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  • Day 23

    Über Stock und Stein zum Aberastain

    January 2, 2023 in Argentina ⋅ ☀️ 32 °C

    La Rioja, Montag, 2. Januar 2023

    La Rioja ist eine sehr trockene Provinz (so trocken wie das Hinterland von Sizilien oder Kalabrien im Juli), in der die Temperaturen im Sommer (Ende Januar/ Anfang Februar) bis 50 Grad ansteigen können; aktuell sind es angenehm „kühle“ 35 Grad :-)
    Trotzdem gibt es grüne Oasen und ganze Täler der Yunga (hiesiger Regenwald, der sich bis nach Bolivien erstreckt) und sogar Orte, welche den Fotos nach zu urteilen auch gut im Schwarzwald oder in den Schweizer Bergen liegen könnten.
    Eine solche Stelle ist die Cascada (Wasserfall) de Aberastain, ungefähr 20 km nördlich von La Rioja: Dort wollen wir hin!
    Dafür brauchen wir aber ein Taxi, denn die ersten 12 km bestehen aus einer staubigen Zufahrtstrasse, wo kein öffentliches Verkehrsmittel hinfährt. Unser hilfreicher Vermieter weiss Abhilfe: Sein Freund Gonzalo aus Schulzeiten ist Taxifahrer und mit ihm fahren wir - der Hitze wegen - am frühen Morgen hin. Da es im Tal absolut kein Netz gibt, machen wir für die Rückfahrt 16:00 Uhr aus (Dies werden wir später noch bereuen!).
    Der freundliche Parkwächter - hier wird jede Sehenswürdigkeit zum Park erklärt und zudem mit zum Teil martialischen Mitteln bewacht - erklärt uns (nach der üblichen Registrierung mit Namen und Nummer des Reispasses) die Örtlichkeit, Flora und Fauna der Gegend und die Wandermöglichkeiten. Es gibt drei unterschiedlich lange Wege mit insgesamt fünf Wasserfällen, der schönste von allen soll der von „Aberastain“ sein.
    Wegzeit? Zwei bis zweieinhalb Stunden hin und eineinhalb Stunden zurück - so der Parkwächter. Wir überschlagen kurz unser Zeitfenster und beschliessen, zuerst den Aberastain-Wasserfall zu erwandern und anschliessend noch einen zweiten Weg mit drei kleineren Fällen zu machen. So denken wir…..aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt…

