Satellite
Show on map
  • Day 14

    Tagesausflug nach Reine

    September 6, 2022 in Norway ⋅ 🌧 10 °C

    Als Bastien und ich vor die Tür treten, erwieß sich meine Feinjustierung bei der Kleidung, als angebracht. Heute hatte ich mir noch eine lange Unterhose untergezogen, bevor die kurze Hose obendrüber kam. Die Regenhose ist für den Notfall auch im Gepäck. Meine Regenjacke kommt nun auch das erste mal zum Einsatz. Beim Schuheanziehen sage ich zu Bastien: "With the Bus, you never know what you get. Some Times it's early, sometimes it's late. So it's best to be there a little earlier". Die vorbeispazierende Frau erwidert gekonnt: "Like a box of chocolate....Enjoy the adventure!". Wir müssen alle lachen und bedanken uns bei der Dame.

    Heute kommt der Bus 741 jedoch wie geplant um 10.07 Uhr und sammelte uns vom Straßenrand ein; kein Schild, kein Fahrplan, keine Parkbucht...rein garnix verweist hier auf eine Bushaltestelle. Man selbst muss auf den Lofoten zur Bushaltestelle werden. Manchmal ist es noch nicht mal entscheidend ob dort eine Bushaltestelle wäre, denn die Busfahrer kennen die schlechte Anbindungen des Winterfahrplans.

    Da es für Bastien die erste Busfahrt ist, gibt es kleine Schwierigkeiten mit der Ticket App, doch am Ende ist er stolzer Inhaber eines Senioren Tickets....guckt natürlich niemand drauf, also völlig egal.

    In Leknes ist der Umstieg in Bus 742 wie am Vortag nahtlos. Eine weitere Stunde später entlässt der Bus nach Å seine Insassen mit den Ziel Reine in das nasse norwegeische Grau. Doch noch bevor uns der Regen mit voller Breitseite erwischt, steigt uns der Geruch von Fisch in die Nüstern. Bahh....! Nicht etwa dieser gute Geruch nach frischem Fisch, den man praktisch nicht riecht, sondern übelriechender verwester Fisch. Die Quelle dieses üblen Geruchs ist bis zu unserer Abreise nicht ausfindig gemacht.

    Wir 2 entscheiden uns erst für einen Rundgang durch das Örtchen, um uns dann am Reinebringen zu verausgaben und anschließend den Tag mit einem kleinen Imbiss abzurunden. Der Rundgang besteht eigentlich nur aus einer Begutachtung des Hafens, der bis auf ein Fischerboot wie leergefegt ist. Die Holzgestänge für den Stockfisch wirken in diesem grauen Szenario noch trostloser und bilden mit den roten Holzhäuschen am Horizont, vor Wolkenverhangenen Bergen, das einzige Sehenswerte, dass Reine zu bieten hat. Vom angeblichen Scharm und der Idylle nehme ich nichts wahr. Liegt vielleicht am Grau, wer weiß....

    Damit auf zu Punkt 2, dem Reinebringen. Reinebringen war das Wort der Stunde. Keiner der letzten 3 Tage verging, ohne mindestens einem Erfahrungsbericht. Nun war es an uns ihn zu erklimmen. Aus dem "Stadtkern" verwies ein Schild mit der Aufschrift "Reinebringen 2,5km" in die Richtung der Folterapperatur. 0,5km weiter dann ein weiteres, welches den interessierten Wanderer an einen Wanderweg entlang der E10 verwies: "Reinebringen 2,0km". Die Spannung steigt. Definitiv keine 2km weiter dann die ersten steinernen Stufen. Ein Schild verschaffte die nötige Sicherheit; es handelt sich tatsächlich um den Mythos, die Legende, den Reinebringen!

    Über dem Beginn sind die aus dem Himalaya bekannten bunten Wimpel gespannt. Diese verweisen auf die Geschichte der Treppe. Der 448m Aufstieg ist aufgrund seiner Aussicht sehr beliebt und zieht bis zu 1000 und mehr Wanderer am Tag an, die die Aussicht auf den Fjord und Reine genießen wollen. Da dieses Unterfangen jedoch nicht ganz ungefährlich ist und es auch bereits einige tödliche Unfälle gab, hat die Kommune Moskens ein Team von Sherpern aus dem Himalaya beauftragt, den Hang mit einer Steintreppe zu versehen. Das soll zum einen die Sicherheit erhöhen und zum anderen die Natur schonen. Doch auch nach deren Fertigstellung im Herbst 2021, bleibt der Aufstieg gefährlich. Viele raten davon ab, was ich allerdings erst grade bei den Recherchen erfahren habe. Seit 2021 sind 2 weiterer Menschen dort tödlich verunglückt, der letzte Fall liegt erst 2 Monate zurück. Weitere Steintreppen dieser Art und mit selber Geschichte, finden sich überall in Norwegen. So war z.B. der erste Teil des Wanderwegs in Svolvær ebenfalls so eine Treppe.

