt!) Die Fahrt verlief unspektakulär, auf einem Teil der Strecke verwandelte sich die asphaltierte Straße in eine staubige Piste auf dem für Kambodscha typischen rostroten, sandigen Boden, mit vielen Unebenheiten und Schlaglöchern. Wir kamen also zeitweise nur noch langsam voran.

    Banlung ist die Hauptstadt der Provinz Rattanakiri im Nordwesten von Kambodscha und liegt sehr nah sowohl an der vietnamesischen, als auch der laotischen Grenze. Viel zu tun und sehen gibt es hier nicht. Aber Jonas hatte sein letzter Aufenthalt 2016 hier sehr gefallen und wir waren auf der Suche nach einem Ort gewesen, wo wir für wenig Geld längere Zeit bleiben konnten. So langsam brauchten wir nämlich mal eine längere Pause vom Reisen.
    Gegen Abend kamen wir an. Ein guter Indikation dafür, dass der Ort wenig touristisch ist, war die Tatsache, dass beim Aussteigen kein einziger Tuktuk-Fahrer bereit stand, der versucht hätte, uns zu einer Fahrt zu überreden 😁. Wir liefen also die knapp 15 min, um zu unserem Homestay am Rande des Örtchens zu kommen.
    Wir wurden herzlich begrüßt von Thyda, Rithea und ihren vier Pflegekindern. Sie sind zwischen 9 und 14 Jahre alt. Schon am ersten Abend bekamen wir von Thyda die halbe Familiengeschichte erzählt.

    Wir hatten ursprünglich erstmal für 6 Übernachtungen gebucht, aber schnell noch einige Male verlängert. Die Zeit hier tut uns beiden einfach sehr gut, denn wir brauchten mal einen Ort, wo wir etwas runterkommen können und nicht sofort wieder weiterziehen müssen. Das Grundstück vom Homestay ist sehr groß, es gibt mehrere kleine Bungalows und dazwischen pflegt Thyda mit großem Stolz ihren Garten. Vor unserem Bungalow gibt es eine Terrasse auf der wir jeden Tag in der Hängematte hängen können und einen von Thydas Fruchtshakes oder Eiskaffees schlürfen. Abends schlafen wir zu Grillenzirpen und "Geckooo"-Rufen ein und morgens werden wir von Hahnengekrähe und Hundegebell geweckt.
    Wir spielen mit den Kindern UNO und Jonas war einen Nachmittag mit Ihnen auf dem Fußballplatz. Manchmal helfen wir bei den Hausaufgaben (wovon sie immer reichlich viele haben). Im Gegenzug haben sie uns Zählen auf Khmer beigebracht. Das ist ziemlich simpel und logisch mit einem System über 5. Es gibt Zahlwörter von eins bis fünf und für die 10er und 100er usw. und dann wird addiert. 17 heißt beispielsweise 10-5-2. Irgendwie cool!
    Ansonsten knuddeln wir die Katze und den Hundewelpen oder unterhalten uns mit Thyda, wenn sie mal eine freie Minute hat.

