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  • Day 133

    Osterreiten

    March 31 in New Zealand ⋅ ☀️ 13 °C

    Heute ist es soweit. Meine gebuchtes Event, die „Lady of the Lake“, wartet auf mich. Ich schlendere entspannt zum Treffpunkt am Hafen und sehe schon eine riesig lange Schlange. Die Lady wartet also nicht nur auf mich, sondern ebenfalls auf zig-tausend andere Touris. Na klar, es ist Ostersonntag. Wie konnte ich glauben, ich sei die Einzige hier.

    Die „Lady of the Lake“ heißt offiziell TSS Earnslaw und ist ein historisches Dampfschiff, das seit 1912 auf dem Lake Wakatipu fährt. Während es damals vorrangig als Transportschiff für Güter oder auch Tiere im Einsatz war, beförderte es im Laufe der Jahre zunehmend Touristen. Eine Schifffahrt mit der „Lady of the Lake“ ist heute ein Must-do, wenn man in Queenstown ist.

    Und so steige ich mit all den anderen Massen auf das Schiff, schlängele mich durch bis aufs Deck und setze mich auf eine Bank. Erst noch allein, bin ich Minuten später wieder umringt von vielen Menschen. Die „Lady“ legt ab und plötzlich zücken (fast) alle ihre Handys. Sie stellen sich vorn am Bug an die Reling und spielen die Szene aus dem Kinofilm „Titanic“ nach. „Oh mein Gott, wo bin ich hier gelandet“, denke ich. Zwischen all den Handys und Selfie-Sticks richte ich meine Aufmerksamkeit auf den Berg, an dem wir gerade vorbeifahren und dessen Gipfel aus einem Wolkenloch auftaucht.

    Der Kapitän erzählt etwas über die Geschichte der TSS Ernslaw und gibt ein paar technische Informationen per Lautsprecher durch. Ich habe allerdings das Gefühl, dass das hier kaum jemanden interessiert. Die meisten Touris hier sind viel zu sehr damit beschäftigt, anderen zu beweisen, dass sie hier waren, statt wirklich „HIER“ zu sein.

    Zum Glück ist diese Dampferfahrt heute nicht die einzige Attraktion, die ich gebucht habe. Sie ist eher Mittel zum Zweck, um zur Hauptattraktion zu gelangen: Ein Ausritt mit Pferden in einer kleinen Gruppe. Eine liebe Freundin hatte mir zum Geburtstag einmal eine Reitstunde geschenkt. Das Erlebnis war für mich so prägend und einzigartig, dass es schon lange mein Wunsch war, erneut auf einem Pferd zu sitzen.

    Nach einer halben Stunde erreichen wir das andere Ufer, die Walter Peak High Country Farm. Das Schiff spuckt uns aus seinem Rumpf aufs Festland. Verschiedene Guides stehen mit großen Holztafeln da, auf denen „Farm Tour“, „Horse Trek“ oder „Restaurant“ steht. So warten sie geduldig auf ihre Gäste. Ich komme mir schlecht vor. Zum einen passt mir dieser Massentourismus hier überhaupt nicht, zum anderen bin ich selbst Teil des Problems.

    „Mein“ Guide steht ganz außen rechts, die Massen scheinen ihn nicht zu stören. Er hat rötliches Haar, trägt einen Cowboy-Hut und wirkt sehr entspannt. Er heißt Matt und kommt aus Canada. Wir plaudern kurz und schon nach wenigen Minuten ist unsere kleine Gruppe komplett.

    Wir laufen an Weidezäunen vorbei, hinter denen niedliche Lamas faul auf der Wiese liegen. Dann sehen wir inmitten einer Horde Schafe noch ein schwarzes Schaf und ich frage mich, wie es sich wohl fühlen muss.

    Die Pferde sind bereits vorbereitet und gesattelt und nach einer kurzen Einweisung müssen wir nur noch aufsteigen. Ich bekomme Darge, es ist das größte Pferd von allen. Mithilfe von Matt und der eines Hockers schwinge ich mich in den Sattel. Puh, ist das hoch! Mir kommen Gedanken, wie: „Was ist, wenn ich runterfalle oder Darge sich aufbäumt?“

    Viel Zeit zum Nachdenken bleibt mir nicht, Matt bindet die Pferde los und reitet fröhlich vornweg. Eins nach dem anderen folgt ihm stoisch. Erst noch etwas ängstlich, gewinne ich zunehmend immer mehr Vertrauen und genieße die Verbindung zwischen mir und Darge. In einer Kolonne geht’s die Hügel hinauf und wieder hinunter. Da gibt es schon manchmal Momente, wo ich bete, nicht aus dem Sattel zu rutschen.

    An einer Tränke biegt Summit, das Pferd vor mir, nebst Reiter ab und trinkt. Der Herdentrieb wirkt und mein Pferd, Darge, will ebenfalls trinken. Beide Pferde scheren aus der Reihe. Matt ruft uns zu, wir sollen ihnen sanfte Kicks geben und die Zügel zu uns ranziehen. Das kann ich aber nicht, ich habe Sorge, Darge weh zu tun. Matt steigt ab und führt beide Pferde wieder zurück in die Reihe.

    Die Zeit ist viel zu schnell vorbei und wir sind wieder zurück auf der Koppel. Bei Tee, Kaffee und etwas Gebäck unterhalten wir uns alle noch ganz aufgeregt über unser Reiterlebnis, bevor es mit dem Schiff wieder zurück Richtung Queenstown geht.
    Die gleichen Touristen wie auf der Hinfahrt sind wieder an Bord und stellen die gleiche Filmszene nach. Diesmal stört es mich nicht, denn ich sitze in Gedanken noch auf Darge und reite über die Farm.
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