    Nichts desto trotz geht es für uns steil nach oben. Bastien, dessen erste wirkliche Wanderung das auf seiner Tour ist, ist förmlich on fire. Im Grunde fliegt er die Stufen hinauf. Hier 2 auf einmal, da 3, dann wieder 2....er zieht davon als kenne er kein morgen. Dabei unterhält er sich ganz mühelos mit mir und legt Fotostops ein, bei denen die Dampflock (ich) aufholen kann. Wahnsinn! Man muss trotzdem zugegeben, er ist wesentlich trainierten und muskulärer als ich. Auch an meinem ersten Wandertag hätte ich so eine Leistung im Leben nicht abgeliefert.

    Schlecht schlage ich mich aber auch nicht. Auch ich habe eine gute Geschwindigkeit drauf...3 kurze Pausen brauche ich bis zur Spitze. Bei der ersten wich alles an überflüssiger Kleidung, alle weiteren dienen lediglich dem Durchatmen. An einigen Stufen befinden sich Nummern: 200...231....501....800....1050...doch auch das bringt einen bei kritischer Betrachtung dem Gipfel nicht näher. Durchbeißen heißt die Devise. Als letzter Abschnitt muss noch ein erdiger Weg überwunden werden, der zu meiner Zufriedenheit allerdings auch irgendwann sein Ende findet. Auf meine Frage, ob Bastien wenigsten etwas "exhausted" ist, antwortet er Gott sei dank mit ja...alles andere hätte mir einen Schrecken eingejagt bzw. mir zu denken gegeben. Für die nötigen Fotos lassen wir uns alle Zeit der Welt, genauso wie für den Rückweg. Hier machen wir sogar eine längere Pause, um nach Walen oder Delphinen ausschau zu halten, die entgegenkommende Wanderer wohl gesehen haben. Wir sehen nix....Auch nach 15min nichts. Der Abstieg kanm also weiter gehen.

    Während unserer gesamten gemeinsamen Zeit, lernten wir uns durch Unterhaltungen immer näher kennen. Auf dem Weg nach oben war zwar Bastiens Redeanteil leicht größer, dass machte ich auf dem Weg nach unten jedoch alle mal wett. Da Bastien aus der französischen Schweiz kommt, war unser common Ground Englisch.

    Bastien ist ein sehr sympathischer und bodenständiger Mensch, der in seiner Freizeit auf unterschiedlichste Art und Weise Aktiv ist. Er betreibt nichts kompetitiv, ist aber trotzdem ein echt durchtrainierter Kerl (Natürlich und nicht Fitnesscenter mäßig). Er hat vor 2 Wochen sein Computer Science Master Studium abgeschlossen und wäre an einer Anstelllung bezüglich Klima und Umwelt interessiert. Natürlich lud er mich sofort zu sich ein und meinte halb lachend: "It's gonne be great, we will have a lot of fun going hiking."....Oh ja, ich freu mich...🥵

    Insgesamt haben wir für die knapp 1,3 km Bergauf ca. 35min benötigt, für die selbe Strecke nach unten ca. 25min. Dabei bedeuten 448 Höhenmeter, das alle 2m Strecke, ca. 1m senkrecht überwunden wird....nur um noch mal eine Vorstellung zu haben. Austin hatte uns erzählt, es würde sich in 800m handeln. Das stimmt aber keines Falls. Hätte mich auch verwundert, denn 800m auf dieses Strecke, wäre fast undenkbar. Trotzdem habe ich ihm blind vertraut und es in Beinen Blog übernommen.

