Satellite
Show on map
  • Day 110

    Bunte Tage in Greymouth

    March 8 in New Zealand ⋅ ⛅ 16 °C

    Zum internationalen Frauentag hätte ich’s gern schön. Zum Beispiel mal wieder ein richtiges Bett, eine Dusche und ordentliches Essen. Und wenn’s geht, vielleicht auch noch ein bisschen Sonne. Und Meer. Ja, Meer wäre toll! Nach den kalten und nassen Tagen in den Bergen sehne ich mich nach Wärme.

    Wir überlegen gemeinsam, welche Etappen wir vom Te Araroa Trail noch laufen wollen. Noch ungefähr 1 Monat bleibt uns hier auf der Südinsel, daher müssen wir etwas „springen“. Und zwar von St. Arnaud nach Arthur’s Pass. Dazwischen liegen ca. 100 Kilometer Trail, die wir jetzt weglassen, aber fast 300 Kilometer auf der Straße, denn die Berge, die der Trail durchquert, müssen weiträumig umfahren werden.

    Wir sind unsicher, wieviele Hitches (Mitfahrgelegenheiten) es benötigt, um dorthin zu kommen und entscheiden uns deshalb, die Strecke mit einem Zwischenstopp zu verkürzen. Außerdem wollte ich’s doch schön haben zum Frauentag. Auf Google Maps sehe ich, dass der Highway erstmal Richtung Westküste verläuft, bevor er an einer Kreuzung weiter Richtung Süden führt. Ich lese den Namen „Greymouth“, klicke drauf und sehe 3 kleine Fotos, die mich sehr ansprechen.
    „Ich will nach Greymouth“, sage ich zu Danny. Der schaut kurz etwas verdutzt, ist aber sofort einverstanden. Wenig später findet er die Idee sogar toll.

    Wir haben Glück und finden ein sehr preiswertes Hostel, direkt in der Innenstadt gelegen. Wir klicken auf „Jetzt buchen“. Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd. Einem „schönen“ Frauentag steht nichts mehr im Weg. Fragt sich nur, wie wir die 223 Kilometer bis dorthin überwinden.

    David, der Gastvater unserer AirBnB Unterkunft in St. Arnaud, fährt uns am nächsten Morgen bis zum Ortszentrum. Von dort aus heben wir unseren Arm und lächeln freundlich. Wir sind darin schon richtige Profis. Ich stehe vorn, habe meist mein zitronengelbes Shirt an und Danny steht hinter mir. Etliche Campervans rauschen vorbei. Wir wechseln den Standort - mein absoluter Profi-Tipp. Wenn es nicht gleich klappt, einfach den Standort wechseln und es ein paar Meter weiter erneut probieren. Das hat bis jetzt immer geklappt. Nach knapp 20 Minuten hält ein neuer David an. Er kommt gerade vom Angeln und kann uns bis nach Reefton mitnehmen, das sind bereits 145 km von der Gesamtstrecke. Wir sind überwältigt und steigen ein. Während der Fahrt ist es vor allem Danny, der sich die ganze Zeit mit David unterhält. Ich staune immer wieder, wie schnell sich Danny in die unterschiedlichsten Themengebiete mit seinem Wissen einbringt. Er kann immer und überall mitreden. Die beiden tauschen sich übers Angeln aus, über Bücher, denn Davids Freundin schreibt und veröffentlicht ebenfalls, so wie Danny. Irgendwann reden sie über „1080“, ein umstrittenes Pestizid in Neuseeland, das zur Bekämpfung von Ratten, Opossums und anderen Schädlingen eingesetzt wird. In Reefton steigen wir aus und verabschieden uns herzlich voneinander. Ich bin gerade noch dabei, die Träger meines Rucksacks neu einzustellen, als ein großer Bus neben uns anhält. Danny hatte ihm wohl ein Zeichen gegeben. Es ist Glenn aus Warkworth (Nordinsel) und er ist auf dem Weg nach Greymouth. Schwups, sitzen wir in einem ehemaligen Schulbus und setzen unsere Fahrt fast ohne Unterbrechung fort. „Wir sind richtige Glücksschweine.“, sage ich zu Danny. Die Fahrt im ausgebauten Schulbus ist mega cool und schon am frühen Nachmittag erreichen wir bei Sonnenschein den Küstenort Greymouth. Ähnlich wie in London ertönt am Platz des alten Postgebäudes eine Uhr und empfängt uns freundlich schlagend. Gegenüber ist das „Sevenpenny“, wo wir erstmal ordentlich Mittagessen. Anschließend geht’s ins Hostel. Die Zimmer sind einfach, aber liebevoll eingerichtet, sogar ein Waschbecken gibt es. Ich werfe mich aufs Bett und mache es mir gemütlich.

    An Ausruhen ist aber nicht zu denken. Danny googelt und findet im Ort eine Brauerei, die Führungen und Verkostungen anbietet. In 45 Minuten geht’s los. Wieder klickt er online auf „Jetzt buchen“. Kurze Zeit später stehen wir in „Monteith‘s Brewery“ in Greymouth und erfahren alles über die Unternehmensgründung und Herstellung von Craft Beer. Jeder von uns darf Bier zapfen und ein 6er Pack unserer Favoriten mit nach Hause nehmen. Wir gehen also mit 12 Flaschen Bier dort raus und ich frage mich, wer das alles in zwei Tagen trinken soll.

    Auf dem Rückweg laufen wir an der Kaimauer entlang. Interessant und sehr bewegend sind die Infotafeln, die dort stehen. Die Stadt Greymouth wurde seit ihrer Gründung regelmäßig überflutet, am schlimmsten 1872. Ganze Gebäude und Straßenzüge wurden regelrecht weggespült. Wir können das Ausmaß nur erahnen. Greymouth war eine Glücksritterstadt. „Sie kamen wegen des Goldes - und blieben wegen der Kohle“, steht auf einer der Tafeln. Wobei mit Kohle der Brennstoff gemeint ist, die lange in der Umgebung gefördert und in Greymouth verladen und verschifft wurde. Aber diese Zeiten sind seit ca. 20 Jahren vorbei.

    Am nächsten Tag will ich zum Strand. Wir nehmen Bier und Radler mit. Die tobenden Wellen haben trotz ihrer Härte etwas Beruhigendes. Wir laufen weiter zum Aussichtspunkt und treffen auf einen Angler. Stolz zeigt er uns seinen Fang und bittet uns, ihn mit seinem Handy zu fotografieren. Er hält einen Rig in die Kamera, das ist ein sogenannter Jagdhundhai. Um uns herum kreisen die Möven wie Aasgeier. Ein Auto hält an und wirft ihnen Brotkrumen zu. Riesengeschrei. Raubtierfütterung. Resteverwertung.

    Den Rest unseres Tages verbringen wir mit Einkaufstüten füllen (für die nächste Etappe) und Bierflaschen leeren (für die Samstagabend-Laune). Dann gehen wir in ein Burger-Restaurant und schlagen uns die Bäuche voll. Morgen früh zahlen wir zur Abwechslung mal unseren Transport. Mit dem Bus geht’s von Greymouth nach Arthur‘s Pass und von dort in die neue Etappe. Bye, bye Komfort. Ich werde dich sehr vermissen.
    Read more