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  • Day 30

    Bei den Seelöwen von Mar del Plata

    March 21, 2023 in Argentina ⋅ ☀️ 19 °C

    Mar del Plata, Dienstag, 21. März 2023

    An den langen Sandstränden der Stadt liegen (und sitzen) in langen Reihen die Rentner*innen und andere Sonnenhungrige und lassen sich bräunen und den (für uns) etwas steifen Wind um die Ohren brausen.
    Das Pendant dazu befindet sich im Hafen von Mar del Plata, circa 4 km vom Stadtzentrum entfernt: Es handelt sich um eine grössere Kolonie von Seelöwen (lobos marinos de una piel), die sich hier nach der anstrengenden Paarungszeit in subantarktischen Gewässern und vor ihrem Weiterzug in Richtung Norden ausruhen.
    Mar del Plata verfügt über ein dichtes und gut dokumentiertes Busnetz und deshalb nehmen wir ab Stadtmitte die Linie 571, welche uns in 30 Minuten zum Hafeneingang bringt. Von dort aus gehen wir zu Fuss weiter, bestaunen die riesigen Schiffswerften, in denen alte Schiffe restauriert werden, bis wir schliesslich an die fast 2 km lange „Hafenmole“ gelangen, eine Aufschüttung zum Schutz des Hafenbereichs.
    Dort, ungefähr in der Hälfte des Weges bis zur Landspitze, befindet sich das, was sich „Reserva de lobos marinos de Mar del Plata“ nennt und das wir durch Zufall im Internet gefunden haben. Denn eine eigentliche Werbung dafür gibt es nicht. Wir vermuten den Grund darin, dass die Einrichtung (Fundación Fauna Argentina) staatlich und gratis ist; es hat also niemand ein (ökonomisches) Interesse daran, es zu bewerben…
    Nachdem wir uns zuerst etwas am Strand verlaufen und den Weg zur „Reserva Natural Puerto Mar del Plata“ eingeschlagen haben, weist uns ein freundliches und stark gebräuntes männliches Exemplar der Gattung Mensch den richtigen Weg. Und tatsächlich finden wir schon 500 m weiter, was wir nie gedacht hätten: Über hundert Seelöwen tummeln sich vor unseren Augen nur wenige Meter von uns entfernt an einem kleinen Strandabschnitt bei der Hafenmole! Welch ein Anblick!
    Der Unterschied zu den menschlichen Ansammlungen hier ist, dass diese noch einen zivilisierten Abstand zueinander einhalten, während es bei den Seelöwen ein ständiges Geschiebe, Gedränge und Gehopse gibt, das dazu noch von lautstarkem Brummen und heftigen Bissbewegungen begleitet wird.
    Wir schauen dem Treiben einige Zeit fasziniert zu und fragen Umstehende, ob es weiter vorne noch mehr Seelöwen gebe. Dies wird bejaht, so dass wir hoffnungsfroh die eineinhalb Kilometer weiter bis zur Spitze der Landzunge spazieren, welche eine magere Kopie des Cristo Redentor von Rio schmückt. Aber dort folgt auch gleich die Enttäuschung: Hier - mit Blick auf den weiten Atlantik - sichten wir kein einziges Tier, weil diese ja den Schutz vor dem offenen Meer suchen.
    Also wandern wir wieder zu „unseren“ Freunden zurück und bestaunen das eifrige Treiben aufmerksam. Die ganze Unruhe in dem dicht an dicht liegenden Haufen rührt offenbar daher, dass jeder den besten Ruheplatz sucht, dies aber durch Geschlecht und Hierarchie in der Gruppe stark erschwert wird.
    Die dominierenden Bullen verteidigen ihren Platz und ihren Harem gegen andere, vorwiegend junge Bullen, wenn diese sich zu nahe heranwagen. Regine kommt einem ganz nahe am Zaun zur Strasse liegenden Alpha-Männchen zu nahe (Regine steht glücklicherweise jenseits des Zaunes!); sie wird heftig angefaucht, zuckt zusammen und erhält somit einen bleibenden Eindruck vom Imponiergehabe des grossen Tieres.
    Bei all den Scharmützeln in der unübersichtlichen Menge sind auch die (offenbar) ranghöheren älteren Weibchen beteiligt, welche das Revier ihrer Gruppe sowohl gegen Jungbullen als auch gegen gruppenfremde - und meistens jüngere - Weibchen verteidigen.
    Weil der Platz ausserhalb des Wassers sehr beschränkt ist und immer wieder neue Tiere anlanden (Woher sie kommen und was sie draussen im Meer getrieben haben, wissen wir nicht.), nimmt die Unruhe kein Ende. Das liegt natürlich daran, dass die Tiere, um vom Wasser ans Ufer oder umgekehrt hinein ins Wasser zu gelangen, mit recht ungelenken Bewegungen über die Liegenden und Ruhenden patschen, worauf diese immer schauen, ob es sich um „Freund“ (nichts tun) oder „Feind“ handelt. Bei letzterem werden schnell einmal die Zähne gebleckt! Es entstehen aber keine Verletzungen, weil es sich offenbar eher um Drohgebärden und Zurechtweisungen als um echte Kämpfe handelt.
    Erst nach langer Zeit, in der Regine unendliche Male die Kamera für Fotos und Videos gezückt hat, nehmen wir Abschied und gehen den Weg zurück zum Beginn des Hafenbeckens. Hier erwartet uns bei untergehender Sonne eine weitere Überraschung: Auf den warmen Steinen liegen gut und gerne hundert Seelöwen - vermutlich jene, die weiter vorne (wie beschrieben) im Gedränge keinen Ruheplatz gefunden haben.
    Da mittlerweile die Sonne schon tief steht und wir die Daunenjacken überziehen müssen, verabschieden wir uns bald von diesem Anblick, der uns gewiss noch lange in Erinnerung bleiben wird.
    Wir fahren nun mit dem Bus der Linie 522 zurück ins Zentrum. Regine erblickt beim Aussteigen eine noble Bäckerei, in der wir uns für das Abendessen 12 Empanadas und zum Nachtisch einige süsse Stückchen kaufen.
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