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  • Day 44

    Amazonas

    February 10, 2023 in Ecuador ⋅ 🌧 27 °C

    Guten Morgen aus Lago Agrio!
    Wir haben unsere Nacht Busfahrt überlebt, auch wenn es knapp war…die durchschnittliche Schlafenszeit betrug 3,5 Stunden und der Frischluftanteil im Bus lag bei 10%. Und das Schlimmste: wir sind hier nur zum umsteigen und müssen noch mal einen Bus für 2,5 Stunden nehmen, bis wir ENDLICH an unserem Ziel sind - der Amazonas! 🦥
    Viele verbinden mit dem Amazonas ja eher Brasilien, aber auch Ecuador besitzt 2% des gesamten Amazonasgebietes in Südamerika, welches knapp 30 % der Landesfläche ausmacht. Für uns war von Anfang an klar, dass das auf unserem Trip nicht fehlen darf. Und für den berühmtesten Fluss der Welt nimmt man auch mal 24 Stunden Anreise Einkauf.

    TAG 1
    Pünktlich am Mittwochmorgen um 11 Uhr sind wir am Treffpunkt, der ‚Cuyabeno Bridge’ angekommen. Auf eigene Faust kann man natürlich nicht einfach in den Amazonas marschieren, wir hatten daher im Vorfeld eine Tour über das Secret Garden Hostel in Quito gebucht (4 Tage, 3 Nächte für 275 $). Es hätte auch die Möglichkeit für einen privaten Shuttle gegeben, aber wir sind lieber mit den Öffis gefahren.
    An der Brücke hat uns wie verabredet unser Guide abgeholt. Am Anfang war die Stimmung noch nicht so bombe, was aber vor allem daran lag, dass wir völlig übermüdet, schmutzig und schwitzend (die Temperatur beträgt plötzlich wieder 27 Grad und es ist sehr schwül!) waren. Unser Guide heißt Cuco und auf den ersten Blick hatte auch er keine große Lust auf uns. Dazu muss man sagen, dass normalerweise mittwochs keine Touren starten, aber als die Tour Agency erfahren hat, dass wir sechs Leute sind, haben sie kurzerhand für uns eine Ausnahme gemacht. Wahrscheinlich haben wir damit seinen freien Tag gecrasht - sorryyyy. 😬
    Nachdem wir uns notdürftig in einem öffentlichen Badezimmer gewaschen und Zähne geputzt hatten, ging es los mit dem Abenteuer: unsere Lodge liegt in der Region „Cuyabeno“, das ist ein geschützter Bereich des Amazonas und bietet für Touristen eine gute Infrastruktur. Wie die meisten Lodges liegt sie irgendwo am Flussufer, das bedeutet, wir mussten mit einem Boot zu unserer Unterkunft fahren. Die Fahrt dauerte 3 Stunden, war aber bereits Teil der experience: Wir haben in diesen ersten Stunden schon so viele coole Tiere gesehen, dass die Müdigkeit schnell vergessen war.
    Cuco hat ein krasses Auge! Es muss nur irgendwo ein Ast knacken und er dirigiert das Boot präzise zu der Stelle, wo dann eine winziger Frosch sitzt oder er zeigt auf eine Baumkrone, die hunderte Meter entfernt ist, wo angeblich ein Faultier sitzt. Ich hab’s wirklich bis zum Ende nicht verstanden, wie er das macht - ich hab die Tiere zum Teil nicht mal gesehen, als er mir ein Fernglas in die Hand gedrückt hat.

    Nachmittags kamen wir in der „Tucan Lodge“ an. Die Unterkunft ist fantastisch, mit sehr viel Liebe zum Detail. Überall kann man in Hängematten oder Netzen entspannen. Alles ist offen gebaut und umgeben von Natur. Und das Staff ist so freundlich, die lesen einem wirklich jeden Wunsch von dem Augen ab (anders konnte ich mir den frisch gepressten Saft nicht erklären, den ich bei Verlassen des Bootes plötzlich in der Hand hatte).

    Wir haben uns zu sechst eine für fünf Personen ausgelegte Hütte auf Stelzen geteilt. Ein bisschen kuschelig wird das in den zwei Betten schon, aber wir kennen uns ja jetzt mittlerweile ein bisschen besser. 🫠
    Vor dem Abendessen stand noch eine Nachtwanderung in den Dschungel an. Kleiner Tipp für eure nächste Nachtwanderung im Amazonas: Seid nicht wie Hannah. Tragt keine weiße Kleidung. Seid wie der Rest der Gruppe. Tragt schwarz. Es sei denn, ihr liebt es von Riesenkakerlaken und Spinnen besprungen zu werden.
    Aber auch abgesehen vom Outfit, ist der Amazonas nachts schon ne Hausnummer: Wir haben mehrere Vogelspinne gesehen, giftige Frösche und riesige Insekten - beziehungsweise, Cuco hat die gesehen und uns gezeigt. Wir hätten alleine gar nichts entdeckt und wären einfach drüber getrampelt.
    Was ich total krass fand: Wir sollten an einem Punkt alle unsere Taschenlampe ausmachen und einfach den Geräuschen lauschen. Es war so dunkel, ich habe noch nie eine solche Schwärze erlebt. Die Augen haben sich einfach nicht an die Finsternis gewöhnt und man hat keine 2 cm weit gucken können. Und dabei war es so laut! Tiere machen einen ganz schönen Krach, wenn die Menschen mal still sind.

