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  • Day 58

    37 auf einen Streich

    January 16 in New Zealand ⋅ ☀️ 19 °C

    Wir wachen bei strahlendem Sonnenschein auf, die Regenwolken sind weitergezogen. Danny kann es kaum erwarten, wieder los- und weiterzuwandern. „Schon“ zwei Tage haben wir uns jetzt ausgeruht und sind kaum gelaufen. Er scharrt förmlich mit den Hufen, äh, mit den Füßen. Zuerst stärken wir uns mit einem ausreichenden Frühstück. Ich esse Müsli mit Nektarine und Danny schmiert sich einen Wrap dick mit Nutella. Danach bekommt er Bauchschmerzen. Aber die bekommt ja jeder einmal, also auf geht’s mit Sack und Pack.

    Wir laufen heute die 42 Traverse, eine alte Holzfäller-Route, ähnlich wie der Timber Trail. Heute wird diese Strecke vor allem von Mountain-Bike-Fans genutzt, weil sie viele aufregende Abfahrten und knifflige Anstiege zu bieten hat. Insgesamt über 40 Kilometer lang, wollen wir uns die Etappe ein bisschen einteilen und schauen, wie weit wir kommen. Während ich das schreibe, hallen Dannys Worte von gestern Abend in mir nach: “Ich hätte mal Bock auf 'ne richtig krasse Etappe, wo man vollkommen fertig abends irgendwo ankommt.“

    Nach zwei mehr oder weniger freiwilligen Ausruhtagen starten wir 8:30 Uhr und kommen überraschend gut in die Gänge. Der Weg läuft sich leicht, die Sonne ist noch nicht zu heiß. Nur Dannys Bauchschmerzen gehen nicht weg und werden immer stärker. Er hat Hunger und isst eine Nektarine. Der Bauch krampft. Die Cola in Dannys Rucksack soll Abhilfe schaffen. Cola kann manchmal Wunder bewirken. Oder auch nicht. Die Chancen stehen 50:50. Danny kippt einen großen Schluck in sich rein. Besser geht’s ihm dadurch leider nicht. Schade, hätte ja klappen können.

    Wir laufen weiter, die ersten Anstiege kommen und Dannys Gesicht ist schmerzverzerrt. Ich biete ihm einen Kamillentee an, den ich als Teebeutel dabei habe. „Willst du mich umbringen?“, ist seine Antwort. Danny wird langsamer, so dass ich heute mal das „Rudel“ anführe. Ich mag keine Anstiege und mache am iPhone Musik an. Damit gelingt es mir erstaunlich gut, nach oben zu laufen und ich werde immer schneller. Danny schleppt sich hinterher, er hat sichtlich Probleme, mit mir Schritt zu halten. Ich bin plötzlich bergan so stark wie nie zuvor und ziehe ihn mit meiner Kraft nach oben. Leider laufe ich dadurch etwas zu weit in die richtige Richtung, die dann die falsche wird. Wir verpassen den Abzweig. Zum Glück merkt es Danny noch rechtzeitig, so dass wir nur 1,5 Kilometer zurücklaufen müssen. Zu meiner Verwunderung ist er gar nicht sauer darüber, sondern sogar sehr dankbar. Er hätte diesen Anstieg ohne mich nicht geschafft und ist überwältigt, über welche Kräfte ich verfüge.

    Wir schauen auf der Karte nach und haben immer noch 14 Kilometer vor uns. 23 sind wir schon gelaufen. Danny mag heute aber nicht irgendwo zelten. Mit seinen Bauchschmerzen will er abends lieber in einem Bett liegen. Da wir bisher gut vorangekommen sind, wollen wir durchziehen bis zum Holidaypark. Leider haben es die letzten Kilometer in sich. Durch den gestrigen Starkregen sind die Abschnitte sehr schlammig und zerfurcht. Der Weg wird enger, überwachsener und ein kräftezehrender Anstieg folgt einem rutschigen Abstieg. Wir durchqueren zudem mehrere kleine Bäche und einen größeren Fluss, dessen Strömung es in sich hat. Nur sehr langsam kommen wir voran. Danny stöhnt und ächzt vor Schmerzen und Anstrengung. Kalter Schweiß läuft ihm in Bächen über das Gesicht. Mehrfach biete ich ihm an, irgendwo zu zelten und die Etappe abzubrechen. Aber er will nicht und sagt, die Anstrengung lenke ihn zumindest von den Bauchkrämpfen ab. Das nenne ich mal ne Schmerztherapie.

    Unfassbar und kaum zu glauben sind wir gegen 18 Uhr abends aus dem Wald - oder besser gesagt - Dschungel raus. Was für ein befreiendes Gefühl. Jetzt noch 2 Kilometer an einer kleinen Straße entlanglaufen bis zum Highway. In der Ferne sehen wir stolz und mächtig die Vulkane, Vorboten der nächsten Etappe. Wir erreichen völlig verschwitzt und ausgezehrt den Highway und heben den Arm. Etliche Fahrzeuge rauschen vorbei. Dann kommt aus der Nebenstraße ein Fahrzeug mit Bootsanhänger. Danny ruft dem Fahrer zu - und schwups - hält er an. Wir werfen unsere Rucksäcke direkt ins Boot und sind ruckzuck im Holidaypark, wo wir eine Cabin beziehen. Eis und Cola gönnen wir uns jetzt um 19:30 Uhr auch noch. Dannys Magen wird langsam ruhiger. Nach 37 Kilometern und so viel Cola, Eis und Anstrengung meldet er sich nicht mehr. Und wir? Melden uns ab vom Tag und fallen in einen tiefen Schlaf.
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