• Susanne Kühne
  • Susanne Kühne

Von Flensburg zur Zugspitze

Mit dem Bike Baca lagi
  • Permulaan perjalanan
    8 April 2022
  • Die Route steht

    9 Februari 2022, Jerman ⋅ ⛅ 8 °C

    So, meine Route steht😅. Jetzt werd ich echt unruhig, dass es endlich losgeht.

  • Zelt in unsrem Garten

    26 Mac 2022, Jerman ⋅ ☀️ 15 °C

    So, heute hab ich bei herrlich stem Sonnenschein mein Zelt in unsrem Garten zum ersten Mal aufgestellt. Ging echt super😊. Fast genauso lange hab ich dann für den Stuhl gebraucht 🙈Jetzt muss nur noch das Wetter so bleiben🏕️🌅🌞und es kann so rund um den 9. April endlich losgehen🚲😅Baca lagi

  • Bike mal zur Probe beladen

    4 April 2022, Jerman ⋅ 🌧 5 °C

    So, es wird jetzt echt Ernst. Am Freitag bringt Helmut mich nach Flensburg 😀 und nach einem Tag Sightseeing wird am Sonntag, den 10.April, endlich gestartet 🚲🚵, egal ob's 🌨️🌧️🌪️❄️☃️, es wird schon 😄.
    Heut hab ich zum ersten Mal alles gewogen (22 Kilo), das Rad beladen und bin mal probegeradelt. Also, die erste dicke Windböe war schon heftig🙈
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  • Flensburg, da bin ich😄

    9 April 2022, Jerman ⋅ 🌬 7 °C

    Nur noch wenige Stunden bis es losgeht - bis mein großer Traum endlich gelebt wird! Ich bin so wahnsinnig aufgeregt. Eine Radreise ganz allein von Flensburg bis zur Zugspitze, kreuz und quer durch Deutschland. Werde ich sie schaffen? Werde ich sie genießen? Wird alles gut gehen? Tausende Gedanken schießen mir durch den Kopf...., so auch, ob ich im wahrsten Sinne des Wortes ein bisschen "ver-rückt" bin. Ist das wirklich der richtige Einstieg in den dritten (und auch letzten) Lebensabschnitt, ins "Rentnerinnen-Dasein" (hört sich auf jeden Fall verdammt komisch an)?. Aber egal, ich freu mich einfach nur riesig auf all das, was ich sehen und erleben werde.
    Und der Einstieg in die Reise wird auf jeden Fall wunderschön sein, denn Helmut und ich werden die ersten Kilometer gemeinsam radeln. So sitzen wir am heutigen Abend in unserem Womo in Flensburg und planen den morgigen Tag. Verdammt kalt und windig ist es hier, so um die null Grad... Da erscheint es regelrecht beruhigend, dass wir morgen früh bei angeblich 2 Grad plus aus den Federn kriechen werden. Auch der Nordwestwind mit Orkanböen soll nur noch max. 6 - 7 Windstärken haben, also alles prima😜.

    Das kalte und ungemütliche Wetter hat uns heute nachmittag aber nicht davon abgehalten, die süße kleine Stadt Flensburg zu entdecken. Es ist schon verdammt lange her, dass ich hier war und so entdecke ich die Stadt noch einmal neu. Die vielen kleinen Gassen, die wunderschönen Backsteinhäuser, der historische Hafen mit den kleinen und großen Schiffen und die ach so wunderschönen kleinen Gasthäuser und Kneipen. So genießen wir so manch kühles "Flens", knusprig gebratenen so wunderbar frischen Fisch und immer wieder die herrlich kühle und salzig riechende Meerluft.
    Dänisch scheint hier im hohen Norden genauso viel gesprochen zu werden wie deutsch. Überall hören wir die für die unsere Ohren etwas lustig anzuhörende Sprache. So wundert es uns nicht, dass wir in Flensburg auf einen rein dänischen Stadtteil stoßen. Kaum ein deutsches Wort in den Geschäften und an Plakaten und Werbetafeln. Sicherlich ein Zeugnis der wechselvollen Geschichte der Stadt.
    Nur das mit den Schuhen, die auf Leinen gehängt quer über die Straße gespannt sind, kommt uns schon sehr seltsam vor. Zum Glück lernen wir Inken kennen, die uns gerne aufklärt. So sei es schon eine lange Tradition, dass die jungen Leute, wenn sie die Stadt zur Ausbildung, zum Studium oder auch dauerhaft verlassen, ein paar Schuhe über die über die Straße gespannten Leinen werfen. Ein letzter Gruß an ihre Stadt... und vielleicht auch mit Gedanken an die Worte des Flensburger Heimatdichter Matthias Claudius: "Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. Drum nähme ich den Stock und Hut und tät das Reisen wählen."
    Diesen Gedanken schließe ich mich morgen einfach mal an....
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  • 1. Tag: Von Flensburg nach Kappeln

