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  • Day 18

    Tag der Museen in Tucumán

    December 28, 2022 in Argentina ⋅ ⛅ 25 °C

    San Miguel de Tucumán, Mittwoch, 28. Dezember 2022

    Unseren letzten Tag in Tucumán wollen wir ruhig angehen, schlafen aus und planen einen reinen Museumstag. Als einzige „Verpflichtung“ steht der Kauf von löslichem Kaffeepulver an. Wir fassen den riesigen Supermarkt am Busterminal dafür ins Auge. Das ist dann doch überschaubar :-).

    Den (zumindest heutigen) „Faulenzern“ kommt entgegen, dass hier die Museen über die Mittagszeit alle schliessen (Ja, die Siesta wird in Argentinien strikt eingehalten.) und frühestens gegen 15 Uhr wieder öffnen.
    Aber um 14 Uhr soll es laut Info-Blatt des Touristenbüros eine Führung durch die Casa de Gobierno (Rathaus) geben, welches sich im Zentrum der Stadt bei der Plaza de Independencia befindet.
    Das passt gut, weil genau dort um die Ecke unsere Lieblings-Heladería ist (Eisdiele), in der wir uns vor dem Rundgang etwas stärken wollen.
    Auf persönliche Nachfrage bestätigt man uns im Rathaus die Uhrzeit, nicht ohne uns jedoch mit erhobenem Zeigefinger (!!) zum pünktlichen Erscheinen zu ermahnen. Wir sind sieben Minuten vorher da, aber die „Chica“ (das Mädchen), die uns angeblich abholen soll, taucht nicht auf… Um 14:10 Uhr werden wir dann mit Corona-Masken ausgestattet in den ersten Stock beordert, wo wir erwartet werden.
    Die „Chica“ ist eine 70-jährige kleine Dame mit kurzem blondierten Haar, die sofort allen Anwesenden klarmacht, was hier abgeht und wer das Sagen hat:
    Die Maske ist NICHT obligatorisch, aber sie MÖCHTE, dass alle (mit Ausnahme der Kinder) sie unbedingt aufsetzen.
    Als einige Verwegene der Besuchergruppe (unter anderem Regine) trotzdem kurz die Maske absetzen, hakt sie sofort nach und betont, wie wichtig es sei, immer und überall Maske zu tragen. Deshalb würde sie uns schon sehr BITTEN, dass jetzt alle die Masken sofort wieder aufsetzen. Ob die Dame das Ende der Pandemie verschlafen hat??
    Zudem kommen wir zu dem Schluss: Sie muss Erzieherin (gewesen) sein, denn sie ermahnt mehrfach die anwesenden Kinder zum Gehorsam und stellt ihnen dumme Fragen, die diese begeistert beantworten.
    Im selben Stil geht es weiter und ja, man darf fotografieren, aber nicht gleich, erst wenn sie das Zeichen dazu gibt (Regine war zu voreilig!), natürlich ohne Flash (wieso?) und nicht vom zweistufigen Podium aus, weil da manchmal die Regierung sitzt. Regine hat Mühe, angesichts der ständigen Ermahnungen nicht die Fassung zu verlieren.
    Im Empfangssaal mit schwülstigen Deckengemälden (die die Dame bis ins Detail erklärt), aber beeindruckenden Kristall-Leuchtern (deswegen heisst der Raum „Sala Blanca“) erfahren wir einige Allgemeinplätze zur Architektur (z.B. Spiegelsaal wie in Versailles) und Geschichte des Gebäudes.
    Anschliessend dürfen wir noch den Sarg des erlauchten Juan Bautista Alberdí bewundern, der angeblich die Verfassung von Argentinien geschrieben haben soll. (Laut Wikipedia hat er sie ideologisch massgeblich beeinflusst.)
    Nach knapp 20 Minuten beendet die Dame ziemlich abrupt die Führung und entlässt uns gnädigst durch den Haupteingang. Die Masken sollen wir bis zum Ausgang aufbehalten. Logisch! Haben wir jemals daran gezweifelt?

    Im Anschluss wollen wir die Casa Histórica in der Nähe besuchen, wo die Verfassung am 1. Mai 1853 unterschrieben worden sein soll. Gemäß allen Angaben öffnet das Gebäude um 15 Uhr. Aber um 15:10 Uhr bleibt der Eingang weiter verschlossen. Die Touristeninformation nebenan beharrt auf 15 Uhr und der dortige Angestellte fordert die Ungeduldigen auf, doch einfach noch ein Weilchen zu warten. Ein Händler - gegenüber dem Museum - gibt bekannt: Öffnung? Immer um 16 Uhr. Ja, wir haben mittlerweile gelernt, dass den Angaben zu Zeiten - sei es im Internet oder auf Info-Blättern - nicht unbedingt zu trauen ist. Wir stehen hier nicht das erste Mal vor verschlossenen Türen. Und noch eins: Aufs Warten muss man sich hier einstellen!

    Nein, bis 16 Uhr wollen wir nicht warten und wer weiss, ob der Händler recht behält oder die Casa - wie andere Museen - nicht erst um 17 Uhr öffnet.
    Darum spazieren wir ins Museo de la Industria Azucarera (Zuckermuseum), immer in der Hoffnung, dort halte man sich an die angegebenen Öffnungszeiten - nicht wie vergangenen Samstag, als entgegen aller „offiziellen“ Angaben das Museum geschlossen war und wir unverrichteter Dinge wieder umkehren mussten.
    Als wir ankommen, werden wir von einer jüngeren Dame (Französischlehrerin… wie sich später herausstellt) so begeistert empfangen, als wären wir die ersten Gäste seit langem oder irgendwelche hochkarätigen Ehrengäste. Ganz begeistert ist sie von unseren exzellenten Spanischkenntnissen, von unserer langen Reise und von unserem Mut zu solch einer Unternehmung.
    Sie gibt uns eine gute Einführung in die lange Geschichte der Zuckerindustrie in Argentinien. Diese begann zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Priester, Politiker und Kaufmann Cambrero auf seinem Landsitz (dort, wo das Zuckermuseum heute steht) eine kleine Zuckerproduktion startete, die bald von vielen Kleinbauern kopiert wurde. Daraus entwickelte sich - verbunden mit vielen blutigen Arbeitskämpfen für gerechte Entlohnung und über mehrere Phasen - die heutige lokale Industrie, welche über 90% des Zuckerbedarfs von Argentinien deckt. (Und dieser muss hoch sein, denn die Argentinier sind richtige Schleckmäuler :-) )
    Wir studieren dieses spannende Kapitel der Geschichte Tucumáns mit Hilfe von Schautafeln, Videos und Original-Gegenständen und verabschieden uns mit grossem Dankeschön und einem Selfie bei der netten Dame, die - ganz argentinisch - nicht aufhört, unseren Dank mit einem wiederholten „No, por favor“ und „Era de menos“ kleinzureden. („Aber ich bitte Sie“ und „Das ist wohl das Mindeste“.)

    Jetzt fehlt nur noch der Kaffeekauf in dem riesigen Supermercado (ganz in der Nähe des Zuckermuseums), der - so meint Regine - ganz sicher unseren Lieblingskaffee, Marke „Virginia“ hat. Hat er dann doch nicht, beziehungsweise er ist gerade ausverkauft und wir begnügen uns mit einem anderen. Auch gut so: Man soll in Argentinien ja flexibel bleiben…
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