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  • Day 1

    Höllenritt und Grenzprobleme

    February 20, 2023 in Chile ⋅ ☁️ 10 °C

    Puerto Tranquilo, Montag, 20. Februar 2023

    Jetzt geht es wieder ein Stück weiter in den Süden: Das Ziel heisst El Chaltén. Es handelt sich um einen Touristenort, der erst seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts aus dem Boden gestampft wurde, um den Andrang der (vor allem internationalen und jungen) Anreisenden zu bewältigen.
    Da auf dem Weg dahin keine „wichtigen“ Orte liegen, haben wir uns entschieden, die insgesamt 830 km Strecke in einem Zug zu machen, wohl wissend, dass dies anstrengend sein würde, weil ein Grossteil der Strecke noch nicht asphaltiert ist.
    Der Tag beginnt aber schon am Morgen schlecht: Wie mit der Busfirma „Buses Tello“ per WhatsApp vereinbart, sind wir pünktlich um 9 Uhr bei der Bushaltestelle, warten geduldig, aber bis 9.25 Uhr kommt kein Bus.
    Martin fragt nach und nach einigem Hin und Her stellt sich heraus, dass die Abfahrtszeit 9 Uhr für Coyhaique und NICHT für Puerto Tranquilo gilt. Aber Martin hatte doch - sogar schriftlich! - nach der Abfahrtszeit ab hier gefragt!? Ja, aber es wurde halt beim Busunternehmen anders verstanden, Der Bus brauche gut fünfeinhalb Stunden ab Coyhaique und er komme um 14.30 Uhr in Puerto Tranquilo an!!!! Wir sind sprachlos!
    Das ändert nun alles: Wenn der Bus erst am Nachmittag hier losfährt und gut fünf Stunden bis Chile Chico, dem Grenzort, braucht, dann haben wir Stress mit dem Übertritt nach Argentinien, weil die Grenze gemäss verschiedener Auskünfte um 20 Uhr schliesst.
    Am Schluss sollte alles noch viel schlimmer kommen - aber dazu später.
    In unserer Verzweiflung stellen wir uns sogar an die Carretera Austral und machen zwei Stunden lang Autostopp, jedoch ohne Erfolg: Um 12 Uhr ziehen wir uns durchgefroren ins Café bei der Haltestelle zurück. Dort erhalten wir neue Informationen: Die Grenze schliesse um 22 Uhr und der Bus fahre erst um 16 Uhr hier weg! Letztere Aussage stimmt, wie sich später herausstellt, die erste ist falsch.
    Wir stornieren daher online (mit Verlust) unseren bereits reservierten und bezahlten Bus, der uns nach der Grenze (dann in Argentinien) in einer 12-stündigen Nachtfahrt ab 20.30 Uhr von Los Antiguos nach El Chalten hätte bringen sollen.
    Kurz nach 14.15 Uhr biegt plötzlich unser Bus um die Ecke und der Fahrer bestätigt, dass es „ungefähr“ um 14:30 Uhr weitergehe…
    Aber die Strecke wird immer holpriger und die Geschwindigkeit überschreitet selten die 20 km/h-Marke. In diesem Schneckentempo kommen wir nie in Chile Chico an! Aber der schon etwas ältere Fahrer holt das Letzte aus seinem Fahrzeug heraus, fährt mal links, mal in der Mitte der Strasse und beschleunigt, wenn es die Verhältnisse zulassen, bis auf 80 km/h.
    Das wird besonders abenteuerlich, als wir an der südlichen Steilküste des Lago General Carrera entlang fahren, wo es von der komplett ungesicherten Strasse gefährlich weit hinunter geht! Das Video zeigt dies anschaulich!
    Endlich kommen wir in Chile Chico an, aber es ist mittlerweile 19:30 Uhr. Martin hat schon unterwegs versucht, ein Taxi für die Fahrt zur chilenischen Grenzstation zu ordern, aber alle Taxiunternehmen fühlen sich entweder nicht zuständig oder antworten erst gar nicht.