    10 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 6 °C

    Was für eine Überraschung und ein Schreck heute morgen! Schnee!! Wir stehen mit unserem Wohnmobil auf einem etwas in die Jahre gekommenen Campingplatz in Flensburg. Als ich nach einer fast schlaflosen Nacht (ich bin einfach total aufgeregt, dass es nun wirklich losgehen soll) aus dem Fenster blicke, werden meine Augen groß. Unsre Räder liegen vom nächtlichen Sturm umgeworfen in der Hecke und sind sanft eingeschneit. Aber immerhin, die Sonne scheint! Doch es ist verdammt kalt! Gerade mal zwei Grad zeigt das Thermometer um 8 Uhr. Und im Laufe des Tages wird es auch nicht wirklich besser. Wenn mal die Sonne scheint, ist es fast angenehm, aber immer wieder regnet, hagelt und schneit es.
    Irgendwie bin ich schon ziemlich froh, dass ich meine Merino-Wäsche anhabe.
    Das hört sich jetzt ziemlich gruselig an, aber so ist es überhaupt nicht.
    Wir haben einen wunderschönen Tag mit heftigem Wind, der zum Glück fast immer nur von hinten kommt.
    Von Flensburg (zu der Stadt fallen mir übrigens "die Punkte" und Beate Uhse ein, die hier den ersten Sexshop weltweit eröffnet haben soll) fahren wir nach Glückstadt, wo wir das wunderschöne Schloss bewundern. Weiter geht es an der Küste entlang bis zu einer alten Schöpfmühle (das war wohl eine Entwässerungsmühle) in Höhe der Geltinger Bucht. Ist schon faszinierend, dass sie dem rauen Wetter so viele Jahre erfolgreich getrotzt hat. Dort bläst uns der Sturm dann auch fast um und der Regen peitscht uns schon heftig ins Gesicht. Fasziniert beobachte ich die Seevögel, denen das Wetter überhaupt nichts auszumachen scheint.
    Von dort ist es dann nicht mehr weit bis nach Kappeln, einer süßen kleinen Stadt an der Schleimündung, dem Ende der heutigen Etappe..
    Wir erleben auf unserer Fahrt einen sehr abwechslungsreichen Mix aus unterschiedlichsten Landschaften. So fahren wir durch fast unbesiedelte landwirtschaftliche Regionen mit den für Schleswig-Holstein so typischen "Knicks" (das sind Begrenzungen zwischen den einzelnen Feldern) und durch winzige Dörfer mit primär reetgedeckten Häusern. Auf der einen Seite wirkt diese Gegend sehr schön und fast romantisch auf mich. Aber dort wohnen??? Kilometerweit von jedem größeren Städtchen entfernt?...
    Auch stellen wir überrascht fest, dass der Ostseeküstenradweg, den wir für unsere Tour gewählt haben, keinesfalls immer direkt am Meer entlang läuft. Immer wieder werden wir in das hügelige Hinterland geführt und müssen so manchen Anstieg bewältigen. Auch wenn ich minimalistisch gepackt habe, so merke ich die Kilos schon, die ich da den Berg raufzutrampeln habe. Ich hoffe, dass das mit der Zeit echt leichter wird!
    Die Blicke auf die Ostsee sind fantastisch! Rau, tiefdunkelblau und stürmisch zeigt sie sich. Es hat so etwas wunderbares, sich als etwas ganz Kleines in der Natur zu fühlen.
    Morgen wollen wir dann weiter nach Kiel bei, so heißt es momentan zumindest, sonnigem trockenen Wetter! Wär doch echt schön.
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  • Tag 2: Von Kappeln nach Kiel

    11 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 6 °C

    Ganz ganz lieben Dank für die vielen guten Reisewünsche. Wie gerne nehme ich sie mit auf die Reise!
    Heute war es zwar immer noch verdammt kalt, so maximal 8 Grad, aber dafür hatten wir den ganzen Tag Sonne. Das machte das Radeln dann doch noch mal viel genussvoller.
    Nach einem ausgiebigen Frühstück im Kappelner Hafen fahren wir über das schöne Ostseebad Schönhagen durch das Naturschutzgebiet Schwansener See nach Damp. Die ganze Zeit werden wir mit einer fantastischen Sicht über die heute völlig ruhige Ostsee belohnt. Die Sonne, die sich im Wasser spiegelt, in der Ferne die Frachtcontainer und vermutlich auch Fähren und die vielen vielen Vögel... in mir entsteht ein totales Gefühl von Freiheit und Glück. Das wird auch kaum von den hässlichen Betonkomplexen in Damp gestört. Von dort führt der Weg ins Küstenhinterland, durch schier endlose Felder und Wiesen, bis nach Eckernförde. Nur vereinzelt durchfahren wir kleine Ortschaften, dann meist mit großen, scheinbar sehr wohlhabenden Bauernhöfen oder wunderschönen Gutshäusern. Was für ein Unterschied zum Flensburger Bereich! Dort wirkte vieles ein wenig heruntergekommen, vielleicht sogar ärmlich.
    Auch die Natur verändert sich während der Fahrt doch erheblich. So wird sie plötzlich grün und blühend. Was so ein paar Kilometer doch ausmachen!
    In Eckernförde brauche ich dann dringend eine Rast und meine Gesäßcreme kommt nun auch zum Einsatz. So am Anfang der Radsaison habe ich einfach zu wenig im Sattel gesessen...
    Egal, das wird schon! So genieße ich auch den weiteren Weg über das Schwedeneck und den Eingang in die Kieler Förde bei Strande bis nach Kiel zu meiner Freundin Katja und ihrem Ulf. Was werden wir herzlich aufgenommen und köstlich bewirtet!
    Katja wird mich dann auch die nächsten drei Tage begleiten, während Helmut zurück nach Dortmund fahren wird. Erst Ostern werden wir uns dann noch einmal kurz wiedersehen.
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  • Tag 3: Von Kiel nach Blank-Eck

    12 April 2022, Jerman ⋅ ☁️ 7 °C

    Jetzt liegen Katja und ich tatsächlich im Zelt an der Steilküste kurz vor Heiligenhafen. Hin und her haben wir überlegt, ob wir es tatsächlich wagen sollen, bei 7 Grad draußen zu schlafen. Aber das Wetter war heute so wunderschön und unser Abenteuergeist so groß, dass es einfach sein musste. So steht das Zelt windgeschützt zwischen ner Hecke und nem kleinen Holzhäuschen und wir harren der Dinge, die da so kommen.
    Apropos windgeschützt, davon haben wir echt den ganzen Tag nix gehabt. Über 70 Kilometer durchgehend Gegenwind🙄... aber auch das haben wir geschafft! Und es war wieder total schön. Die erste Überraschung kurz vor unserer Abfahrt. Mein so lieber Kieler Arbeitskollege Toni steht vor der Tür. "Tschüß" möchte er sagen und uns ne gute Fahrt wünschen. Was für eine liebe Geste! Und vor lauter Freude wird kein gemeinsames Foto geschossen...sehr schade.
    Von Kiel setzen wir von der Abfahrtsstelle Friedrichsort mit der Fähre nach Laboe über. Vorbei geht es am U Boot 995 und dem Marineehrenmal bis nach Kalifornien😉. Ein Küstenabschnitt, an dem man sich wie in Dänemark, in den Dünenlandschaften fühlt. Dann ändert sich die die Landschaft wieder, erst riesige Felder, dann wieder Waldstriche und kaum Ortschaften. Plötzlich ein riesiger See mit Verbindung zur Ostsee - der "Große Binnensee". Haben wir beide noch nie was von gehört.
    Kurze Zeit später sind wir schon in Hohwacht, wo erstmal Pause gemacht wird. So ein Fischbrötchen mit megafrischem Fisch schmeckt schon fantastisch!
    Unser nächstes Ziel ist Oldenburg, eigentlich der Ort, an dem wir für heute bleiben wollen. Aber - kein Campingplatz. Also noch mal 13 km weiter. Lust habe wir nicht und erst Recht nicht unsre Hintern.. Aber dann werden wir mit einem fantastischen Blick auf die Steilküste belohnt. Es sollte so sein! Und ich werde noch viel mehr belohnt! Ich werde von Katja mit einem fantastischen Spaghetti con Pesto (natürlich selbst gemacht) bekocht. Was kann schöner sein 😊
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  • Tag 4: Von Blank-Eck nach Burg / Fehmarn