    Zurück gab es unser wohlverdientes Abendessen, was nicht nur vegetarisch, sondern auch unfassbar lecker war, dazu ein Glas Rotwein - und wieder einmal konnte meine kleine Reisewelt nicht perfekter sein 🥲

    TAG 2
    Am nächsten Tag ging’s nach dem Frühstück (selbst gebackenes Brot, selbst geernteter Kaffe 😍) wieder in die Gummistiefel und ab in den Dschungel zum wandern. Am Anfang war ich etwas skeptisch, ob ich nicht doch lieber meine Turnschuh anziehen soll, weil man in denen deutlich besser laufen kann - aber spätestens nach der ersten knietiefen Matschpfütze waren die Sneaker vergessen. Wir sind wirklich komplett eingesunken und muss aufpassen, dass uns der Schlamm und das Wasser nicht oben in die Gummistiefel rein läuft.
    So langsam werden wir auch warm mit Cuco. Wie sich herausgestellt hat, ist er selber erst Anfang 30, studierter Biologe und das wichtigste: er lacht über unsere primitive Witze. Und ich kann mich nur wiederholen: er ist einfach ein krasser Guide - was er sieht, KANN man nicht mit bloßem Auge sehen. Ich habe zwischenzeitig vermutet, dass er die Tiere vorher an bestimmten Stellen positioniert, um sie dann zu „entdecken“. Wusstet ihr zB dass es Bäume gibt die wandern? Und dass es kannibalische Affen gibt? Oder pinke Delfine? Ich auch nicht. Die Natur ist einfach verrückt; ich würde auf jeden Fall keine zwei Tage im Dschungel überleben - traurig.

    Zurück in unserem Habitat, der nicht menschenfeindlichen Lodge, haben wir mittags etwas chillen und nappen können. Am späten Nachmittag hat Cuco uns wieder aufgescheucht, diesmal aufs Wasser zu einer Kanutour.
    Vorteil vom Kanu im Vergleich zum Motorboot von gestern ist, dass man noch mal mehr Tiere sieht, da sie der Lärm nicht verschreckt. Nachteil ist die Anstrengung in den Armen. Gefühlt sind wir echt Reisegruppe „lass mal chillen“ und flussaufwärts wurde ganz schön gestöhnt. Aber auch dieser Ausflug hat sich wieder voll gelohnt: wunderschöne Ausblicke, viele Tiere - und Stille. Der Amazonas, so lebendig er ist, hat auch eine wahnsinnig beruhigende Wirkung.

    TAG 3
    Der letzte Tag hatte es Programm-mäßig nochmal in sich! Wir haben eine Bootstour zum Sonnenaufgang, einen Besuch in einem indigenen Dorf, eine Dschungel-Wanderung, einen Kaffe- und Schokoladen Workshop und ein Ausflug zum See in 14 Stunden gequetscht!

    Aber der Reihe nach:
    Um 6 Uhr morgens, noch vor dem Frühstück, sind wir mit dem Boot zu einer Birdwatching Tour aufgebrochen. Direkt nach Sonnenaufgang sind viele Vögel am aktivsten. Wir waren es leider nicht und konnten Cucos Entdeckungen ausnahmsweise nicht ausreichend würdigen. Evtl bin ich auf meinem Sitz auch ein, zwei mal eingenickt.

