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  • Day 82

    El Tunco

    March 20, 2023 in El Salvador ⋅ ⛅ 30 °C

    Am Montag (oder soll ich besser sagen Sonntagnacht?) hat unser Wecker um 2 Uhr geklingelt und wir haben uns mit unserem Gepäck aus dem Dorm geschlichen.
    Unser Shuttle sollte uns um halb 3 abholen und so haben wir uns vor der Eingangstür positioniert, jederzeit ready to go. Und dann ist leider, wie könnte es anders sein, lange nichts passiert. Um viertel vor 3 kam ein betrunkener Gast nach Hause, den der Wachmann reingelassen hat. Ich war die ganze Zeit über in einem unangenehmen Delirium zwischen Tiefschlaf und voller Aufmerksamkeit, das ist wirklich keine Uhrzeit zum Wachsein!
    Um 3 Uhr kam endlich ein Shuttle und wir waren so erleichtert…aber dann hat er drei andere Gäste eingesammelt, die auch gewartet haben. Erst um halb vier kam wieder jemand und hat endlich nach „Hannah and Benedikt“ gefragt. Wir hätten fast eine Stunde länger schlafen können! 😭
    Beim Einsteigen in den Shuttle dann das komplett aberwitzige: In dem Van saßen genau die 3 Personen, die eine halbe Stunde vor uns abgeholt wurde - hä? Der Shuttle hat wohl zu spät bemerkt, dass noch weitere Leute auf der Liste stehen und hat nochmal umgedreht, da haben wir ja fast Glück gehabt. Einziger Vorteil davon, dass wir die letzten waren: Wir hatten die Rückbank, die eigentlich für vier Personen ausgelegt ist für uns alleine und konnten so einigermaßen bequem weiter schlafen.

    Jetzt aber vielleicht nochmal kurz zwei Schritte zurück. Warum sind wir eigentlich in diesem Shuttle? Wo fährt er hin? Und warum mitten in der Nacht? Also: Wir haben uns entschieden, unseren Weg nach Cancun nicht vollständig per Bus zurückzulegen, das hätte uns mehrere Tage und alle Nerven gekostet. Außerdem fanden wir den Gedanken, ein paar Tage karibische Traumstände in Mexiko zu haben auch ganz reizvoll, sodass wir uns nach Cancun nochmal einen Flug gebucht haben. Durch die Instabilität in Nicaragua, die sich auch auf die Infrastruktur auswirkt, ist es leider kaum möglich von Managua vernünftige Flüge zu bekommen - also blieb uns als logischer next Stop und Abflugsort nur Honduras oder El Salvador übrig. Wir haben lange diskutiert, welches Land uns mehr reizt, aber da wir wirklich nicht mehr viel Zeit haben, haben wir uns für die kürzere Strecke nach El Salvador entschieden - und von hier geht am Donnerstag ein günstiger Flieger nach Cancun.
    Ein weiterer Vorteil von El Salvador ist, dass es so winzig ist, dass es sich schon ab ein paar Tagen Aufenthalt lohnt. Und es ist super unterschätzt, entsprechend unberührt und - günstig! Aus diesen Gründen haben wir einen Shuttle an den grenznahen Küstenort „El Tunco“ gebucht (Fahrtdauer ca. 12 Stunden, Kosten 45$).
    Der Grund, warum wir nachts losgefahren sind, ist ein bisschen traurig: Die Strecke nach El Salvador von Nicaragua führt für eine Weile durch Honduras (die sich ein paar Kilometer pazifische Küste ergattert haben). Dieser kurze Abschnitt zwischen den beiden Ländern gehört zu den gefährlichen Grenzregionen der Welt! Regelmäßig wurden hier in der Vergangenheit Busse mit Tourist:innen gestoppt und ausgeraubt. Und da man im Hellen in El Tunco ankommen und nicht in der Dunkelheit durch Honduras fahren sollte, blieb den Anbietern irgendwann nichts anderes übrig, als nachts in Nicaragua loszufahren, um pünktlich zu Sonnenaufgang in Honduras und vor Sonnenuntergang in El Salvador zu sein. Und das vorweg zur Beruhigung: Uns ist nichts passiert auf der Strecke! Ich fand die beiden Grenzübergänge sogar deutlich angenehmer als der Übertritt nach Nicaragua. Es empfiehlt sich hier wirklich mit einem professionellen Anbieter zu fahren, auf eigene Faust stell ich mir das nahezu unmöglich vor.