    An unserem ersten Abend haben wir ein schweizer Paar kennengelernt, beide Ende 50, die das Zimmer neben unserem hatten. Sie wollten am nächsten Tag eine geführte Dschungeltour machen und fragten, ob wir mit wollten, da es für vier Personen günstiger sei. Nach ein bisschen Überlegen ließen wir uns überzeugen. Am nächsten Tag wurden wir vier also mit dem Tuktuk ca. eine Stunde nördlich zu einem Fluss gefahren. Auf diesem ging es dann noch 30 min in einem schmalen, langen Holzboot den Fluss hinauf, bis wir am Ausgangspunkt der Wanderung ankamen. Unser Guide führte uns eine Weile über Feldwege, bevor es in den Wald ging. Zwischendurch blieb er immer wieder stehen und schlug mit einem großem Messer verschiedene Gewächse und Baumstücke ab, die er uns zum probieren gab. Zum Beispiel eine Frucht vom Cashewbaum und einige frische Cashews, Ingwerwurzeln, Mahagoniholz (dieses allerdings nicht zum Essen 😜), Süßholz und einige Kräuter und Baumstücke, die medizinischen Nutzen haben.
    Ein bisschen gruselig waren die zahlreichen Tarantulanester, die direkt am Wegesrand ihre Öffnungen hatten. Das Gift der Spinnen kann einen großen Wasserbüffel in 2 min töten. Man möchte Ihnen also lieber nicht begegnen.
    Unser Ziel war ein kleiner Wasserfall, an dem wir Mittag aßen und schwimmen konnten. Danach führte uns unser Guide zu dem Dorf, indem er lebt. Auch die Menschen hier sind keine Khmer, sondern gehören einer andern kleinen Volksgruppe an. Er führte uns ein bisschen herum und zeigte uns wie sie dort wohnen und arbeiten. Das Leben dort ist sehr einfach. Die Häuser sind die typischen Holzhütten, die man überall in Kambodscha finden kann. Sie sind auf Stelzen gebaut, sodass man während der Trockenzeit darunter im Schatten sitzen kann und es während der Regenzeit nicht überflutet wird. Die Menschen leben vom Reis- und Gemüseanbau. Strom und fließend Wasser gibt es nicht. Unten am Fluss konnten wir einige Kinder und Frauen beim baden und Wäsche waschen beobachten. Unser Guide zeigte uns außerdem die Schule und den Friedhof.
    Wir fanden es zwar sehr interessant, das alles zu sehen, aber haben uns auch etwas unwohl gefühlt. Wir konnten mit den Menschen dort ja nicht sprechen und nur hoffen, dass sie sich nicht so gefühlt haben, als wäre ihr Leben ein Museum für uns, weil wir uns dort alles angeschaut haben.
    Mit den Schweizern haben wir uns trotz des Altersunterschiedes gut verstanden und noch oft beim Frühstück und Abendessen unterhalten. Die beiden haben vor 30 Jahren mal eine ähnliche Reise gemacht, wie wir. Ebenfalls durch Südostasien und nach China, wollten dann die Transib nehmen, sind dann aber an der mongolischen Grenze nicht reingekommen. Später ging es für sie noch nach Australien. Dann kamen fünf Kinder und erstmal keine weiten Reisen mehr. Jetzt haben sie zwei Monate unbezahlten Urlaub genommen, um das erste Mal wieder eine längere Reise zu unternehmen. Vor Kambodscha waren sie einen Monat in Myanmar und haben uns das sehr schmackhaft gemacht. Vielleicht fahren wir nach Thailand dann also auch dort noch hin...

    Eines morgens beim Frühstück fragte Thyda uns und die anderen Gäste, ob wir Lust hätten, heute Abend mit auf eine Hochzeit zu gehen. Die Tochter eines Freundes von Rithea würde heiraten und sie hätten noch einen Tisch für 10 Leute übrig. So eine Gelegenheit wollte natürlich niemand ausschlagen. Danach entbrannte am Frühstückstisch eine Diskussion darüber, wie man denn jetzt noch an passende Kleidung dafür kommen könnte 😅. Thyda bestellte für den Nachmittag sogar zwei Frauen aus einem Haar - und Kosmetiksalon her, die sie und zwei Französinnen aus dem Homestay zurechtmachten. Judith hatte dankend abgelehnt, weil sie schon Fotos von Thydas Hochzeit gesehen hatte - dezentes und natürliches Make Up gibt es hier nicht. Die Haut wird komplett übergeschminkt und Fake-Wimpern sind das Mindeste.🤣 Am Abend fuhr Rithea uns dann in zwei Fuhren mit dem Auto in ein Dorf 5 km außerhalb.
    Natürlich war vor allem Judith total underdressed 😅Jonas passte mit seinem Hemd aus Hoi An dagegen ganz gut zu den weniger schick gekleideten Männern). Der Kleidungsstil der anwesenden Khmerfrauen war allgemein sehr ähnlich. Die Kleider sind meistens einfarbig in hellen knallig-leuchtenden Farben wie pink oder helltürkis und über und über mit Glitzersternchen oder Pailletten besetzt. Die meisten Männer sahen dagegen regelrecht langweilig aus mit Jeans und Hemd.
    Wir wurden an einem runden Tisch am Rande der Veranstaltung platziert und bekamen Essen aufgetischt. Bevor wir überhaupt fragen konnten, hatte Thyda außerdem die Menschen vom Catering angewiesen, einen Teller ohne Fleisch und Fisch für uns zu bringen. Wir hatten dann eine Art Glasnudelsalat mit Gemüsestreifen, Erdnüssen, Kräutern und jeder Menge Knoblauch. Außerdem gab es Bier soviel wir wollten. Immer wieder kamen einige gut gelaunte und nicht mehr ganz nüchterne Männer zu unserm Tisch und wollten mit allen anstoßen. Dabei forderten sie immer lauthals, dass wir das Glas komplett leeren sollten 😂. Zum Glück wird das Bier hier bei solchen Veranstaltung auf Eis getrunken und so immer etwas verdünnt, Jonas wurde trotzdem etwas abgefüllt von seinen kambodschanischen Trinkkumpanen🍻.
    Anschließend mussten wir natürlich tanzen gehen. Die ganze Veranstaltung fand draußen statt und die Musik kam von einer Bühne, auf der zwei Sänger und eine Sängerin Khmer-Pop zum Besten gaben und vier Frauen dazu tanzten. Um 22 Uhr wurden die Gäste schon deutlich weniger und als wir gegen 23.30 Uhr wieder zurück fuhren, waren nur noch wenige Menschen da und die Bühnenshow beendet. Khmer-Hochzeiten fangen nämlich schon sehr früh an (Thyda meinte, dass es völlig normal ist, wenn die Braut um 3 Uhr nachts aufsteht, um sich fertig zu machen und um 6 Uhr morgens geht es schon los), aber dafür gehen die meisten Gäste eigentlich nach dem Abendessen.

