• Das Meer

    9 april 2023, Nordatlantik ⋅ 🌬 25 °C

    Südlich der Kapverden, Ostersonntag, 9. April 2023

    Schon bei der Planung der - durch Corona verschobenen - ersten Reise 2019 war uns klar, dass wir die Rückreise unbedingt per Schiff machen wollen. Erstens haben wir beide noch nie so lange Zeit auf dem Wasser verbracht und zweitens wollten wir die lange Reise durch Argentinien und Chile langsam ausklingen lassen. Deshalb buchten wir damals eine Rückreise ab Buenos Aires, die uns in 21 Seetagen nach Venedig gebracht hätte…
    Aus all dem wurde bekanntlich nichts und wir haben dann für die neuerliche Planung der Reise 2022 die Art der Rückkehr bewusst offen gelassen, unter anderem auch, weil die Preise um über 50% gestiegen waren!
    Aber während unserer Reise hat uns das Fieber nach dem Meer dann doch wieder gepackt und nach langen Diskussionen haben wir das Ganze in Temuco (Chile) geplant und online gebucht.
    Aus verschiedenen Gründen wurde es dieses Mal eine kürzere Fahrt mit weniger Landgängen, Abfahrtsort Rio de Janeiro und Enddestination Lissabon. Dies hat dazu geführt, dass wir die Anreise nach und den Aufenthalt in Rio, den Transfer von Lissabon nach Porto, den Aufenthalt dort und den Rückflug nach Memmingen (Deutschland) gleich mit organisieren mussten. Schlussendlich hat alles gut geklappt und wir haben „unser“ Schiff, die MSC Fantasia, am Dienstag, 4. April 2023, in Rio um die Mittagszeit bestiegen.
    Da wir im 10. Stock wohnen, ist die Aussicht auf das Meer (oder besser die Bucht von Rio) schon jetzt beeindruckend. Wir sind ganz aus dem Häuschen und freuen uns riesig auf die lange Seereise!
    Ziemlich genau um 19 Uhr legen wir ab und alle Reisende strömen auf Deck, um dem Manöver beizuwohnen. Bald verlassen wir die Bucht und sehen die Stadt endlich von einer „anderen Seite“. Wir entfernen uns schnell vom Land und ausserdem wird es zunehmend dunkler, sodass das Letzte, was wir noch gut erkennen können, die Lichter am Strand von Ipanema, Leblon und Copacabana sind.
    Dann wird es stockdunkel, aber von unserem Balkon aus sehen wir immer auf das vom Schiff beleuchtete, ruhige Wasser. Nur ganz sanft schlagen Wellen gegen Bug und Seite.
    Als wir am Morgen aufwachen, sind wir irgendwo weiter nördlich vor der brasilianischen Küste - die wir aber nicht sehen können - unterwegs; wir wissen das nur dank der verschiedenen Navigations-Apps…
    Und endlich ist der Moment da, auf den wir lange gewartet haben: Rundherum ist nur Wasser, kein Land und nicht einmal ein Schiff zu sehen!
    Von jetzt an tun sich unendliche Weiten auf, die wir uns so nicht vorstellen konnten. Ob am Morgen, am Nachmittag, am Abend oder in der Nacht: Immer sind wir vom endlos wirkenden Meer umgeben. Mal ist es fast still, mal bilden sich kleine Wellen und dann - südlich der Kapverdischen Inseln - wird es bei schönem Wetter eher unruhig. Es gibt fast keine Abwechslung, nur zweimal sehen wir in der Ferne ein anderes Schiff.
    Hie und da gleiten wir an runden Teppichen und lang gezogenen Schlieren von Ansammlungen brauner Algen vorbei.
    Einmal sehen wir per Zufall kurz eine Delfin-Schule, die Backbord ihre Sprünge zeigen, dann sind sie auch schon wieder weg.
    Das Meer scheint tatsächlich endlos zu sein, meistens schön anzuschauen in seinem karibischen Blau. Bedrohlich wirkt es, wenn ein Regenschauer niedergeht, der Wind die Regenfahnen am Schiff nach hinten bläst und das Meer eine bleigraue Farbe annimmt.
    Mit der Zeit stellt sich beim Blicken aus dem Fenster eine Art Trance ein: Das Schiff fährt im gleichbleibend gemütlichen Tempo (36 km/h), die Bugwellen schlagen mit einer gewissen Regelmässigkeit an den Rumpf und die unveränderliche „Landschaft“ zieht draussen vorbei - ganz egal, was wir gerade machen und ob wir dies mitbekommen oder nicht.
    Das ist eine eigenartige Erfahrung und wir staunen, wie das wohl früher für Schiffsreisenden gewesen sein muss, die teilweise wochenlang zum Beispiel von Australien nach Europa gereist sind (und nicht den Luxus und die Dauerbespassung eines Kreuzfahrtschiffes hatten).
    Oder wie fühlen sich die Wagemutigen, die in einer Gruppe oder sogar ganz allein mit einem kleinen Segelboot den Atlantik (oder Pazifik) überqueren? Nichts als Wasser und Wellen und unter dem Boot geht es 1000 bis 4000 Meter in die Tiefe.
    Der Gedanke daran kann einem schon etwas Angst machen. Wir haben den Vorteil, dass wir dank der Grösse des Schiffes immer nur eine Seite sehen. So können wir uns in unserer Fantasie einbilden, auf der anderen Seite befinde sich Land. Das ist auf einem kleineren Schiff nicht möglich!
    Einfach nur hinauszuschauen und kaum etwas anderes zu sehen, kann auch ganz schön langweilig sein. Aber es hat auch etwas Beruhigendes, und wir sind glücklich darüber, dies von unserer Kabine aus geniessen und damit auch dem andauernden Lärm und Trubel auf dem Schiff entfliehen zu können:-)
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