    13 April 2022, Jerman ⋅ ☁️ 13 °C

    Was für eine Nacht! Was für eine bescheuerte Idee bei diesen Temperaturen im Zelt zu schlafen! Und dabei waren wir beim Schlafengehen noch so optimistisch und lachend in unsere Schlafsäcke gekrochen. Mein angeblich bis 5 Grad warmer Schlafsack würde mir ja eine kuschelige Nacht bescheren (und zur Sicherheit habe ich ja auch noch die Thermounterwäsche und mein Merino-Longsleeve an) .
    Haben wir überhaupt geschlafen? Schon nach ner halben Stunde die erste, kurz danach die zweite warme Jacke. Dann die warme Radhose, alle Socken, die ich dabei habe, und gegen Morgen auch noch die Handschuhe....Katja geht es trotz Ganzkörperwollanzug, den sie beim Moped-Fahren nutzt, nicht wirklich anders. Immer wieder schnattern wir uns vor Kälte gegenseitig wach, dabei uns manchmal auch ob unserer Naivität angrinsend. Als dann endlich die Sonne aufgeht und voller Güte tatsächlich auf unser Zelt strahlt, genießen wir erstmal die aufkommende Wärme. So schnell bekommt uns keiner aus dem Zelt! So quatschen wir uns fest und unser Plan, früh in den Tag zu starten, wird gerne vergessen. Ist aber auch kein Problem, denn noch so eine Nacht..., ne, auf keinen Fall. Ein Hotel wird es sein! So wird es dann richitg spät mit unserer Abfahrt (auch das mit dem Zeltabbau muss noch geübt werden...).
    Schnell noch eine Unterkunft auf Fehmarn gebucht und dann kann es losgehen- denkste! Osterferien! Alles ist ausgebucht oder unbezahlbar. So verrinnt die Zeit, aber dann sind wir doch noch Glückskinder. In der Nähe von Burg/Fehmarn finden wir ein schnuckeliges kleines Hotel. Gebucht und los geht's.
    High-Noon! Wir kommen in Heiligenhafen an und das Glockenspiel am Rathaus begrüßt uns herzlich mit einem Seemanslied. Schnell noch die Fahrräder abgestellt, um beim nächsten Bäcker endlich zu frühstücken. Unser Bärenhunger lässt uns schnell etwas finden und so wird bereits um 12:08 Uhr unsere Bestellung aufgegeben. - Aber - "Es ist nach 12, es gibt kein Frühstück mehr!!.... ach, und Brötchen haben wir auch nicht mehr....und eine Steckdose fürs Aufladen der Powerbank haben wir nicht." Ziemlich sprachlos machen wir uns daraufhin auf die Suche nach netten Menschen in Heiligenhafen. Und die gibt es! Mit viel Liebe wird uns von "PUCK- meinem Ostseebäcker" ein herrliches Frühstück kredenzt. Erst gegen halb zwei kommen wir dann endlich in die Puschen und starten die heutige Tour.
    Und sofort kommen Kindheitserinnerungen hoch. Immer, wenn meine Eltern mit uns in Richtung Fehmarn fuhren, bekam derjenige das erste Eis, der zuerst "die Brücke" sah. Tja, was soll ich sagen, Katja bekommt das Eis.
    Die Fehmarnsundbrücke (sie hat eine Länge von 963 Metern) mit dem Fahrrad zu überqueren ist schon ein besonderes Erlebnis. Wir haben einen fantastischen Ausblick über die Ostsee, den man so mit dem Auto niemals haben würde. Ein purer Genuss, und der Wind meint es auch gut mit uns....
    Auf der Insel angekommen, wissen wir nicht so recht weiter. Ein bissl hilflos stehen wir rum, als wir von einer Fahrradfahrerin angesprochen werden. Sie erzählt uns, dass sie letzten Sommer mit ihrer Freundin mit dem Fahrrad von Fehmarn zu den Alpen gefahren ist. 14 Tage hatten sie Zeit..., jeden Tag 100 km... Gibt es Zufälle???
    Von ihr bekommen wir dann den Tipp, "links um die Ecke" auf den Deich zu fahren. Fortan wird die Inselrundfahrt perfekt. Drei Stunden lang links die Ostsee, rechts Wiesen und Felder, phänomenal! Und was werden wir mit einer reichen Vogelwelt belohnt. Überall piept, zirpt, kreischt und schreit es. Die Brutzeit ist in vollem Gange und auch schon etliche Zugvögel sind zu sehen.
    Plötzlich zwischen den Dünen ein Grabstein??? Nein, ein Gedenkstein! Jimi Hendrix war hier! Wir stehen auf dem Gelände des "Love-and-Peace-Festivals" vom 4. - 6. September 1970. Es sollte Jimis letzter Auftritt werden. Nur wenige Tage später, am 18. September 1970, starb er in London auf dem Weg ins Krankenhaus an einer Überdosis Schlaftabletten...
    Von Puttgarden, wo eine Fähre nach der anderen den Hafen verlässt, geht es dann wieder in den Süden, nach Burg. Unser Hotel begrüßt uns mit einer wunderbar heißen Dusche und herrlichen Betten! Gerade genieße ich es darin zu liegen und draußen den Regen zu hören....
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  • Tag 5: Von Burg nach Rosenfelder Strand

