• Menschengemachte Katastrophe

    25 September 2024, Kazakhstan ⋅ ☁️ 12 °C

    Das Wetter zeigte sich garstig. Mit heftigem Wind und Regen zogen wir weiter durch die kasachische Steppe. Zur Auflockerung der Fahrt trafen wir uns alle um 11.00 h vor dem Fischermuseum in Aralsk. Aralsk gilt als Sinnbild des verschwundenen Aralsees. Ein einheimischer Senior in unserem Alter erzählte uns auf eindrückliche Weise wie ihm sein Bruder auf dem Platz auf welchem wir uns gerade befanden, das Schwimmen beigebracht hat. Die Ufer des Aralsees grenzten an sein Elternhaus. Aralsk war ein florierender Fischerort, die Menschen hatten ein gesichertes Leben und Einkommen. Weiter führte uns der engagierte Mann durch das Museum. Auf dem Trockenen liegende Fischerboote und ein Forschungsschiff zeigten auf schockierende Art, zu was der Mensch fähig ist. Den ehemals viertgrössten See der Erde zu finden ist nicht einfach. Das Städtchen Aralsk lag früher an seinem Ufer. Jetzt rosten die Hafenkräne vor sich hin, im Hafenbecken stehen faulige Pfützen. Die Schiffswracks wurden als Schrott an die Chinesen verkauft.
    Der See, früher von den Anwohnern liebevoll Meer genannt, bis in die 1950er noch 68000 Km² gross, ist weg. Laut Aufzeichnungen war der See bereits schon einmal im Mittelalter während ~300 Jahren versickert. Als Beweis dienen mittelalterliche Siedlungsreste auf dem Seegrund. Doch die heutige Katastrophe ist menschengemacht. Die gigantischen sowjetischen Bewässerungsprojekte haben dem Aral das Leben gekostet. Die beiden Zuflüsse Amudarja und Syrdarja wurden grösstenteils umgeleitet, um die Baumwollplantagen zu bewässern und die wachsenden Grossstädte mit genügend Wasser zu bedienen. Vom Gletscherwasser des Amudarja kommt normalerweise gar nichts mehr auf der usbekischen Seite an. Hier ist der See nicht mehr existent, bis auf einen schmalen Streifen im Westen, der keinen Zufluss mehr hat. Das Wasser des Syrdarja schafft es teilweise noch bis zum kleinen bzw. Nördlichen Aral. So heisst der Teil des Sees, der durch ein Staudamm gerettet wurde, welcher verhindert, dass das im Norden zuströmende Wasser nach Süden abfliesst und dort auf den trockengefallenen Flächen des grossen Aral verdunstet.
    Hinter vorgehaltener Hand werden auch Vermutungen verbreitet, dass durch die sowjetischen Unterwasser Atomwaffentests, von einer grossen Insel aus mitten im See, Risse auf dem Seegrund entstanden und so das Wasser zusätzlich versickerte.
    Nach dieser eher traurigen "Weiterbildung" zogen wir noch kurz über den Basar von Aralsk. Der langsame Verfall einer einst blühenden Stadt, zeigte sich auch hier. An Touristen sind sich die misstrauisch auf uns wirkenden Händlerinnen und Händler nicht gewohnt, fernab vom Rest der Zivilisation.
    Wenig bekannt ist die Tatsache, dass es dort im Jahr 1971 zu einem Pockenausbruch kam, nachdem aus einem nahegelegenen Testzentrum für biologische Waffen versehentlich eine waffenfähige Ladung freigesetzt worden war. Die Krebsrate in Aralsk ist besonders hoch. Das Leben in dieser Umgebung erscheint mir trostlos und bedrückend.
    Weiter gings durch die Kasachische Steppe, an einem Steppenadler, einer Herde Saiga-Antilopen und vielen Kamelen vorbei. Das Abendrot kündigte die Nacht an, wir kamen mitten in der Steppe zur Ruhe.
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