    Es ist 8:30 Uhr und bewölkt, die Temperatur angenehm und der Weg in einem ausgetrockneten Bachbett leicht, und so wandern wir frohgemut durch die Yunga zielstrebig aufwärts. Nach 2 km gabelt sich der Weg: Rechts geht es in vier Stunden zum Saurral, wir halten uns jedoch links.
    Jetzt wird der Weg schmaler und wir folgen der stark gerosteten Wasserleitung, in der der Bach gefasst ist und die der Trinkwasserversorgung dient (so vermuten wir). Es geht immer leicht aufwärts und endlich hören wir Wasser nicht nur in der Röhre rauschen! Wie fröhlich plätschert es dahin…
    Lange dauert der Frieden aber nicht: Das Tal wird enger und steiler und wir müssen ein erstes Mal den Bach queren. Kein Problem für sooo erfahrene Bergwanderer wie wir es sind!
    Aber nach 50 Metern folgt eine erneute Querung und nicht immer liegen die Steine so günstig, dass wir leicht rüberkommen. Der Weg führt ab jetzt durch Gestrüpp und ist - da zum Teil im Bachbett verlaufend - immer schwieriger zu finden. Aber dank der Hinweise in Form von „Steinmännchen“ durch fleissige Guides geht es gut weiter.
    Bei der (gefühlt) zehnten Überquerung passiert dann das - erste - Unheil: Martin verliert das Gleichgewicht und fällt mit beiden Füssen - das heisst Schuhen - ins Wasser! Der Schaden ist aber überschaubar und nach dem Auskippen des Wassers und dem Auswringen der Socken gehen wir weiter.
    Plötzlich hat der Bach kein Wasser mehr, was uns sehr erstaunt: Wenn oben ein Wasserfall ist, muss dessen Wasser ja irgendwo hin!? Und woher kommt denn unten das Wasser im Bach plötzlich her? Wir mutmassen hin und her, finden aber keine Lösung für das Rätsel…
    Wir sind nun schon drei Stunden zügig unterwegs und zweifeln langsam daran, ob es überhaupt einen Wasserfall gibt (Aber wir haben ihn ja auf den Fotos gesehen!) und ob wir auf dem richtigen Weg sind.
    Als wir nach weiteren zehn zum Teil schwierigen Bach-Traversen aus Zeitgründen schon aufgeben und umkehren wollen (eher jedoch müssen), drängt Regine weiter. Sie gibt nicht so schnell auf! Noch fünf Minuten, dann drehen wir um, meint Martin. Noch ist von einem grossen Wasserfall nichts zu sehen - und auch nicht zu hören: Er muss also noch weit weg sein…
    Aber siehe da: Nach nur einer weiteren Minute des Marsches erklingt ein Hurra! des vorangehenden Martin. Der Wasserfall ist nach einer Talbiegung keine 50 Meter mehr entfernt!
    Fünf Jugendliche, die nach uns losgegangen sind, sind offenbar schon eine ganze Weile hier: das Privileg der leichtfüssigen Jugend :-) Sie beglückwünschen uns Senioren aber herzlich…
    Wir haben die Badehose eingepackt und wollen deshalb partout auch im Becken des Wasserfalls schwimmen. Das Wasser ist aber eisig kalt (etwa 16 Grad) und sogar die Wasserratte Regine hält es nur eine Minute lang aus, erntet aber die Bewunderung der Anwesenden.
    Eigentlich wollten wir lange hier bleiben und haben sogar Lesestoff mitgenommen. Es ist aber bereits 13 Uhr und Martin drängt zum Aufbruch. Wir einigen uns darauf, gegen 13:30 Uhr
    loszumarschieren.
    Gesagt, getan: Der Rückweg sollte ja ein Leichtes sein.
    Wir kennen die Route und es geht immer abwärts. Aber auch jetzt suchen wir nach Querungen des Bachbetts an etlichen Stellen den „Wiedereinstieg“ und Martin fällt mit einem Fuss nochmals ins Wasser. Regine scheint ihn nachahmen zu wollen und rutscht wenig später auf einem schrägen Stein aus und landet fast bis zur Hüfte im kalten Nass. Sogar der Rucksack wird nass, aber die Wertsachen und das heissgeliebte iPhone bleiben zum Glück verschont! :-)
    Die Zeit wird immer knapper und wir fallen beinahe in Trab, um die vereinbarte Zeit einhalten zu können. Martin verkündet Durchhalteparolen und motiviert mit (falsch) geschätzten Distanzen, die wir noch zurücklegen müssen.
    Wir schaffen es dann aber, mit nur neun Minuten Verspätung beim Taxi anzukommen, was zumindest für Schweizer Verhältnisse inakzeptabel ist, in Argentinien jedoch eher normal.
    Auf dem Rückweg werden wir noch einmal auf der Schotterstrasse gut durchgerüttelt und besuchen - da an der Strecke gelegen - noch kurz einen „neuen“ Park (ein altes Jesuiten-Anwesen), an dem aber seit längerem aus Geldnot nicht mehr gearbeitet wird.
    Wir kommen müde, aber zufrieden zu Hause an. Gute sechs Stunden Marsch auf unwegsamem Untergrund gehen in die Beine.

    Ausruhen ist jedoch nicht angesagt:
    Wir müssen noch den morgigen Tag auf die Reihe bekommen: Wir wollen zwei Nationalparks besuchen (etwa 160 km entfernt) und haben - da telefonisch am Freitag und Samstag nicht erreichbar - am Sonntag einer Agentur eine Email geschrieben.
    Heute hatten wir unterwegs ja keinen Empfang, aber jetzt sehen wir die Antwort: Es habe noch freie Plätze, wir sollten uns doch bitte melden. Um 17:30 Uhr öffnet die Agentur.
    Martin ruft um 17:35 an. Nichts. Er ruft um 17:40, 17:50 und 18:00 an. Nichts. Er beantwortet die Email… und wir schreiben eine WhatsApp-Nachricht: Nichts.
    Martins Diagnose lautet: Heute Nachmittag / Abend arbeitet niemand! Wir verzichten auf die Tour. Regines Diagnose (wie immer positiv!): Wir gehen hin, dann sehen wir es! Martin ist so pessimistisch (und vor allen Dingen beinmüde), dass er keine Lust hat, noch einmal zu marschieren. Für heute hat er genug!
    Regine - nicht minder müde - gibt aber nicht auf und macht sich um 18:30 Uhr auf den Weg zur zur 1 km entfernten Agentur in der Innenstadt.
    Nach 15 Minuten dann die erstaunliche Rückmeldung von Regine: Die Agentur ist (jetzt!!) offen und Regine hat den Ausflug bereits gebucht! Martin staunt über ihre Beharrlichkeit, die sich dieses Mal voll ausgezahlt hat!
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