    14 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 12 °C

    Nach einem wunderbaren Frühstück geht unser Weg nochmals zurück an die Ostküste Fehmarns. Warme 15 Grad und Rückenwind lassen die Räder fast von alleine rollen. Die Ostküste zeigt sich rau und touristisch kaum erschlossen, auf mich wirkt sie sehr ursprünglich, natürlich. Wir genießen und radeln, jeder seinen Gedanken nachhängend, längere Zeit einfach so dahin. Es fällt echt schwer, diese besondere Stimmung mit Photos festzuhalten, was vielleicht auch gar nicht so wichtig ist. Das Gefühl bzw. die Erinnerung bleibt bestimmt auch so erhalten.
    Recht ruppig werden wir aus dieser Stimmung herausgerissen, als wir im Bereich des Südstrands mit Betonhochburgen, einem riesigen Ferienzentrum und den vielen anreisenden Ostertouristen konfrontiert werden. So fällt es uns dann auch nicht schwer, diese wunderschöne Insel, auf der angeblich 2200 Stunden im Jahr die Sonne scheinen soll, wieder über die Fehmarnsundbrücke zu verlassen und unser heutiges Ziel, den Rosenfelder Strand, anzusteuern.
    Während wir so dahinradeln wird mir plötzlich bewusst, dass Ängste, die ich unterbewusst wohl doch hinsichtlich meines Vorhabens hatte, regelrecht von mir abfallen. Wie gut ist es, so wird mir klar, dass ich die ersten Tage nicht alleine verbracht habe. Ich konnte so manches, was mich unsicher machte, teilen bzw. mitteilen. Das tat unendlich gut, das hat mir große Sicherheit gegeben. Jetzt kann es auch alleine weitergehen, was morgen zum ersten Mal so sein wird.
    Allerdings werde ich Katja sehr vermissen, die heute von ihrem Ulf wieder abgeholt wurde. Es waren superschöne drei Tage mit ihr.
    Wie schön ist es aber auch, dass ich heute bei Helmut im Womo schlafen kann. Wir wollen die Ostertage in Travemünde verbringen...er ist einfach schon einen Tag früher gekommen...Also auf nach Travemünde!
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  • Tag 6: Von Dahme nach Travemünde

    15 April 2022, Jerman ⋅ ☁️ 10 °C

    Irgendwie ist es schon seltsam. Niemals käme ich zuhause auf die Idee bei 6 Grad und Nieselregen eine Radtour zu machen. Und heute? Ich denk überhaupt nicht darüber nach, ich mach es einfach. Und als es in Strömen anfängt zu regnen, bin ich nicht sauer oder frustriert oder denke schlimmstenfalls an Abbruch sondern freue ich mich über die super Funktion meiner Regenklamotten. Es ist schon faszinierend, was ein Vorhaben, auf das man sich schon soooo lange gefreut hat, für positive Energien freisetzt.
    Und ich stelle fest, dass auch ein solches Wetter (zumindest an der Küste) eine ganz besondere Stimmung hervorbringt. Das undeutliche sich im Regen brechende Licht, das der Wind scheinbar vor sich hertreibt, die eng zusammenstehende Schafherde mit den vielen gerade geborenen Osterlämmern, die über dir kreisenden kreischenden Möven.... ich kann mich total darauf einlassen und mich daran erfreuen.
    Es erfreut mich allerdings auch, dass ich heute völlig ohne Gepäck (es ist im Womo geblieben) reisen kann. Der heftige Rückenwind treibt mich regelrecht voran und so passiere ich fast im Eiltempo die Seebäder Kellenhusen, Grömitz, Neustadt in Holstein und Sierksdorf. Und je weiter ich mich Travemünde nähere, werden die Bäder mondäner und gleichzeitig überfüllter. In Scharbeutz treffe ich mich mit Helmut, der mir von Travemünde entgegengefahren ist, und wir müssen uns durch die Touristenmassen schieben und schlängeln. In Timmendorf ist fast überhaupt kein Vorankommen mehr möglich. So sind wir total froh, als uns der Radweg auf die Brodtener Steilküste unmittelbar vor Travemünde führt. Den meisten ist der Weg wohl zu steil und vielleicht auch zu gefährlich (etliche neu hinzugekommene Steilküstenabbrüche sind nur provisorisch gesichert, teilweise ist der Weg zur Hälfte weggebrochen), so dass wir nur noch wenigen Spaziergängern begegnen.
    Von dort ist es dann auch nicht mehr weit bis zu unserem Campingplatz, wo wir bis Ostermontag bleiben werden.
    Ich spüre auch, dass ich ein bissl Zeit zur Regeneration brauche. Die Pause wird mir nach 6 Tagen Fahrt bestimmt gut tun.
    Es ist so schön, so viele Liebe Nachrichten und gute Wünsche von euch zu erhalten! Dankeschön!!!
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  • Tag 7/8 Pause in Travemünde

    17 April 2022, Jerman ⋅ ☀️ 10 °C

    Nur Faulenzen, von der Sonne in einer windgeschützten Ecke verwöhnt werden und die Seele baumeln lassen, herrlich!!!
    Und viel mehr machen wir die beiden Ostertage auch nicht. So bummeln wir durch Travemünde und besuchen Helmuts Schwester Babsi und ihren Hans auf deren Segelboot. Es liegt direkt am Priwall vor der Seniorenresidenz Rosenhof.... ob das wohl was zu bedeuten hat? 🙈😉
    Standesgemäß schlürfen wir den "Bordsekt", während wir den beiden beim Arbeiten (das Boot ist gerade aus dem Winterlager gekommen) zugucken. So sanft schaukelnd auf das Wasser blickend, die frische Meerluft um die Nase wehend und die ein-und abfahrenden Segler bei ihren Manöver beobachtend bekomme ich Fernweh.
    So ist es auch gut, dass es morgen in Richtung Hamburg zu meiner Tante Antje weitergehen wird - und das, so wird es versprochen - bei herrlichstem Wetter 😄
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  • Tag 9: Von Travemünde nach Reinbek