    An den weiteren Tagen waren wir meist abwechselnd einen Tag im Homestay und einen Tag einen Ausflug mit dem Moto machen. Es gibt einen größeren Kratersee in der Nähe, an dem wir einen Tag baden waren, und mehrere Wasserfälle unter denen man auch schwimmen kann. Besonders den 7-Steps-Waterfall fanden wir cool. Nachdem man eine Stunde mit dem Moto über die rote Sandstraße gefahren ist, sieht man schlimmer aus, als die Straßenhunde hier und aus weißen Sachen geht die Farbe auch nicht mehr raus. Dafür kann man dann aber unter dem siebenstufigen Wasserfall duschen und auf einem der Holzstege liegen, die in das Wasser reingebaut wurden - wirklich entspannend😎.
    Außerdem waren wir mehrmals auf dem Markt in Banlung. Das ist der beste Markt auf dem wir bisher waren. Wir wurden nämlich überhaupt nicht beachtet und mussten die Verkäufer*innen immer selbst ansprechen, wenn wir etwas wollten - was für ein Kontrast zu den Märkten in den großen Städten! Außerdem bekommt man ohne endlose Diskussion sofort einen vernünftigen Preis. 1$ für 1kg Passionfruit, das ist ein riesigen Beutel mit ca 16 Stück 😍. Außerdem frische Lychees, Ananas, Wassermelone, drei Mangos für 1$ oder eine Kokosnuss zum trinken für 50cent. Wir lieben das ganze tropische Obst hier und dass man es ohne schlechtes Gewissen in riesigen Mengen essen kann. In Deutschland würden wir das, der Umwelt zu liebe, nur sehr selten kaufen. Ab und zu gab es auf dem Markt auch kleine Donuts, die aus frittiertem Reismehl bestehen und mit karamellisiertem Zucker übergossen werden - super süß und fettig aber trotzdem sehr lecker 😋.

    So sind aus unserem Aufenthalt hier nun fast zwei Wochen geworden. Gestern haben wir uns dann entschieden, am 20. weiter nach Siem Riep zu fahren. Da wir auch in Kambodscha nur ein 1-Monats-Visum haben, sind wir durch unseren längeren Aufenthalt hier den Kompromiss eingegangen, in Kambodscha nicht ganz so viele verschiedene Orte zu sehen. Aber da Jonas ja auch schon mal hier war, konnte er ganz gut einschätzen, dass wir nicht zu viel verpassen. Für uns war es so genau das Richtige. Und DAS touristische Highlight Kambodschas, Angkor Wat, werden wir uns natürlich trotzdem nicht entgehen lassen, auch wenn es uns jetzt schon ein wenig graut vor dem Massentourismus und den schwindelerregenden Eintrittspreisen.

    Wir werden Banlung und die Gastfamilie wirklich vermissen. Ihre Herzlichkeit hat für uns die Zeit in Banlung unvergesslich gemacht. Falls wir jemals nochmal nach Kambodscha kommen, haben wir uns versprochen, sie wieder zu besuchen.
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