• Jamberoo

    1 Januari 2024, Australia ⋅ ☁️ 22 °C

    Wir fahren zunächst an Wollongong vorbei und dann nach Port Kembla, wo wir uns ein spätes Frühstück gönnen.

    In Port Kembla befindet sich ein Seehafen und die Port Kembla Steelworks. In den 50er Jahren waren die Stahlwerke noch voll in Betrieb und eins der größten Industriecomplexe Australiens. Sie gaben zirka fünftausend Menschen Arbeit, so auch Karls Vater und seinem Onkel Kurt.
    Schon vor Jahren wurden große Teile des Werks stillgelegt. Ein kleinerer Teil der Firma betreibt nur noch die Stahlherstellung für den nationalen Markt. Der Großteil der ehemaligen Arbeiter ist ins benachbarte Warrawong oder weiter weggezogen und viele Geschäfte und Häuser stehen heute leer.

    Wir besichtigen das Schwimmbad und spazieren an den Strand, an dem Karl und seine Geschwister als Kinder schwimmen waren. 

    Danach suchen und finden wir auf Umwegen das damalige, jetzt verlassen wirkende Wohnhaus in der Lake Heights Road, in dem die Familie von Anfang 1963 bis 1965 gewohnt hat. Überraschenderweise hat sich in der Gegend in all den Jahren fast nichts geändert. Die Geschäfte schauen sogar nach 60 Jahren noch immer gleich aus und sogar das Schulgebäude ist noch genauso aus wie früher, nur sind jetzt Überwachungskameras installiert und an der Zufahrt befindet sich ein Eisentor. Von Lake Heights sind es noch etwa 30 km bis nach Jamberoo. Vor der Jamberoo Public School, das ist die Volksschule, die Karl besucht hat, machen wir einen Fotostop. Karl erzählt, dass während seiner Schulzeit die Termiten den Fußboden der Schule aufgefressen hatten und die Kinder notgedrungen bis zur Wiederherstellung in der Kirche nebenan unterrichtet werden mussten. Das Schuljahr in Australien dauert von Ende Jänner bis Anfang Dezember und Weihnachten ist somit mitten in den Sommerferien. Die Klassen bestanden durch die massive Einwanderung aus Schülern der verschiedensten Nationen. In der Schule konnte als Verständigungsbasis unter den Schülern nur Englisch gesprochen werden und alle wurden ganz normal in Englisch unterrichtet - ohne spezielle Förderungsprogramme.

    Schließlich fahren wir die Jamberoo Mountain Road entlang bis zu Toms Gasthaus, das früher ein so einfacher, wie beliebter Treffpunkt in der Gegend war. Die Straßenverlauf ist ziemlich verändert und das Gasthaus nicht wiederzuerkennen, so gemausert hat sich das. Es heißt jetzt Jamberoo Mountain Resort und ein Resort ist es auch! Karl hatte mit Eltern und Bruder als Übergangslösung nebenan in einem kleinen Haus gewohnt, bevor sie ins Haus zwei Kilometer weiter vorn an der Jamberoo Mountain Road gezogen sind. Von diesem Haus aus ist er die vier Jahre zur Volksschule marschiert und die unverfälschte Natur rundum war sein liebster Abenteuerspielplatz. Das war etwa von Anfang 1959 bis 1963. Auf der Rückfahrt stoppen wir bei der Auffahrt zum ehemaligen Wohnhaus. Der Besitzer hat das damals bestehende Haus niedergerissen und ein neues ein Stück näher an die Straße gebaut. Es wirkt trotzdem noch ähnlich. Obwohl es schon wieder zu regnen beginnt gehen wir direkt gegenüber die Wiese bis zum Bachbett hinunter, weil wir sehen wollen ob das Auto, das Karls Vater Anfang der sechziger Jahre dort abgestellt hatte noch immer da ist. So ist es, wir finden noch immer das Heck davon. Vor zwanzig Jahren hatten wir das schon entdeckt. Damals war es noch fast komplett.
    Ich habe für uns eine Nacht im Jamberoo Pub gebucht.
    Der Pub hat sich in all den Jahren kaum verändert. Nur nach hinten wurde noch ein Gastraum dazugebaut. Es ist vollgehängt mit Fotos und Erinnerungen aus der Geschichte Jamberoos, des Pubs und seiner Besitzer. Charly sagt, das wäre sofort sein Stammlokal, so urgemütlich ist es da. 

    Es gibt den Schankraum mit der langen Theke und ein Extrazimmer. In den 60er Jahren waren Männlein und Weiblein in den Pubs streng getrennt. Dafür gehörte das Extrazimmer damals nur den Frauen. Der Raum des jeweils anderen Geschlechts durfte nicht betreten werden. Spätestens an der Türschwelle war Schluß. Mancher Schlingel saß da an der Theke und drehte der Tür ganz einfach den Rücken zu, wenn ihm seine Holde von dort zuwinkte, er aber doch noch nicht nach Hause wollte. Er hatte sie halt dann ganz einfach nicht gesehen.......

    Die Regelung war typisch englisch und geht zurück auf die Besiedlungszeit Australiens, als die Frauen hier noch Mangelware und deshalb entsprechend hofiert wurden. In ihrer Anwesenheit durfte sich keiner in der Öffentlichkeit irgendwie rüpelhaft benehmen. Männlein und Weiblein bekamen ihre eigene Abteilung in den Pubs, wo sie sich jeweils auf ihre eigene liebste Weise ungestört unterhalten konnten. 

    2024 ist diese Regelung natürlich längst Geschichte. Wir genehmigen uns ein paar Bierchen und ein deftiges Abendessen. Auf dem Weg zu unseren Zimmern im 1. Stock, knarren die Stufen und Dielen. Das Gebäude ist alt und strahlt seine lange Geschichte aus.
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