    18 April 2022, Jerman ⋅ ☀️ 12 °C

    Der Frühling kommt! Das sagt zumindest unser Campingnachbar. Der Vollmond sei vorüber, somit gebe es keine kalten Nächte mehr und alles werde jetzt erblühen.
    Als ich heute morgen um 09:00 Uhr starte, glaube ich ihm nur bedingt, denn trotz strahlenden Sonnenscheins ist es noch ziemlich kalt. Das ändert sich im Laufe des Tages allerdings schlagartig. Nach und nach ziehe ich die wärmenden Sachen aus, bis ich tatsächlich nur noch im T-Shirt und kurzer Radhose fahre. Was für ein Genuss!
    Am kühlen frühen Morgen geht es erstmal in Richtung Lübeck. Über der Trave liegt noch der feuchte Nachtnebel, ein paar Angler haben bereits ihre Angeln ausgeworfen und ein doch etwas genervter Vater von Drillingen versucht gerade, allen gleichzeitig ihr Fläschchen zu geben. An so einem Ostermontag-Morgen ist es ansonsten aber menschenleer und ich beobachte die Enten und Gänse auf dem Wasser, bemerke große Schwärme von laut schimpfenden Spatzen und kämpfe mit den ersten Mückenschwärmen (Mücke schmeckt immer noch nicht....).
    Was ist Lübeck für eine wunderschöne Stadt! Die vielen alten wunderbar erhaltenen Gebäude (das Rathaus stammt aus dem Jahr 1230), die gotischen Backsteinkirchen, die fast vollständig erhaltenen ebenfalls aus Backstein erbauten Kaufmannshäuser in den Seitenstraßen (hier Gruben genannt) und natürlich das Holstentor geben Lübeck den besonderen Charme einer alten Hansestadt. Ich denke, sie hat mit Recht den Titel "Unesco Welterbe".
    Und ich habe in ihr meine ersten polizeilichen Schritte im Rahmen meiner BKA-Ausbildung gemacht! Ein Jahr durfte ich hier verbringen, im heutigen "Haus der Kulturen". Aber im Jahr 1980 war in dem aus dem 17. Jahrhundert stammenden Bau (es wurde ehemals als Waffenlager und später als Wollmagazin genutzt) noch die Kriminalpolizei untergebracht. Ich erinnere noch den Geruch der feuchten Wände und die herrlichen alten Holzdielen, die bei jedem Schritt knartschten.
    Noch ein kurzer Abstecher zu Niederegger (Marzipan schmeckt immer...) und dann radel ich durch die ostholsteinische Hügel- und Seenlandschaft weiter in Richtung Hamburg.
    In dem kleinen Ort Labenz sehe ich dann einen Hinweis auf eine alte Wassermühle, dem ich gerne nachfahre. Ich gelange zu einem liebevoll gestalteteten alten Hof mit alten mit Blumen verzierten Gerätschaften, einem Teich mit kleinem Wasserfall und einem alten Backhaus. Und kurze Zeit später lerne ich dann auch die Besitzerin kennen. Ich habe mir gerade ein wunderschönes sonniges Plätzchen gesucht, als sie mir "einfach so" ein Stück Marzipantorte und einen Kaffee vorbeibringt. Sie erzählt mir, dass sie zusammen mit einer Freundin erst vor wenigen Jahren die alte Mühle gekauft und wieder in Betrieb genommen hat. Jeden Sonnabend gebe es aus dem Mehl der Mühle gegen eine kleine Spende frisch gebackenes Brot. Wer nichts habe, bekomme das Brot auch schon mal geschenkt...
    Ach ja, und Männer brauche sie nicht auf dem Hof. Sie sei seit 11 Jahren Witwe und das sei auch gut so, Vor einiger Zeit habe sie es noch mal mit "einem" probiert, aber der habe ihr auch immer nur sagen wollen, was sie zu tun und zu lassen habe....
    Nach dieser so netten und interessanten Begegnung, geht es für mich weiter durch die immer grüner und blühender werdende Landschaft bis ich auf einen alten Bahndamm gelange. Auf ihm radel ich die letzten 20 km bis nach Reinbek, einer kleinen Stadt am östlichen Rand von Hamburg. Dort bleibe ich bei meiner Tante Antje. Und schon wieder wird kein gemeinsames Foto gemacht. Das muss echt besser werden!
    Morgen geht`s dann in Richtung Elbe, dann erstmals ohne festes Ziel....
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  • Tag 10: Von Reinbek nach Lauenburg

    19 April 2022, Jerman ⋅ ☀️ 12 °C

    Die kommende Nacht werde ich doch tatsächlich auf dem Wasser verbringen! Ich hab mir einfach ein Boot gemietet und das Heck mit seinem schönen Sitzplatz erst verlassen, als die letzten Sonnenstrahlen verschwunden waren. Dabei merke ich, wie ich immer mehr loslasse und nicht ständig über irgend etwas nachdenke. Es tut so gut, einfach mal wirklich nichts zu tun.
    Das Boot ist wohl schon älter, aber es ist sehr urig und supergemütlich hier an Bord und dank Dieselheizung ist es auch kuschelig warm.