    Das Bistro, das vorher noch zu hatte, hatte mitlerweile seine Pforten sowie die Kasse für hungrige und zahlende Wanderer geöffnet. Für uns beide gibt es einen Stockfischburger mit Pommes...der Preis ist hier Nebensache, denn es ist Urlaub und der Fisch ist lokal gefangen und verarbeitet...und es schmeckt vorzüglich. (22,9€🙈)

    Die Uhr zeigt 15.20 Uhr und es sollte der aufregende Teil dieses Tages beginnen. Das die Busse wenig fahren habe ich ja nun schon häufig angebracht und auch heute sollte dieser Fakt zu unserem Verhängnis werden. Zwar war ein Bus für 16.20 Uhr nach Leknes angesetzt, jedoch führe von dort nur ein Bus um 21.45 Uhr zurück zum Hostel.

    Auch 16.20 Uhr schien uns in Anbetracht der Zeit, als eine Verschwendung wertvoller Lebenszeit. Nun, da ich am gestrigen Tag bereits solche Tramper Talente an den Tag gelegt hatte, war es nicht abwegig, sein Glück auf der Straße bzw. an deren Rand zuversuchen. Kurz sorgt eine gewisses Missverständnis für Verwirrung, denn Bastien stellt fet: "We should do hijacking." Zumindest ist es das, was ich im ersten Moment verstehe. Kurz darauf stellt sich herraus, er meinte "hitchhiking" und sein französischer Akzent hatte es nur so klingen lassen. Ich bin beruhigt...

    Deutschland -1....Belgien -1....Schweiz -1.....nein, Erfolg schaut anders aus; die Leute halten einfach nicht an. Wir versuchen es eine stundelang und eine stundelang kommen nur Schulterzucken, wilde Handgesten und entrüstete Blicke zurück. Bastien geht bereits dem Gedanken nach, ob es in Norwegen vielleicht verboten sei oder was andere Ursachen sein könnten.

    Nach einer Stunde hält endlich ein Auto. Es ist der Bus. Nun ja, hätte ja klappen können. Die ganze Fahrt über ist der Bus mit dem ekelhaften Fischgeruch erfüllt, der uns aus Reine schon bekannt war. Entweder hatte er sich irgendwie in der Klimaanlage festgesetzt oder jemand hat ein Stück von der Quelle des Übels mit im Bus. Das setzte wiederum voraus, dass man essen was man da riecht.

    Über diesen Überlegungen schlägt plötzlich meine Müdigkeit zu. Antworten gebe ich nur noch wie in Trance, das Augenaufhalten wird zu einer Mammutaufgabe. Zum Glück passiert etwas Unerwartetes. Ich begeistere mich zu sehr für Abweichungen von der Norm. Nagut, gigantisch war sie nicht, aber trotzdem; das Bussysten viel aus. Die Anzeige verlor dauernd den Kontakt zum Bordcomputer, der sich daraufhin samt Anzeige jede Minute neustartete. Bastien und ich hatten einen Platz in der ersten Reihe ergattert. Bastien, als Computer Scientist, zeigt als bald ein gesteigertes Interesse für die Situation, erklärt mir das Betriebssystem des Borcomputers und verfolgt die Vorgänge auf den beiden Tablets des Fahrers; es ist der selbe Multitasking-Fahrer wie schon einmal. Auch diesmal lässt sich das Tablet von ihm seelenruhig wären der Fahrt dieses 7,5 Tonners bedienen.

    Nach einem unplanmäßigen Zwischenstop und Rücksprache durch die geöffnete Frontür mit dem Fahrer des entgegenkommenden Bussen, gibt es noch einen Verfahrer und eine Menge on and offs des Systems. 2 dazusteigende Franzosen quittieren das nicht funktionsfähige Zahlungssystem und ihr damit geschenkte Fahrt, mit einem: "Nice!". Bastien führt unterdess Statistik zum Fehlverhalten des Displays. "It takes 3 minutes to reboot and stays on for 1 minute. That makes it 3:1 and therefore umefficient." lautet die Expertiese des Fachmanns. Von nun an gibt es Voraussagen, wann der Computer sich neustartet und wann er sich wie verhält.

    Indess war die Aussicht einer baldigen Ankunft im Hostel, für uns in weite Ferne gerückt. So oft man auch schaute, die Busverbindungen wurden nicht mehr. Als wir also Leknes mit 4 Minuten Verspätung gegen 17.54 Uhr erreichen, besteht alles andere als Eile für Bastiens Einkauf. Zuvor schauen wir jedoch nocheinmal im Diner vorbei, in dem Sophia gestern ihre Mütze liegen lassen hat. Tatsächlich findet sich selbige an. Da wird sich aber jemand freuen! Der Mann am Tresen ist ebenfalls der selbe wie am Vortag; er grinst mich mit dem gleichen breiten Grinsen an und versteht genauso wenig wie am Vortag. Ja er habe eine Mütze gesehen, sie aber dort liegen gelassen.

