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  • Day 18

    Abschied von den Lofoten

    September 10, 2022 in Norway ⋅ ☁️ 10 °C

    Kurze Vorbemerkung (Besonders an Papa gerichtet): Alles Nachfolgende ist eine rein subjektive Wahrnehmung, die weder melancholisch noch theatralisch ist. Sie ist unter keinem Einfluss depressiver Musik oder anderer, die Gefühlswelt beeinflussender, Einflüsse niedergeschrieben. Es handelt sich lediglich um eine Darstellung meiner Empfindungen, um sie für spätere Zeit zu konservieren. Ein Anlass für Ironie oder Sarkasmus besteht nicht.😊

    Stand heute, bin ich seit ziemlich genau 14 Tage im Polarkreis unterwegs. Jetzt wird es Zeit, *die Segel zu setzen und langsam in richtung Heimat zu schippern. Leicht ist das keinesfalls, denn die Abgeschiedenheit, die Weite, die Entschläunigung und die scheinbare Sorgenfreiheit des hohen Nordens sind etwas Einzigartiges. Kurz, die hiesige Art zu leben, steht sehr im Kontrast zu dem Gefüge, von welchem aus ich aufgebrochen bin und zu welchem ich nun zurückkehre. Es kommt einer Rückkehr in die Zivilisation gleich, obgleich man selbige nie verlassen hat. Als ob das echte wahrhaftige Leben, für einen Moment pausiert wurde und nun wieder anläuft.

    Ein Phänomen, welches auch Sophia beschrieben hatte und was es ihr so schwer gemacht hatte, dem Norden den Rücken zu kehren und weiter zu ziehen. Natürlich bin ich noch ein Weilchen unterwegs und keines Falls unglücklich über den Abschied, er ist ja nicht für immer, aber eine Umstellung wird es schon. Genauso wie auf dem Hinweg, wo es rasant vom einem ins anderer Extrem ging.

    Nachdem ich mitten in der Nacht auf mein Zimmer gekommen war, waren 2 Betten belegt. Das setzte bei mir ein inneres Unbehagen in gang. Von dem Franzosen, der meinte seine gesamten schweißgetränkten Sachen im Zimmer verteilen zu müssen, ohne ein Fenster zu öffnen, wusste ich ja. Auch er würde die Fähre nehmen und somit ebenfalls auf den Bus um 6.30 Uhr angewiesen sein...die Panik löste das andere belegte Bett aus. Jenes, von welchem ich nicht erwartet hatte, dass es belegt sein würde.

    Auch das würde nicht hinreichend Grundlage für eine innerliche Unruhe bieten...in Kombination mit den etlichen Tüten, Beuteln, Taschen und Einzelteilen, die sich noch über mein Bett und den Boden erstreckten, tat es das jedoch alle mal. Wie ich das geräuschlos einsammeln sollte, war mir unklar. Ich beschloss es als Problem für Zukunfts Ben zu deklarieren, befreite zumindest das Bett und schlief zu den lieblichen, Bären abwehrenden Schnarch-Tönen meines Nachbarn ein. 5.17 Uhr dann der Wecker. Jetzt wird es ernst. Gegenwarts Ben, vormals Zukunfts Ben, beginnt "Leise", Beutel für Beutel aus dem Zimmer zu tragen und sortiert sie dort. 5.42 Uhr ist er fertig für das Frühstück. Bereits am Abend vorher hatte ich mir in weiser Voraussicht Nudeln bereitgestellt, als dass sie mir nun mit Pesto versehen, die Energie für einen langen Reisetag liefern. Der Kaffee ist schnell zubereitet.

    Zusammen mit meinem französischen Zimmergenossen, sitze ich beim Frühstück. Am Vorabend hatte er entschieden, dass er Anspruch auf alle Duschmarken habe. Diese werden jeden Tag für ALLE Bewohner im Zimmer bereitgelegt. Er begründete es damit, dass er aus der Natur käme und lange keine richtige Dusche mehr hatte. Nice try, aber nein! Er entschied weiterhin Gnade walten zu lassen und mir aus Großherzigkeit, eine der 3 Marken abzutreten. Mitlerweile weiß ich: Unser Dritter im Bunde, wird bis zum heutigen Abend ohne eine warme Dusche auskommen müssen.

    Schnell wird der Abwasch erledigt, die letzten Lebensmittel verschwinden im Rucksack und die Zähnchen werden umsorgt. 6.18 Uhr verlässt die Schildkröte mit Sack und Pack das Hostel und begibt sich im nieseligen Morgengrauen, zur Bushaltestelle. Pünktlich um 6.30 Uhr macht sich Bus 300 auf in richtung Moskenes kai. Als er dort 12 Minuten später ankommt, wird in norwegischer Gelassenheit die Fähre beladen: Für Fußgänger bedeutet das lediglich, sich in einer Liste einzutragen und das Gepäck in einem von 2 Regalen zu verstauen. Platz für die nächsten 3,5h, bieten Sitze vorn und hinten im Schiff. Mein Platz ist mittelmäßig. Er bietet sehr viel Beinfreiheit, für die Aussicht muss ich jedoch aufstehen - könnte schlimmer sein.

    Links neben mir, wird sich über "4 stages of uterine prolapse" informiert, rechts neben mir begutachten 2 Herren einen echten Ritterhelm auf einer Plattform, die einem norwegeischen Pendant zu Ebay am nächsten kommt. Ein Trucker vor mir starrt verträumt auf ein Foto seines Volvo Trucks, die Deutsche Fraktion hinter mir, ist über dem monoton brummenden Bootsmotor eingenickt.

    Was nun folgt, kann man am ehesten mit dem Wort "Delphine" beschreiben. Denn genau jene waren es, die plötzlich alle Passagiere auf den Plan riefen. Eifriges Fingerzeigen, viel Deutsch, etwas Französisch, etwas Norwegisch oder Schwedisch, viele iPhones, etwaige andere gezückte Smartphones, einige Kameras und viele "Ohhhs" bzw. "Wowws" waren das Ergebnis der Erscheinung. Hätten die Delfiene geahnt, was sie mit ihrer bloßen Erscheinung bei den Leuten auslösen, sie hätten sich ihren Auftritt teuer zu stehen kommen lassen. Aber so ziehen sie unbezahlt und unwissend, mal in Grüppchen mal einzeln, in unterschiedlichen Abständen am Boot vorbei.

    Ihre Wirkung gleicht fast der Reaktion auf die Nordlichter; beides hat mindestens die gleiche Anzahl verwackelter und unscharfer Handybildern zur Folge. Nur eine Frau macht es richtig. Sie beobachtet einfach durch ein Fernglas die ihr dargebotene Schönheit.

    Gerade steuert der Kapitän, die Fähre durch die Enge felsiger Inseln, welche die Küste des norwegischen Festlands säumen. Wenn wir dann in einer Stunde den Hafen von Bodø angelaufen haben, erwarten mich weitere 10h Zugfahrt, bevor ich mein heutiges Ziel (Trondheim) gegen 22.30 Uhr erreiche. Da bleibt viel Zeit für Hörbücher und Musik.
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