    Nach zwei Kaffe zum Frühstück ging’s dann wieder etwas besser und wir haben uns zu einem Dorf der „Sioner“ aufgemacht. Ja, auch im Amazonas leben Menschen. Total absurd, die nächste größere Stadt ist einfach fünf Stunden entfernt - ich hoffe einfach, dass sich so etwas wie medizinische Notfälle in Grenzen halten.
    In dem Dorf leben ca. 150 Menschen in sehr einfachen Verhältnissen. Wir haben erfahren, dass auch die Besitzer der Tucan Lodge aus diesem Ort kommen, was ich total schön finde!
    In einer Hütte, die wohl als sowas wie die Dorfküche dient, hat uns eine Frau empfangen und wir konnten und erstmal etwas aufwärmen und trocken. Leider ist es heute zum ersten Mal seit wir hier sind richtig regnerisch - und Regen im Amazonas bedeutet fast immer Sinnflut.
    Dann sind wir auf eines der umliegenden Felder gegangen, wo wir selbst Yuka ernten durften. Das ist eine Kartoffel-ähnliche Wurzel, die hier für alles verwendet wird: Yuka-Brot, Yuka-Suppe, Yuka-Pommes, Yuka-Chips…Yuka ist der Mais Ecuadors!
    Aus dieser Wurzel haben wir Mehl hergestellt und draus große Fladen gebacken, die wir als Beilage zum Mittagessen verspeist haben.
    Im Anschluss haben wir noch den Schamanen des Dorfes besucht. Ich hatte mir vorgestellt, dass uns ein in weiß gekleideter alter Mann empfängt, der uns fragt, mit wem wir aus dem Jenseits Kontakt aufnehmen wollen. Aber der Schamane war ein sehr fröhlicher bunt gekleideter Mann mit grünen Federn auf dem Kopf. Im Stuhlkreis sitzend hat er uns die verschiedenen Arznei- und Heilmittel gegen alle möglichen körperlichen Beschwerden erklärt. Dabei handelte es sich ausschließlich um sehr starken Schnaps, in dem wahlweise Insekten oder Kräuter eingelegt sind. Das hilft übrigens nachweislich auch gegen Corona - keiner der Dorfbewohner:innen ist daran erkrankt (dass das Virus sich einfach nicht bis hierher verbreitet hat, ignorieren wir an diesem Punkt mal). Selbstverständlich durften wir alles probieren und ich sag mal so: kein Wunder, dass die Leute nach 4 Shots keine Schmerzen mehr haben.
    Wenn man Verspannungen im Nacken hat, hilft es auch, sich vom Schamanen mit einem Dornenbusch auspeitschen zu lassen - das wurde uns direkt anhand von Viktor demonstriert, war wohl ganz schön schmerzhaft. Zum Abschluss gab es noch ein kleines spirituelles Ritual, in dem der Schamane durch Gesang und ausladende Bewegungen festgestellt hat, dass Caro bei bester Gesundheit ist. Gott sei dank!
    Insgesamt war es sehr unterhaltsam und so sehr man die Methoden auch belächeln kann, bin ich mir ganz sicher, dass sie wirken - nicht zuletzt weil die Leute seit Hunderten von Jahren an die Wirkung durch Kraft der Natur glauben und das finde ich mehr als nachvollziehbar.

    Wieder zurück in der Lodge hatten wir gerade mal eine Stunde Pause, bevor wir uns an einer Feuerstelle getroffen haben, wo wir selbst Schokolade und Kaffee hergestellt haben. Ich bin ja seit Filandia Profi was den Prozess angeht und hab mich eher aufs Probieren fokussiert. Am nächsten Morgen war ich dann aber schon stolz, als es zum Frühstück unseres selbstgemachtes Nutella gab 🥹

    Und weil das alles noch nicht genug Action war, ging’s kurz vor Sonnenuntergang nochmal aufs Boot und zu einer Lagune, wo man ausnahmsweise auch schwimmen kann (im Fluss selbst schrecken mich die 3 Meter langen elektrischen Aale doch etwas ab). Dieser kleine Ausflug war auf jeden Fall der krönende Abschluss der drei Tage! In atemberaubender Umgebung im Amazonas zu schwimmen, während die Sonne spektakulär untergeht kommt auf jeden Fall auf meine Highlight Liste!
    Abgelöst wurde die Sonne von einem gigantischen Sternenhimmel und einer Bootsfahrt im Dunklen, wo wir Alligatoren und Schlangen gesehen haben. Cuco setzt einfach immer noch einen drauf!

    Wir lagen nach dem Abendessen noch länger in den Netzen in der Lodge und haben Sterne geguckt. Ein perfekter Anschluss für einen perfekten Trip! (Nur jetzt nicht an die morgige Rückfahrt denken 🙈)

    ***
    Zum Abschluss noch einmal unsere Check Liste von coolen Tieren, die wir gesehen haben
    ✔️Ganz viele Affen
    ✔️3 verschiedene Arten Schlangen
    ✔️Giftige und ungiftige Frösche
    ✔️Kalmane (das sind kleine Alligatoren)
    ✔️Ein Flussdelfin mit einem Flussdelfinbaby
    ✔️Ein Tier, dessen Namen ich nicht kenne, das so etwas wie eine große Wasserratte war
    ✔️Ein Wildschwein
    ✔️Vogelspinnen
    ✔️Ein, Dreifinger-Faultier
    ✔️Sehr viele Insekten
    ❌Das einzige, was mir noch gefehlt hätte, wäre ein Jaguar - aber den sieht ein erfahrener Guide im Schnitt alle 10 Jahre.
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