    Der Supermarktaufenthalt ist kurz und schmerzlos, damit wir möglichst schnell richtung Straße kommen. Geplant ist, nocheinmal unser Tramper Glück herauszufordern. Vielleicht nimmt uns ja diesmal jemand die nur 25km mit. Wie sich herausstellt, nein. Wir versuchen 3 verschiedene Parkbuchten, aber immer nur die selben Reaktionen; Kopfschütteln, Schulterzucken, Winken und Lächeln sowie Zeichen, dass sie gleich abbiegen. Seit unserem ersten Versuch gegen 18.15 Uhr, waren wir bereits um einiges die Straße hoch gewandert. Hier fuhren wir nun 2 gleisig, während ich auf der Straße weiter hin den "Daumen hoch, hier ist alles super Typen" abgebe, spricht Bastien auf einem gegenüberliegenden Parkplatz Passanten an, die im Begriff sind, ihr Auto zubesteigen.

    Nur 3-4 Minuten in dieser Position, passiert das Undenkbare, mein Wunderdaunen (es ist der Rechte), hat einen Audi an der Angel...und Volltreffer! Vater und Sohn, die auf dem Weg zum Wikinger Museum sind, bringen uns unserem Ziel 13km näher. Der Vater ist Fischer und das mit Herz und Seele. Auch wenn nicht viel gesprochen wurde, konnte man das merken. Er ist 34 und wohl seit dem er ein Kind war, vom Angeln angetan; nun hat er seine eigene Fischerei.

    Das Wikinger Museum liegt mitten im nirgendwo. Von anderen Hostelgästen weiß ich, dass es in der Nebensaison nicht sehr sehenswert ist. Wir stehen nun also dort und haben sehr viel Zuversicht in meinen Wunder-Daumen....doch 19.19 Uhr ist nicht die Zeit um in norwegens Pampa zustehen. Schon gar nicht bei dieser Kälte und Sprühregen. Mein Daumen erreicht nichts, weshalb wir beschließen, das letzte Stück zu laufen. Es handelte sich um weitere 11km, die laut Google in 2h zu bewältigen wären. "Immerhin vor dem Bus, und das sollte unser einziges Ziel sein!", kommentiert Bastien meine Prognose. Nun gut, schadet nicht....ich war sowieso noch immer so verzückt von der Vorstellung, mein erstes eigenes Auto getrampt zu haben, das mir eigentlich alles recht war.

    So geht es die ersten 500m im Laufschrift, alle weiteren Meter werden "gefast-walked". Die Distanz ist schon auf 9km gesunken und wir sind frohen Mutes. Doch dann passiert erneut das Undenkbare. Nur aus Versuchung, strecken wir einem ankommendem Mercedes unsere durchgefrohrenen Daumen entgegen, welcher darauf hin verlangsamt und zum stehen kommt. Es passierte nix. Wir sind nicht ganz sicher was das jetzt soll, aber dann deutet der Fahrer an, dass wir einsteigen können. Der junge Mann aus Lettland, ist Trucker und bemüht sich, wann immer er kann, Leuten zu helfen. Er bringt uns das gesamte restliche Stück, bis vor das Hostel. Für ihn bedeutet das 5km Umweg, aber er beteuert es gerne zu machen. Unsere tausend Danksagungen weist er beschwichtigend zurück. Er mache es gerne. So erreichen wir kurz nach 19.30 Uhr unser Hostel. Was eine Freude!

    Im Foyer können wir Sophia mit ihrer Mütze und unserer Ankunft erfreuen, bevor eine heiße Dusche nach mir verlangt. Den Rest des Abends verbringe ich im Gemeinschaftsraum mit dem Schreiben dieses Berichtes, denn ich hänge einen Tag zurück und bin besorgt etwas zu vergessen. Im Nachbarraum schauen sie bereits den 2. Film....tja, es ist schon Arbeit so ein Bericht.

    Gerade als der erste Film fließend in den 2. übergeht und Bastien nach mir schaut, zieht am Hostel der Bus vorbei...es ist 22.15 Uhr....Das wären wir gewesen...
    Read more