• Medizin in Bolivien: Harte Realität

    April 26, 2024 in Bolivia ⋅ 🌫 15 °C

    Ich war in Bolivien ja nicht nur um zu Reisen sondern habe dort auch einen großen Teil der Zeit im Krankenhaus verbracht. Ich mache in Lateinamerika mein praktisches Jahr, das heißt ich lerne und arbeite irgendwo zwischen dem Status als Studierende und dem als Ärztin. Medizin in einem Entwicklungsland mitzuerleben war für mich besonders und auch eine Herausforderung. Das Krankenhaus San Gabriel ist ein kleines Privatkrankenhaus in dem die Verhältnisse wohl schon deutlich besser sind als im Öffentlichen. Die Menschen bezahlen hier alles selbst, da es kaum Privatversicherungen gibt. Die öffentliche Krankenversicherung die für alle Bolivianer:innen eine Grundversorgung absichert, zahlt auch nur die öffentlichen Krankenhäuser die dadurch stark überfüllt sind. Wer genug Geld hat, zahlt also lieber privat in einem kleineren Haus wie San Gabriel.

    Obwohl hier die Bedingungen also schon deutlich besser sind, waren ein paar Sachen mit meiner deutschen Ausbildung für mich schwer zu verstehen. Vorallem die Hygiene, es wird keinerlei Desinfektionsmittel benutzt. Man wäscht sich nur hin und wieder die Hände mit irgendeiner Seife die man selbst mitbringen muss und nicht speziell für die hygienische Handwäsche gedacht ist. Die Haut wird nicht unbedingt vor dem Blut abnehmen desinfiziert. Die Utensilien, die für kleine invasive Eingriffe benutzt werden, werden abgewaschen und nur in einer antibakteriellen Flüssigkeit eingelegt. Sterile Handschuhe habe ich nicht einmal gesehen. Die Liste von diesen Sachen ist ewig lang und hat natürlich Kostengründe aber ich denke, es ist auch in mangelnder Aufklärung bedingt. Mich wunderte daher nicht, dass im klinischen Alltag Infektionskrankheiten des Magen-Darm-Trakts, Blasenentzündungen, Wundinfektionen und auch Tuberkulose vorherrschend sind. Es wird sehr schnell mit Antibiotika behandelt, auch wenn die Krankheitsursache nach klinischen Kriterien vermutlich eher viral ist. Die verwendeten Antibiotika sind auch immer direkt härtere Mittel als wir in Deutschland nutzen würden. Das hat damit zu tun, dass es in Bolivien ein riesen Problem mit Antibiotikaresistenzen gibt, da diese oft rezeptfrei verkäuflich sind und nicht kontrolliert verwendet werden wie in Deutschland.

    Insgesamt kam es mir so vor als wäre die Medizin dort unserer 50 Jahre hinterher (siehe nicht digitales Röntgenbild, das nicht durch speziell ausgebildete Radiolog:innen sondern die Ärzte/PJler befundet wird). Einzelne Ärzte lesen auch moderne Studien, haben aber durch die fehlenden Mittel nicht die Möglichkeit das Wissen moderner Medizin anzuwenden…

    Zu den Fotos: Bild 1 Röntgenthorax, Bild 2-4 Krankenzimmer, Krankenhauskapelle, Bild 5-8 der OP-Einführungskurs im einzigen funktionstüchtigen OP-Saal des Krankenhauses, Bild 9 ein Monitor für Vitalparameter, Spende eines alten Geräts aus Deutschland, Bild 10 die lieben PJler die trotz unmenschlichen Arbeitszeiten (7 Tage-Woche mit 3 36-Stunden Schichten ohne freien Tag danach) versuchen den bestmöglichen Job zu machen und dabei immernoch gut drauf sind. ❤️
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