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  • Day 18

    Zwischenstop in Bodø

    September 10, 2022 in Norway ⋅ ⛅ 10 °C

    Von der Fähre sind es knapp 5 Minuten bis zum Bahnhof. Dieser liegt genauso einsam da, wie alle Bahnhöfe im Norden, sofern keiner der 4 oder 5 Züge am Tag kommen bzw. gehen. Es ist ein Endbahnhof, der erst kürzlich Erneuerungen erfahren haben muss, da Teer, Beton und die sich darauf befindlichen Markierungen, noch nicht verwittert erscheinen. An den Enden der Gleise, wurden Blumen Rabatten aufgestellt, die mit ihren bunten Blüten einen schönen Kontrast zum sie umgebenden Grau bilden.

    Als ich gerade Fotos davon mache, spricht mich ein Mann an, bei dem ich direkt sagen kann: Britte. Es ist ein älterer Herr, der zuvor im Hintergrund ein Stativ aufgebaut hatte. Er fragt mich, ob ich Züge fotografiere. Wahrheitsgemäß gebe ich zu, dass das durchaus auch der Fall ist, aber nicht ausschließlich. Es komme gleich ein Zug an und er filmt die aufsteigenden Leute.

    Zugegebenermaßen, dass ist nicht was ich erwartet hatte. Er mache eine Timelaps erklärt er weiter, die er dann mit Musik unterlegt und auf Youtube stellt. Auch das macht das Unterfangen nicht weniger kurios, jedoch macht er den Eindruck, als würde er nun Verständnis erwarten. Da es ja nichts kostet oder andere Nachteile daraus resultieren, tue ich ihm den Gefallen und mache einen verständnisvollen Ausdruck. Er gibt mir den Tipp, wenn ich Filmen möchte, das Zugpersonal zu bitten, die Scheibe am Ende des Zuges reinigen zu dürfen. Es würde einen weltbewegenden Unterschied machen.

    Er erzählt mir, dass er seit 11 Jahren in Finnland wohnt und lädt mich im nächsten Satz direkt ein. Wie ich später erfahre ist er pensionierter Busfahrer. Seine Freundin ist Finnin und so verschlug es ihn nach Finnland. Jetzt machen sie beide gemeinsam Urlaub; sie shopt, er filmt Züge und Fähren. Da er los muss, bevor seine Freundin böse wird, bietet er mir an, mich einmal durch Bodø zu führen.

    Unweigerlich erinnere ich mich an meinen Zwischenstop in Narvik. In meinem Kopf ziehen dabei düstere Wolken auf. Trotzdem kann ich dem Britten, der sich später erst als Robb vorstellt, diese Nettigkeit nicht ausschlagen. Also ziehen wir los. Es geht durch die Innenstadt, während Robb erzählt und erzählt und erzählt. Er redet vorallem über Fotografieren. Das er kaum etwas davon oder von Computern versteht, was er davon alles nicht versteht, die Chronologie seiner Kameras mit genauer Bezeichnung der Modelle, was er für Projekte hat, was er alles schon gefilmt hat und und und....er redet einfach. Unteranderem erfahre ich, dass er um Musik zu nutzen, diese auf Youtube abspielt, sie mit seinem Handy aufnimmt, diese Datei auf seinen Computer überspielt und dann im Windows Movie Maker, die Musik hinter das Video legt. Ich verschone ihnen mit Ausführungen zum Thema Copyright. Gleichzeitig stelle ich mir diesen Arbeitsprozess sehr bildlich vor und weiß plötzlich, woher diese Videos mit all den Übergängen und Textanimationen auf YouTube kommen...

    Wir ziehen durch die Stadt und Ross redet. Er meint wir müssen noch zu einem Fotogeschäft. Ich willige ein, denn es interessiert mich schon seit langem, was SD-Karten hier kosten. Uff....zu viel stelle ich fest. Der Verkäufer scheint jedoch gemeinsam mit den deutschen Mediamarktvangestellten gelernt zu haben. Er preist diese SD Karte so gekonnt an, dass Ross sicher denken muss, mit dieser SD Karte mache man nie wieder unscharfe Bilder oder ähnliches. Eine Formulierung: "Diese SD Karte zu kaufen, ist mindestens so bedeutend wie ein neues Auto zu erwerben.". Man sieht Ross seine Begeisterung an. Er fragt ob ich verstehe was der Mann und wahrheitsgemäß sage erwiedere ich ja. Als ich allerdings sage, dass 83 Euro mehr als das 3 Fache meiner Preisvorstellung dafür entspräche und ich sie nicht nehme. Besteht Ross darauf, mir die Karte kaufen zu müssen. Immer wieder lehne ich dankend ab und versuche ihn zu überzeugen es nicht zu tun, doch da hatte er sie schon gekauft. Naja....so werde ich Ross jedenfalls nie vergessen (Hätte ich zweifelsfrei so auch nicht getan). Als Ross mir und dem Verkäufer unterbreitet, dass er nochmal vorbeischaut, werde ich hellhörig. Minuten später erzählt er mir den Grund dafür. Seine Kamera sei schon 7 Jahre alt und habe nun einen Fleck im Bild. Er wolle also Beratung bezüglich einer neuen Kamera.

    Oh je, ich ahne Schlimmes. Meine Erfahrungen mit Elektronik Fachverkäufern, das Verkaufstalent des hiesigen Verkäufers und die absolute Unkenntnis von Ross, sagen mir, am Ende des Tages werden 2 sehr glückliche Männer nach Hause gehen. Beide werden das Gefühl haben, das Geschäft ihres Lebens gemacht zu haben, doch nur einer von beiden wird Anlass dazu haben; es wird nicht der mit der neuen Kamera sein. Ich fühle mich daher verpflichtet, Ross zu warnen. In einer seinen seltenen Redepausen, versuche ich mein Glück. Auch wenn er vorgibt es verstanden zu haben, es wirkt nicht ganz so. Immerhin habe ich es probiert.

    Danach geht es mit seinem Privatleben weiter. Als ich ihn näher kenne als mich oder irgendeinen meiner Angehörigen, entlässt er mich in die Stille. Es sind mich 20 Minuten bis der Zug fährt...
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