    Und ich hatte wieder einen superschönen Tag. Gestern abend ist es bei Sekt und viel Spaß verdammt spät mit meiner Tante Antje geworden und so komm ich heute morgen nur trödelig in die Puschen.
    Von Reinbek ist es durch die Marschlande nicht allzu weit bis an die Elbe, die ich bei dem kleinen Ort Howe erreiche. Dort erreiche ich auch die Vierlande, deren Obst und Gemüse schon seit Jahrhunderten auf den Hamburger Märkten verkauft werden. Auch soll der Blutegelhandel im 19. Jahrhundert ein wichtiger Erwerbszweig gewesen sein....Als ich beim Zollenspieker Fährhaus auf die Elbfähre warte, komme ich mit einem älteren Ehepaar ins Gespräch. Ist schon irre, was es für nette und spontane Menschen gibt. Als ich ihnen erzähle, dass ich keine festen Etappen geplant und keine Unterkünfte gebucht habe, laden sie mich gleich zu sich nach Hause in die Lüneburger Heide ein. Leider führt mein Weg dann dort doch nicht entlang....
    Auf dem Westufer der Elbe fahre ich kilometerlang am Deich entlang und habe wunderschöne Ausblicke auf den hier schon sehr breiten Strom. Auch die ersten Elbstrände sind zu sehen und die Gezeiten sind bis hier sichtbar. So gibt es tatsächlich Bereiche mit Watt! Dann entdecke ich auf den Dächern der alten aus Backstein erbauten und mit Reet gedeckten Gehöfte gefühlt Unmengen an Storchennestern. Und was ist da los! Immer wieder kann ich an- und abfliegende Störche beobachten, die ganz sanft und ohne Geräusche durch die Luft gleiten. Und im Vorbeifahren erfährt man sogar, wieviele Jungvögel in den letzten Jahren in dem Horst großgezogen wurden, so 2 bis 3 waren es demnach immer.
    Aber nicht nur über die Störche und die vielen anderen Vögel der Elbmarsch wird man informiert sondern auch über die Besonderheiten der Landschaft, so auch über die Auwälder. Das sind spezielle Überschwemmungsgebiete, die, wie leider so vieles, zu den besonders bedrohten Lebensräumen gehören. Während ich so vor einem Hartholzauwald stehe und die urwaldähnliche Landschaft entdecke, werde ich von einer alten Frau angesprochen, genauer gesagt von hinten beschallt: Der Wald gehe sowieso kaputt, von dem sei beim nächsten Sturm nichts mehr da. Und wer weiß, wann sie noch da sei, immerhin sei sie schon 88. Kurz bevor die Grenze geschlossen worden sei, sei sie in die Elbmarsch gekommen. Mit 14 habe dann ihre Mutter zu ihr gesagt: "Nix mehr Schule, jetzt wird gearbeitet". 1958 habe sie dann geheiratet und sei schwanger geworden. Ihr Mann habe aber keine Kinder gewollt, "aber was steckt er dann sein Ding auch bei mir rein..". Tot sei er seit vielen Jahren auch schon, "war wohl die Strafe Gottes".... Mir gelingt es nur bedingt, charmant weiterzukommen, irgendwie tut mir die alte Frau auch Leid. Was muss sie für ein Leben gehabt haben!
    In einem Waldgebiet kurz vor Lauenburg, in Tesperhude, fahre ich einem Hinweis zu einem "Totenhaus" nach. Tatsächlich ist es eine 3200 Jahre alte Grabanlage einer Frau mit einem Kleinkind. Spannend ist, dass es zu dem Grab eine mündliche Überlieferung gibt, die als älteste zuverlässig bewiesene Sage in Mitteleuropa gilt: "In disen Barg liggt een Scheiterhupen. Door hebbt in olen Tiden grote Füer brennt." Als Beleg gelten entsprechende archäologische Funde.
    Bevor ich dann mein Boot aufsuche, schlendere ich noch durch die wunderschöne mittalterliche Altstadt Lauenburgs und bewundere die Skulptur des Rufers - am Ufer der Elbe.
    Jetzt freue ich mich auf eine sanft schaukelnde, vom leisen Elbplätschern begleitete Nacht...
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  • Tag 11: Von Lauenburg nach Dannenberg

    20 April 2022, Jerman ⋅ ☁️ 15 °C

    Heute war nicht so ganz mein Tag. Es fing schon damit an, dass ich keinen Strom mehr auf dem Schiff hatte und meine Handys sowie die Powerbank nicht geladen waren. Tja, es hätte mir ja auch jemand erzählen können, dass es eine Stromsäule im Hafen gibt, in die man Münzen werfen muss. Ohne Strom auch keine Heizung...
    Egal, Problem gelöst, noch kurz gefrühstückt und dann los.
    Das Wetter ist heute trübe und kühl, lange Abschnitte des Radweges führen mich weg von der Elbe ins sehr eintönige Hinterland, auch hatte ich in den Tagen zuvor schon fast vergessen, dass es auch Gegenwind gibt....Bei ner kurzen Rast stelle ich dann fest, dass ich mein Fahrradschloss entweder verloren, oder am Schiff vergessen habe....meine Klingel geht kaputt...und ich bin zu blöd, ne Unterkunft zu mieten.
    Vom Boot ins Wohnmobil, super, dachte ich mir, als ich meine nächste Unterkunft im Hafen von Dannenberg buchte. Aber nur so lange, bis ich per Mail vom Hafenmeister bestätigt bekam, dass noch etliche Stellplätze frei seien. Ein kurzer Anruf und es war klar, dass ich einen Stellplatz gebucht hatte... ohne Wohnmobil...Also, alles storniert und zum Glück in Dannenberg ein kleines Hotel gefunden.
    Zu diesem Tag passt auch, dass ich an vielen schicksalsträchtigen Orten vorbeikomme. Schon seltsam, dass ausgerechnet heute der 20. April ist... Nach dem Hinweis auf ein Außenlager des ehemaligen KZ Neuengamme radel ich durch die Göhrde (das größte zusammenhängende Mischwaldgebiet Norddeutschlands), in der 1989 zwei Doppelmorde verübt wurden und die Schwester des damaligen Hamburger Polizeipräsidenten Wolfgang Sielaff spurlos verschwand. Der Stoff der Göhrde-Morde und deren 30 Jahre spätere Aufklärung wurde übrigens absolut sehenswert in der NDR-Dokumentation "Das Geheimnis des Totenwaldes" verfilmt.
    Nach meinem Wechsel auf das Ostufer der Elbe (wieder mal mit einer Fähre) komme ich an den Überresten alter Grenzanlagen und in Vockfey vorbei. Das Bauerndorf aus dem 13. Jahrhundert wurde mit Errichtung des Grenzgebiets zur Sperrzone erklärt und, nachdem die Einwohner vertrieben worden waren, restlos abgerissen. Heute zeugt nur noch ein Steinhaufen von dem früheren Ort... So ging es wohl vielen Elbdörfern, die dort lagen, wo die innerdeutsche Grenze direkt durch die Elbe verlief.
    So schlimm diese Grenzzonen auch waren, so haben sie heute aber auch etwas Wunderbares! So erlebe ich eine fast unberührte Pflanzen- und Tierwelt, die kaum Scheu zeigt. Echsen, Schlangen, Störche, Rehe..., ich selbst fühle mich plötzlich ganz klein in etwas ganz Großem. Und so versöhne ich mich mit dem Tag und freue mich auf morgen.
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  • Tag 12: Von Dannenberg nach Wittenberge

