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  • Day 48

    Postkartenmotive

    January 6 in New Zealand ⋅ ☀️ 23 °C

    Die nächste Etappe bis nach Waitomo kann ich wegen einer bösen Migräne-Attacke nicht wandern, so dass wir dahin trampen. Dank einer sehr lieben Mitfahrgelegenheit sind wir bereits am späten Vormittag dort. Der Ort ist bekannt für seine Glühwürmchen-Höhlen, die wir aber wegen Dannys Klaustrophobie nicht betreten können. Macht aber nichts, ich wollte mich ja ohnehin ausruhen und einfach mal nix tun. Einen kleinen Abstecher ins Waitomo Museum machen wir aber trotzdem und erfahren viel Interessantes über die Geschichte der Höhlenforschung in Neuseeland. Es gibt auch einen nachgemachten „Höhlenkriechgang“, durch den man sich quetschen kann. Reinpassen würden wir locker, denn wir haben etliche Pfunde verloren. Wir entscheiden uns dann aber doch lieber, ins Hotel zu kriechen und dort ein schönes Mittagsschläfchen zu machen. Und weil Nichts-Tun hungrig macht, schlagen wir uns abends im Pub die Bäuche voll und trinken ein paar Bierchen. So schnell gibt’s dafür nämlich keine Gelegenheit mehr.

    Noch ist es allerdings nicht so weit. Von Waitomo laufen wir am nächsten Morgen nach Te Kuiti, wo wir einen Rundumschlag im Supermarkt planen. Bis dahin wandern wir mehrere steile Hügel rauf und runter. Doch heute habe ich das Gefühl, dass ich für jede noch so kleine Anstrengung visuell doppelt und dreifach belohnt werde. Ein Postkartenmotiv reiht sich ans nächste, ich kann mich gar nicht satt sehen. Zu meiner großen Freude treffen wir das vermutlich zutraulichste Pferd, was uns je begegnet ist. Es schmust mit uns und will gar nicht von unserer Seite weichen. Aber wir müssen weiter, und zwar durch eine Bullenfarm. Ein großes Schild am Zaun warnt vor möglichen Gefahren und ich sehe mich schon von Hörnern aufgespießt. Zum Glück sind die Bullen alle jung und haben mehr Angst vor uns als umgekehrt.

    Beim allerletzten Hügel, d.h. nach 15km, mache ich schlapp und sehe auf der Karte eine Abkürzung über eine Straße. Danny will es aber unbedingt durchziehen, so dass wir getrennte Wege gehen. Während ich ziemlich schnell an eine Tankstelle gerate und mir eine kalte Cola reinziehe, kämpft sich Danny noch den letzten steilen, fast senkrecht nach oben verlaufenden Hügel hoch. Ein bisschen schadenfreudig schicke ich ihm ein Foto von mir mit der kalten Cola. Ich kaufe eine zweite und verstaue sie im Rucksack. Danny trifft 30 Minuten später total erschöpft und durchgeschwitzt in Te Kuiti ein. Ich reiche ihm gönnerhaft die Cola und lobe ihn für sein Durchhalten.

    Es klingt vielleicht komisch, aber ich glaube, die ersten 6 Wochen dieser Reise waren trotz all der Anstrengungen nur ein kleines Vorspiel, eine Art Einleitung oder Aufwärmübung für das, was uns in den nächsten Monaten erwartet. Alle 2-3 Tage haben wir in Cabins, Holiday Parks oder bei Trail Angels geschlafen und es gab genug Einkaufsmöglichkeiten. Dieser Luxus wird jetzt immer seltener. Wir sind bei Kilometer 870 und können erst wieder bei Kilometer 1031 neue Lebensmittel kaufen. Wir müssen ausreichend essen, um Kraft für den Trail zu haben, gleichzeitig dürfen die Rucksäcke nicht zu schwer sein. Keine leichte Aufgabe. Besonders jetzt, wo es auf den Timber Trail geht, einen 84 Kilometer langen Weg im Pureora Forest Park. Wir haben jetzt für 6 Tage Lebensmittel eingekauft (für insgesamt 162 km Wanderung) und unsere Rucksäcke sind wieder sauschwer. Wir hoffen, dass das Essen reicht, uns satt macht und im besten Fall noch bisschen schmeckt. Gerade trinkt Danny genüsslich den letzten Schluck Bier aus seiner Flasche. Das nächste gibt’s erst wieder in 6 Tagen. Genauso wie den nächsten Bericht von mir, denn auch am Strom müssen wir sparen. Lademöglichkeiten gibt es keine.
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