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  • Day 28

    Tag 26: Von Wolkenburg nach Gera

    May 5, 2022 in Germany ⋅ ☁️ 18 °C

    Ich hätte nie gedacht, dass ich willenlos einem Mann in den Wald folge....Ach, überhaupt, heute ist ein Tag der besonderen Männer.
    Beim Frühstück (das mich mit dem Silberbergwerk versöhnt) lerne ich den mehrfachen Weltmeister der Rettungshunde (seiner ist ein belgischer Schäferhund) kennen. Heute sei sein letzter Trainingstag für die kommende WM in Rumänien. Aber nicht nur Weltmeister sei er, er sei auch in der ganzen Welt als Ausbilder und Prüfer gefragt. In China sei er gewesen, in der Ukraine, in Skandinavien, Südamerika...und auch in Mexiko. Dort habe einen Hundefreund, der seine sehr erfolgreichen Geschäfte an der Grenze zu den USA mit Mineralöl mache. Ein riesiges Anwesen habe er, alles purer Luxus. Im Garten leben Giraffen, Elefanten, Löwen....Nein, nein, der Besitzer sei kein Neffe von Pablo Escobar....ganz ehrliches Geld....
    Die Wolken der Regennacht sind verzogen und ich starte mit erstaunlich gut erholten Beinen in Richtung Gera. Kaum bin ich ein paar Meter gefahren, überholt mich sehr zügig eine ältere Frau, stoppt und ich habe für die nächsten Kilometer eine sehr nette Begleitung. "Schade", meint sie, "dass wir uns nicht gestern begegnet sind. Ein Sofa hätten wir auf jeden Fall gehabt. Wäre bestimmt ein toller Abend geworden."
    Weiter geht's durch eine nun wieder schöne, leicht hügelige Landschaft immer an der Mulde entlang. Überall duftet es nach blühenden Obstbäumen, Wiesenblumen und Raps. So gelange ich wieder einmal in eine Auenlandschaft, in der ich fasziniert anhalte. Es ist soooo schön, das helle Frühlingsgrün der Bäume und Gräser, der Kuckuck, der ruft, die Sonne, die ihren Weg in den Laubwald findet. "Ich weiß, wo ein Waldkauz zu sehen ist", höre ich da eine Stimme. Hinter mir steht ein Mann mit seinem uralten Fahrrad. Auf dem Kopf eine Kappe, die schon seinem Urgroßvater gehört haben könnte, und im Korb einen geöffneten Klappspaten. Auf dem Weg zum Kauz zeigt er mir einen Silberreiher, Schwäne, das blaublühende altlantische Hasenglöckchen und erzählt mir über die Überschwemmungen der Mulde im Katastrophenjahr 2002. Immer weiter geht es in den Wald und dann plötzlich: "Da ist er!" Ich brauche schon ein wenig, um ihn in den Baumwipfeln zu finden, aber um so faszinierter bin ich, als ich ihn entdecke. Was für ein Geschenk wird mir gemacht!
    Eine fantastisch blühende japanische Zierkirsche müsse er mir auch noch zeigen...Ein letztes Foto, ein herzliches Dankeschön und es trennen sich unsere Wege.
    Mich führt meiner nach Glauchau. Eine ehemals bestimmt sehr sehr schöne, jetzt aber "sterbende" Stadt. Überall Leerstand und Zerfall, eine seltsame Stimmung dort.
    Immer weiter durch das so schöne Vogtland gelange ich nach Meerane. Was für ein Gegensatz zu Glauchau, alles liebevoll gepflegt, wunderbare Villen, herrliche Gärten. Und ein Thüringer Bratwurstand auf dem Fahrrad. Wie lecker! Der Bratwurstmann erzählt mir, dass er sich eigentlich in den 60er Jahren auch habe "wegmachen" wollen, aber seine Frau nicht. Also sei er geblieben und habe sich arrangiert. Wär dann auch soweit okay gewesen. Als er dann von seinen Radreisen mit dem "Dreigang-Rad" nach Rumänien, Ungarn, in die Tschechoslowakei berichtet, glänzen plötzlich seine Augen und er wirkt glücklich.
    Und dann treffe ich Frank. Ich fotografiere gerade seinen so schönen Schwibbogen auf der Garage, als er dahinter hervorkommt. Erst überm Zaun und dann in seinem Garten bei ner Flasche Bier erzählt er von seinem Leben. 76 sei er jetzt, sei früher Radrennen gefahren und später Bauingenieur geworden. In den letzten Jahren habe er so manches wegstecken müssen, fast wäre er daran zerbrochen. Aber das sei Vergangenheit, ihm gehe es so was von gut. Er habe so viele Hobbys, fahre immer noch Fahrrad (jetzt mit E und Komoot), töpfere, schnitze und hätte ganz viel Spaß an Menschen. Während er so erzählt, verliebe ich mich in seine Augen. Sie sprühen vor Wärme, Energie und Lebensfreude, einfach toll. Zum Abschied zeigt er mir seine selbstgebaute Weihnachtspyramide und ich habe das Gefühl, einem ganz besonderen Menschen begegnet zu sein.
    Weiter geht es im Örtchen Ponitz am Schloss von Wolfgang Conrad von Thumbshirn (Mitbegründer des Westfälischen Friedens) vorbei, ich passiere die Burg Posterstein und die Ronneburg (in der Hans Fallada eine Zeit lang lebte und dichtete) und komme voll erfüllt mit den Begegnungen des heutigen Tages in Gera an.
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