    21–24 Apr 2022, Jerman ⋅ ☁️ 15 °C

    Schon früh verlasse ich heute Dannenberg und damit auch das westlich der Elbe gelegene Wendland. Dort formierte sich in den siebziger Jahren eine Protestbewegung gegen ein Atommüllendlager, was so manchem noch in Erinnerung sein dürfte. Aus ganz Deutschland kamen Umweltaktivisten - manche gewaltbereit, viele friedlich.
    Sie brachten neben ihrem Protest aber auch neue - ökologische - Ideen mit ("Müslifresser und Spinner in Sandalen"), die bis heute nachwirken. So gilt das Wendland wohl als Ursprung des großflächigen ökologischen Landbaus und viele bäuerliche Betriebe können sich heutzutage keine andere Bewirtschaftung mehr vorstellen. Auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz hat hier seine Wurzeln.
    Auf der östlichen Seite der Elbe ändert sich die Natur schlagartig. Was im Wendland noch große Flächen mit Äckern und Wiesen waren (so weit das Auge reicht...) sind nun kleine Auen, Flussniederungen, kleine uralte Bauernhöfe und unberührte Landschaft. Große Bereiche sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Kilometerlang fahre ich auf dem Elbdeich, ohne jemandem zu begegnen. Es herrscht eine wunderbare Stille, die nur vom Zwitschen der Vögeln, Klappern der Störche und dem Knirschen des Schotters meiner zwei Räder unterbrochen wird. Ich genieße es gerade sehr allein zu sein, nicht zu reden oder Gedanken teilen zu müssen.
    In diesem Naturerlebnis stört es mich seltsamerweise auch nicht, dass es zu regnen anfängt und der Wind mal wieder ganz schön von vorne bläst. Immer wieder halte ich an, um diese besondere Art der Stille zu genießen. Nur ganz zum Ende der Tour schummel ich ein wenig. Kurz vor Wittenberge hab ich dann doch die Schnauze vom Gegenwind voll und lass eine Landzunge links liegen.... aber nur ne ganz kleine...
    Ansonsten ist der Tag von Festungen (die mittelalterliche fünfeckige Burganlage in Domitz - die wohl einzige vollständige Anlage dieser Art), Herrenhäusern (das Gutshaus derer von Wenckstern) und alten Kirchen (Grabstätte des Niederländers Arnold Gijsels van Lier, der als Amtmannn mit "Zucht und Ordnung" das verwahrloste Leben nach dem 30-jährigen Krieg wieder hergestellt haben soll) geprägt. Ach ja, den Turnvater Jahn darf ich natürlich auch nicht vergessen, der in dem kleinen Örtchen Lanz geboren wurde und dort mit seinen damals revolutionären Sportideen gewirkt haben soll.
    So geht ein sehr ruhiger und besinnlicher Tag zu Ende.
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  • Tag 13: Von Wittenberge nach Tangermünde

    22 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    10 Stunden Schlaf!! Während ich so langsam wach werde, gehen mir die letzten Tage durch den Kopf. Nun bin ich schon rund 700 km durch vier unserer Bundesländer (Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg) gefahren, ohne dass ich es richtig mitbekommen habe. Auf der anderen Seite der Elbe, so wird mir klar, ist bereits Sachsen-Anhalt und damit habe ich die Elbe als ehemals innerdeutsche Grenzregion endgültig verlassen. Und damit auch ein sehr trauriges Stück deutscher Geschichte. Wie viele Menschen ihr Leben - bei dem Versuch aus der DDR durch die Elbe zu fliehen - ließen, ist nicht bekannt. Laut neuester Forschungen gab es zwischen 1949 und 1989 an der einstigen deutsch-deutschen Grenze 327 Fluchtopfer (ohne die Mauer-Opfer und ohne die Fluchtversuche über die Ostsee). Grausam.
    Beim Frühstück lerne ich zwei Rennradfahrer kennen. Sie seien gestern in Hamburg gestartet. "150 km auf der Uhr, ein 28er Schnitt" erzählen sie stolz, was sie auch sei können. Aber im stillen denke ich, ob die beiden wohl die zauberhafte Landschaft in ihrer Besonderheit aufnehmen und genießen können....
    So verlasse ich in meinem Tempo die mittelalterliche Stadt Wittenberge, die immer noch in einem ruhigen Schlaf zu sein scheint.
    Bei Sonnenschein wirken die Elbtalauen ganz anders als gestern. Das Licht spiegelt sich in den vielen kleineren und größeren Gewässern neben der Elbe. Kopfweiden prägen das Bild, viele sind in der Mitte zerbrochen. Bis zur Wende waren sie in der Region wohl noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. So wurden die Zweige für Körbe, Wäschebehälter, "Stubenwagen" etc. benötigt. Da die Bäume heutzutage nicht mehr regelmäßig beschnitten werden, verwildern und zerbrechen sie. Und was für ein Gewinn! Sie sind nunmehr Lebensraum für viele seltene Vögel und Pflanzen geworden.
    Immer wieder halte ich ein und höre der Vogelwelt zu. Leider bin ich weder beim Erkennen von Vogelstimmen noch von Vögeln eine Heldin, aber ich genieße es trotzdem sehr. Es soll hier neben Schwarzstörchen u.a. auch die Eule, den Wiedehopf, Kraniche und Adler geben. Auch bemerke ich nun Pflanzen, die ich noch nie gesehen habe. Wie schön wäre es doch, wenn ich wenigstens ein bisschen mehr Ahnung davon hätte.
    Kurz nach der Mündung der Havel in die Elbe erreiche ich die über 1000jährige Stadt Havelberg. Von hier soll Otto I. in der Mitte des 10. Jahrhunderts die Christianisierung der Gebiete östlich der Elbe begonnen haben. Im Laufe der Zeit wurde aber etwas anderes wichtig. Die Stadt war insbesondere durch seinen Heirats- und Pferdemarkt, den es immer noch gibt, weit über die Region hinaus bekannt. Bis heute sollen die Tiere per Handschlag den Besitzer wechseln - bei den Frauen weiß ich es nicht so genau....
    Und was hier echt lecker schmeckt ist die Erbsensuppe aus der Gulaschkanone.
    Und noch ein wichtiges geschichtliches Ereignis zeugt von der ehemaligen Bedeutung der Stadt. 1716 trafen sich dort die Monarchen und strebten eine Wende des 30jährigen Krieges an (da stimmt doch zeitlich was nicht... 1618 - 1648 hab ich irgendwann mal gelernt.., egal). Ihre gegenseitigen Abschiedsgeschenke gingen in die europäische Geschichte ein: Zar Peter der Große beglückte Friedrich Wilhelm I. mit 248 "Langen Kerls", der preußische Soldatenkönig vermachte dem Zar das berühmte Bernsteinzimmer.
    Kurze Zeit später wechsel ich mal wieder die Elbseite. Mit herrlichem Rückenwind gehts an wunderbar blühenden Hecken und Büschen durch den kleinen Ort Arneburg mit seinen schönen Brunnen nach Tangermünde.
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  • Tag 14: Von Tangermünde nach Burg