    Ein Mitreisender ruft freundlicherweise Don Samuel an, einen ihm bekannten Taxifahrer, der uns dann (zwar in gemütlichem Tempo, aber sicher :-) für 5000 Pesos (knapp 6 Euro) zur drei Kilometer entfernten Grenze fährt, wo wir kurz vor 20 Uhr ankommen. Dort lesen wir die hochoffizielle Mitteilung, dass hier um 21:30 Uhr Schluss ist.
    Es hat zwar schon ein lange Schlange Wartender, die sich aber ziemlich schnell vorwärts bewegt; denn hier geht es ja nur um die Ausreise aus Chile, wo sich alle Reisenden eine Art Ticket für den argentinischen Zoll holen müssen, denn dieser ist circa 5 km weit entfernt.
    Und wie sollen wir ohne Auto dahin kommen? Das Taxi aus Chile darf nicht durch, aus Argentinien können wir auch keines in die „neutrale“ Zone zwischen den beiden Grenzstationen herbeirufen.
    Regine glaubt, wir schaffen das mit Autostopp, doch Martin beginnt, die Fahrer der wartenden Autos auf eine Mitfahrgelegenheit anzusprechen. Die meisten Fahrzeuge sind aber bis auf den letzten Platz belegt - entweder komplett gefüllte Mini-Reisebusse oder Familien, die mit Kind und Kegel aus dem Kurzurlaub (Fastnacht) zurückkehren.
    Endlich kann Martin einen Familienvater davon überzeugen, uns mindestens bis zum argentinischen Zoll mitzunehmen, sobald er seine Formalitäten am chilenischen erledigt hat. Das klingt schon einmal toll, aber Martin besteht auf einer zweiten Option und bequatscht noch einen weiteren netten Mann, der aber schon eine japanische Touristin mitnimmt. Die zwei plaudern miteinander und der Mann meint scherzhaft, wenn wir bei ihm auf der Ladebrücke mitfahren möchten, sei das schon möglich. Martin überrumpelt ihn damit, dass er sagt, das sei für uns kein Problem…
    Das Ganze endet in einer Zusage und schlussendlich haben wir (drei zusätzliche Passagiere) alle IM Auto Platz; das viele Gepäck kommt auf die Ladefläche des Pickups.
    Die ganze Familie ist (echt argentinisch!) seeeehr herzlich und meint, man könne uns hier doch nicht einfach stehen lassen.
    Am argentinischen Zoll müssen wir nicht einmal aussteigen und der Zöllner drückt sogar wegen der Überfüllung des Wagens ein Auge zu; was ihm der Mann gesagt hat, wissen wir nicht…
    Nun nehmen sie uns mit nach Los Antiguos (weitere 4 km), wo wir am Busterminal neue Tickets für die Weiterreise nach El Chaltén kaufen wollen; die Japanerin, sie heisst Ayaka, möchte das auch und schliesst sich uns an.
    Man bringt uns nicht nur bis zum Eingang des Busbahnhofs, sondern sie empfehlen uns auch noch das „Buena Vista“, ein günstiges und gutes Restaurant ganz in der Nähe.
    Nachdem wir die Tickets für den Bus, der fahrplanmässig um 01:50 Uhr abfahren soll, erstanden haben, spazieren wir zum „Buena Vista“ und müssen dort auf frei werdende Plätze warten: Das Lokal platzt aus allen Nähten. Es ist Rosenmontag, 22 Uhr, und die Argentinier haben auch am Fastnachtsdienstag noch frei!
    Aber das Warten lohnt sich: Das Essen ist lecker und günstig, die Bedienung freundlich und wir unterhalten uns prächtig mit Ayaka, die zwar nur gebrochen Englisch spricht, dafür viel und herzlich lacht :-)
    Um 1 Uhr verlassen wir mit einer Gruppe von Frauen als Letzte das „Buena Vista“ und warten im Terminal hundemüde, aber satt und zufrieden, auf unseren Bus, der vom 850 km entfernten Bariloche kommend gut eine Stunde Verspätung hat.
    Wir steigen ein und fahren los - und alle schlafen schnell ein, Regine zuerst :-))
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