    Die Fahrt war zwar lang und wir mussten alle zwei Stunden aus dem Van aus und wieder einsteigen, weil irgendjemand irgendetwas von uns sehen wollte, aber insgesamt hat es doch sehr gut geklappt und Montag, um 15 Uhr nachmittags sind wir in El Tunco angekommen.
    Wir hatten uns im Vorfeld ein unspektakuläres Hostel „Papaya Lodge“ (DZ 50€/Nacht) für eine Nacht gebucht. Der erste Ort, wo wir unfreiwillig nur eine Nacht bleiben, weil es einfach unverhältnismäßig teuer ist (absolut die Ausnahme im sonst sehr günstigen El Salvador!).
    Wir sind natürlich direkt zum Strand, Benedikt mit einem geliehenen Surfbrett unterm Arm, um die Wellen nochmal auszunutzen. Ich hab ihm vom Strand aus zugesehen und fand‘s total verrückt, dass ich jetzt in El Salvador bin - damit hätte ich in hundert Jahren nicht gerechnet, als wir vor zweieinhalb Monaten aufgebrochen sind.
    El Tunco selbst ist zwar ein nettes kleines Örtchen mit einer größeren Surf-Community, aber in Vergleich zu Popoyo oder Montanita kann es nicht mithalten. Wir haben uns deswegen am Abend noch entschieden, morgen weiter zu reisen und in den beiden verbleibenden Tage noch etwas mehr vom Inland El Salvadors zu sehen.
    Das Beste für mich an El Tunco waren die „Popusas“ in einem der vielen süßen Restaurants, die wir abends gegessen haben. Popusas sind das Nationalgericht von El Salvador: kleine gegrillte Maisfladen, die mit allem möglichen gefüllt sind und zusammen mit den selbstgemachte Soßen und Krautsalat super lecker ungesund sind.🤤
    Benedikt war natürlich mehr als happy, nochmal auf dem Brett stehen zu können. Er hat sich am nächsten Morgen direkt nochmal eine early-bird-Surflesson gebucht, während ich die Strapazen der Busfahrt ausgeschlafen hab. Aufgabenteilung wird in unserer Beziehung groß geschrieben!

    Über El Salvador als Land wussten wir beide so gut wie gar nichts, außer, dass hier vor kurzen das größte Gefängnis der Welt gebaut wurde und sämtliche Kriminelle von einem Tag auf den anderen von den Straßen verschwunden sind. Als Europäerin ein etwas beängstigender Gedanke, aber die Einheimischen freuen sich darüber sehr. Und wir konnten uns wirklich absolut unbedenklich auf den Straßen bewegen.
    Um der Unwissenheit etwas entgegenzuwirken, haben wir am ersten Abend viel gegoogelt und noch ein paar sehr spannende Dinge herausgefunden:
    - El Salvador ist etwa so groß wie Hessen und hat ca. 7 Millionen Einwohner:innen.
    - El Salvador ist, im Vergleich zu Nicaragua, wirtschaftlich ein USA-nahes Land. El Salvador hat neben dem Dollar als offizielle Währung den Bitcoin eingeführt.
    - Der Präsident ist parteilos und gehört weder dem extrem rechten noch den extrem linken Spektrum an. Außerdem ist er mit seinen 42 Jahren einer der jüngsten Regierungsvorsitzenden aller Zeiten.
    - El Salvador hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze der Welt - selbst Eileiterschwangerschaften und Fehlgeburten gelten als Gewaltverbrechen und werden mit bis zu 30 Jahren Haft bestraft.
    Wieder was gelernt! 🤓
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