Ciudad Perdida Tour
January 11, 2023 in Colombia ⋅ 🌧 18 °C
Amigos, Amigos! Das war was!
Wir haben die letzten vier Tage und drei Nächte in der Sierra Nevada Santa Marta verbracht - einer tropischen Bergregion nahe der Küste. Natürlich haben wir das nicht auf eigene Faust gemacht, sondern mit einem Touranbieter („Expo Tur“, all in 330€).
Ziel der Tour ist die ‚Cuidad Perdida‘ - eine wiederentdeckte Stadt indigener Vorfahren, die im tiefsten Dschungel liegt.
TAG 1
Los ging’s am Sonntagmorgen zunächst in das letzte per Auto zu erreichende Dorf. Oben gabs Lunch und das Kennenlernen mit unseren Guides. Unsere Gruppe ist recht groß, 16 Personen glaub ich. Insgesamt starten pro Tag ca 50-100 Leute die Tour mit den verschiedenen Agenturen, und man trifft die anderen Gruppen auch spätestens abends in den Camps. Zurückgelegt werden in den vier Tagen etwa 50km und 1200 Höhenmeter. Zu Fuß ist die einzige Möglichkeit die Cuidad Peridad zu erreichen, was das ganze nochmal attraktiver macht (vor allem nach der Erfahrung im Cocora Valley….was Kolumbianer:innen für ein gutes Foto auf sich nehmen, die würden sich da auch mit nem Heli da hinbringen lassen).
Ich fand unsere Gruppe auf den ersten Blick recht nichts-sagend und war ein bisschen enttäuscht - natürlich hatte ich mir für die nächsten Tage ne coole Crew gewünscht: Der Deutschen-Anteil beträgt gut 50%, was für ne spritzige Gruppendynamik nie ein gutes Zeichen ist. Außerdem sind fast NUR Pärchen unterwegs, wenn ich alleine hier wäre, ich würde die Krise kriegen (krieg ich ja auch so und ich bin Teil davon). Naja, also im ersten Moment hat mich noch niemand vom Hocker gehauen, aber wie das ja oft ist, ergeben sich solche Konstellationen meist mit der Zeit.
Die erste Etappe am Nachmittag hatte es dann auch schon in sich: es ging steil bergauf und da wir hier in sehr feuchten Regionen sind, war es teilweise auch ganz schön schlammig und rutschig. Weil wir auch schon mit dem Van einige Höhenmeter gemacht hatten, war die Aussicht schnell ziemlich spektakulär! Ich hab auf diesem Trip Pflanzen gesehen, denen gehts so gut, dass ich sie auf dem ersten Blick gar nicht erkannt hab: meterhohe Bananenbäume und Monsteras, die ganze Palmen hochgewachsen - da können wir unsere Ikea Pflanzen noch so viel gießen, das wird nix mehr.
Unsre Gruppe ist gut sportlich! Ich würde mich ja als nicht unfit bezeichnen, aber das Tempo, was die vor gelegt haben, war schon sehr flott. Aus diesem Grund waren wir nach weniger als 4 Stunden am ersten Camp für die Nacht. Die Camps sind recht rustikale Anlagen mit Stockbetten, einer Küche und einem Gemeinschaftsareal - bis auf ein Blechdach alles offen. Da hier jeden Tag neue Leute durch geschleust werden, sind die Betten entsprechend müffelig - aber bis auf das, hatte diese Ursprünglichkeit auch eine gewisse Romantik. Also mir hat es gefallen, im Dschungel einzuschlafen und den Tieren und dem Fluss zu zuhören. Unser Schlafrhythmus passt sich auch komplett der Umgebung an: um 19:00 Uhr waren wir im Bett, um um 4:40 Uhr wieder aufzustehen. 👀
TAG 2
Der zweite Tag stand ganz im Zeichen der indigene Bevölkerung Kolumbiens und ihrer Kultur. Einer unserer Guides hat sehr enge Beziehungen zu den „Kogis“, einem der vier indigenen Stämme, die in der Sierra Nevada Santa Marta noch heute leben und da wir einige ihrer Dörfer passiert haben, finde ich es richtig, dass wir vorher aufgeklärt wurden.
Die Kogis leben heute immer noch so wie vor hunderten von Jahren: Ohne Elektrizität, als Selbstversorger (die Schweinchen 🫠) und mit ihren ganz eigenen Traditionen.
Alle Stammesmitglieder:innen (Männer, Frauen, Kinder) tragen ausschließlich weiße Kleidung, haben langes Haar und pflegen eine sehr enge Verbindung zur Natur. Von ihrem nachhaltigen ökologischen Lebensstil können wir uns echt noch einiges abschauen…was das Thema Geschlechtergerechtigkeit angeht, eher weniger. Wir haben am Vormittag einen Stop in einem indigenen Dorf gemacht, wo uns ein Kogi erklärt hat, dass Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr ausschließlich spielen dürfen und mit Eintritt ins 18. Lebensjahr werden die Männer von dem spirituellen Führer ins Erwachsenenalter eingeführt und lernen alles über die Tiere und Pflanzen des Dschungels und wie man sich zu Nutze machen kann; während die Frauen lernen, wie man aus einer Pflanze einen Faden spinnt um daraus Taschen für die Männer zu nähen. Also ja, es ist ziemlich cool aus ner Pflanze eine Tasche zu machen, aber wie viel Taschen kann man brauchen, wenn das der einzige Lebensinhalt ist? Na ja. Außerdem habe ich die Vermutung, dass die Männer Spiritualität sehr stark mit high sein gleichsetzen: sie kauen den ganzen Tag Cocablätter (also die Blätter, aus denen auch Kokain gewonnen wird). Die Wirkung ist zwar eine andere, aber ein bisschen weggetreten sehen die zT schon aus.
Mittags haben wir Pause an einem Camp am Fluss gemacht, wo wir auch schwimmen konnten - so gaaaanz langsam ist sich die Gruppe näher gekommen. Nachmittags ging’s nochmal die exakt gleiche Strecke vom Vormittag weiter und das ganze auch noch steil bergauf - streckenmäßig ist Tag 2 am krassesten. Uns kamen dann auch die ersten Gruppen von Tag 4 entgegen, die sich auf dem Rückweg befunden haben: die sahen so groggy und dreckig aus, ich hab das dumpfe Gefühl, das wird noch doller hier.
Wir waren recht früh im letzten Camp, so gegen halb 4. Die Taktung hier erinnern mich stark an Krankenhaus: um 5:00 Uhr morgens Frühstück, um 11:00 Uhr Mittag und um 17:00 Uhr steht das Abendessen auf dem Tisch.
Das wirklich schöne an dem Tag war, dass wir abends wirklich noch länger in der Gruppe zusammen gesessen und das erste mal richtig gebondet haben. Die Leute hier sind wirklich schwer in Ordnung! Etwas ruhiger und entspannter als manch andere Gruppe, aber das ist nach so einem Tag auch sehr angenehm. Am nettesten ist ein holländisches Pärchen, ein norwegisches Pärchen und eine deutsche Solo Travel, mit denen wir bis tief in die Nacht, aka 8 Uhr abends, noch Karten gespielt haben. Es hat dann auch noch angefangen zu regen, was es unter dem Blechdach noch etwas gemütlicher gemacht hat. Ich werd hier noch zum Outdoor Girl, ich sag’s euch.
TAG 3
Heute war’s endlich soweit: wir sind wieder um 6 Uhr aufgebrochen, um das letzte Stück (ca 1h) zur Cuidad Perdida zu laufen.
Im Reiseführer stand, dass man kurz vorher noch den Fluss durchqueren muss, da es an dieser Stelle keine Brücke gibt. Zu meiner großen Erleichterung haben sich die Verantwortlichen aber was einfallen lassen: über den Fluss war eine Art manuelle Seilbahn gespannt - ein Metallkorb, der an einem Drahtseil aufgehängt ist und der von zwei Guides an den jeweiligen Ufern mit Hilfe von Seilen von der einem auf die andere Seite gezogen wird. Lange Rede kurzer Sinn: genau bevor unsere Gruppe an die Reihe kam, ist das Seil gerissen und die Seilbahn war außer Gefecht gesetzt 👍 Also doch die Hose hochgekrempelt, Schuhe ausgezogen und ab durch den Fluss. Danach waren zumindest alle wach.
Die verlorene Stadt heißt nicht umsonst verloren - um sie zu erreichen, muss man 1200 ‚Stufen‘ rauf. Das sind 1200 Steine, wild aufeinander gestapelt und am besten man schaut nicht nach unten, während man sie hoch steigt. Dass es gestern geregnet hat, war auch nicht sehr hilfreich.
Aber: die nasse Hose, der Aufstieg, das frühe Aufstehen - alles hat sich für den Anblick der Lost City gelohnt (Bild 1)!
Ein ganz kurzer geschichtlicher Abriss vorab, weil ich selbst noch nie davon gehört hatte und man dann die Bedeutung besser versteht: die Lost City war sowas wie die Hauptstadt der indigenen Völker, die diese vor fast 2000 Jahren errichtet haben und hier zu Tausenden gelebt haben, bevor im 16. Jhd. die Spanier kamen und die Indigenen fliehen mussten. So weit, so bekannt, so beschissen. Irgendwann in den 1970ern haben indigene Nachfolger die mittlerweile zugewachsene Stadt wieder entdeckt (eher zufällig) und festgestellt, dass ihre Vorfahren alle Verstorbenen mit Schätzen bestattet haben. Also ging das große Plündern und Grabeäubern los, bis die Regierung eingeschritten ist und es zur Ausgrabung und Restaurierung freigab. Funfact: aufgrund ihrer Expertise sind viele der ehemalige Plünderer heute Guides.
Die Stadt erstreckt sich über vier Ebenen und man sieht noch wirklich viele Grundmauern der damaligen Häuser. Unsere Guides haben uns herumgeführt und viel über die Geschichte erzählt, dann hatten wir etwas free time – wo natürlich erst mal ausgiebig einer weg geshootet wurde. Leider kann ich hier nur zehn Bilder hochladen, sonst hättet ihr mich jetzt in jedem Winkel der Lust City bewundern können.
Tatsächlich lebt heute eine Familie der Kogis hier (vor allem um ein Auge auf das Gebiet zu haben) - und zwar nicht irgendeine, sondern die des spirituellen Führers (ihr erinnert euch: das ist der Typ, der die Jungs mit 18 mit Cocablättern ausstattet).
Er hat für Kolumbiens Geschichte so eine starke Bedeutung, dass ihn jeder der schon mal hier war gesehen hat: sein Bild ist auf jedem 50mil Pesos Schein abgedruckt. Wir durften ihn tatsächlich persönlich treffen, unsere Tour Agency pflegt wie gesagt sehr enge Beziehungen zu den Indigenen (und natürlich bekommen die im Gegenzug Geld), aber ich fand’s total krass. Dieser sehr alte, in weiß gekleidete Mann hat mir total viel Ehrfurcht eingeflößt (Bild 9).
Der Weg zurück war wieder sehr abenteuerlich, die 1200 Steine runter, den Fluss durchquert und dann einen kurzen Stopp im Camp fürs Mittagessen gemacht.
Nachmittags sind wir dann nochmal ein paar Stunden zur dritten und letzten Unterkunft gelaufen - mit der lost City im Rücken hat man doch etwas weniger Spaß am Wandern und wir gehen die Strecke jetzt ja auch zum zweiten Mal. Naja, angekommen sind wir trotzdem und hatten nochmal einen echt netten letzten Abend zusammen. Als dann beim Essen der Strom ausgefallen ist und wir mit Handylicht im Dunkeln beisammen saßen, bin ich dann doch etwas melancholisch geworden, dass es morgen schon vorbei ist…klassisches post-Klassenfahrt-feeling 😔
TAG 4
So, jetzt haben wir‘s (und ihr auch - sorry für den eskalierten Text) bald geschafft!
Der vierte Tag war einfach nur noch Augen zu und durch. Meine Beine wollten gar nicht mehr, wir sind so viel gelaufen wie an keinem anderen Tag (aufmerksame Leser:innen haben schon bemerkt, dass 2 Tage für den Hinweg aber nur 1,5 für den Rückweg eingeplant waren).
Es war alles schlammig und rutschig und natürlich hat es mich an einer besonders glitschigen Stelle hingehauen. Benedikt hat so doll gelacht, dass, als er mir die Hand reichen wollte, um mir aufzuhelfen selber weg gerutscht ist. Das war mein Highlight des Tages. Wir haben das letzte Stück dann beide mit terrakotta-farbigen Hintern zurückgelegt.
Nach 6 Stunden, als ich fast nicht mehr konnte, haben wir mittags endlich das Dorf vom ersten Tag erreicht: wie eine Oase tauchte es vor uns auf und ich war kurz davor den Van zu umarmen.
Wir haben als Gruppe noch zusammen gegessen, barfuß Bier getrunken und waren doch ganz schön stolz auf uns 🥲
Der Abschied war kurz und schmerzlos, da wir alle in unterschiedliche Richtungen kutschiert wurden: für uns ging es nach dem Hike zum Tayrona National Park bzw. einem Hostel da ganz in der Nähe, wo wir uns drei Nächte zum völligen Entspannen gebucht haben. Falls ihr mal mit Expo Tur bucht: dieser Shuttle Service zum nächsten Ort ist inklusive, einfach die großen Backpacks am ersten Tag im Office abgeben und ein Zettel mit dem Zielort dranheften, die bringen die dann mit.
Ich war SO froh nicht nochmal zurück nach Santa Marta zu müssen um dann wieder die gleiche Strecke nach Tayrona zurückzulegen - das hätte und locker 3h gekostet und so waren wir wider erwartend bereits um 15 Uhr in unserer kleinen Oase angekommen - doch dazu morgen mehr!
Ich geh jetzt erstmal duschen.Read more











TravelerSchön, wieder was von euch zu lesen. Wie gefällt es eigentlich dem Benedikt?
Travelerist okay hier!
Traveler"Ich war kurz davor, den Van zu umarmen" - Du schaffst es grandios, das Erlebte zu transportieren! Toll