    23 April 2022, Jerman ⋅ ☀️ 17 °C

    Ein Trödeltag mit viel Sonne, den unter Naturschutz stehenden weitreichenden Auenwiesen, viel, viel Kultur und interessanten und netten Menschen.
    Als ich meine Unterkunft heute morgen verlasse, werde ich von einem auf dem Boden sitzenden, rauchenden (es riecht irgendwie so süßlich..), total zauseligen Typen angesprochen. Wo es denn hingehe, will er wissen. "Ah, zur Zuchspitze, det is doch och so'n Berch bei euch da dreben"....
    Und dann die Kaiser- und HansestadtTangermünde! Die so malerische Altstadt, die noch vollständig von einer Stadtmauer umschlossen ist, ist geprägt von alten Fachwerkhäusern, einem sehr schönen Rathaus, hochaufragenden Kirchen und insbesondere der Kaiserburg Kaiser Karls IV, der hier wohl regelmäßig residierte.
    Ich kann gar nicht aufhören Fotos zu schießen und mir die vielen Infotafeln durchzulesen, so auch die über die Putinnen. Keiner weiß, warum die beiden Türme auf der Stadtmauer so heißen,.. er wird doch wohl nicht??
    Ich verlasse die Stadt und damit vorerst auch die Elbe durch eine kilometerlange imposante Eichenallee mit uralten Bäumen und gelange in das für die hiesige Landschaft so prägende Biosphärenreservat der Auwiesen. Hier soll neben vielen anderen "Wirbellosen", wie der Mittlere Weinschwärmer und der Große Eichkarmin, sogar der als verschollen geglaubte Zweifleck leben...
    Leider radel ich noch ein bissl zu früh im Jahr durch das so gewässerreiche Gebiet, so dass ich die wohl so fantastisch blühenden Wiesen verpasse....und auch den Zweifleck...
    Na ja, dafür verpasse ich aber nicht den Heimatverein zum Erhalt der Bockwindmühle in Grieben. Heute ist Arbeitseinsatz und der 1. Vorsitzende lässt es sich nicht nehmen, mir die alte Mühle zu zeigen und ihre Funktion zu erklären. Schon toll, was ein Verein mit 40 Mitgliedern da geleistet hat. EU-Gelder beantragt, die Überreste der alten Mühle von der einen auf die andere Straßenseite verbracht ,sie nach alten Bildern wieder aufgebaut und für ihren weiteren Erhalt sorgend. Gern hinterlasse ich eine kleine Spende.
    Ebenfalls in Grieben werde ich dann mal wieder mit einer Fähre (die erste gab es hier wohl schon 1722) auf die andere Seite der Elbe gebracht. Es ist kaum zu glauben, aber bis in die zwanziger Jahre wurden solche Fähren mit Menschenkraft mit "Bundstaken und Riemen" über die Elbe geschoben.
    Und auch das mit der "Kettenschiffahrt" ist ne echte Bildungslücke bei mir. So zogen sich ab 1866 Dampfschiffe an einer im Fluss verankerten Kette stromaufwärts von Hamburg bis nach Dresden. Begegneten sich zwei Schiffe, mussten die Ketten mit einem komplizierten Manöver geöffnet und dann wieder geschlossen werden. Und auch das ist unvorstellbar, bis 1943 waren diese Kettenschiffe noch auf der Elbe unterwegs.
    Weiter geht es durch die Einsamkeit der Auwiesen, bis ich nicht mehr weiterkomme. Ich stehe an einer Schleuse und einer Fußgängerbrücke. Kein Fahrradweg. Also heißt es alles runter vom Fahrrad und dann....ja, und dann kommen zwei nette Männer und tragen mir alles, was ich so dabei hab, über die Brücke. Als Dankeschön ein kleiner Schnack und ich kann mein heutiges Ziel Burg bei Magdeburg ansteuern.
    Ein kleiner Schwenk noch zum Schloss Zerben, dem Originalschauplatz von Theodor Fontanes Romans "Effi Briest" und dann erreiche ich die Villa Wittstock, mein heutiges Zuhause. Sie gehörte Fritz Guichard, der mit "Unkrauttod ist des Unkrauts Tod" erfolgreich handelte...
    Auf morgen freu ich mich ganz besonders. Mein Freunde aus Dresden, Claudi und der Franzl, kommen nach Magdeburg und werden mich die nächsten Tage begleiten.
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  • Tag 15: Von Burg nach Magdeburg

    24 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 14 °C

    Da Claudi und Franz erst am frühen Nachmittag in Magdeburg ankommen, gehe ich ganz langsam in den Tag. Nach einem hochherrschaftlichen Frühstück mit Blick auf den Park erkunde ich zu Fuß die "Stadt der Türme", das 1000 Jahre alte Städtchen Burg. Kirch-, aber auch Burg- und Tortürme, die man bereits von weitem sehen kann, geben ihr wohl den Namen. Leider ist ansonsten kaum noch etwas von dem historischen Alter der Stadt zu bemerken. Dennoch schlendere ich durch die an einem Sonntag so ruhigen Altstadtgassen und genieße die Stille einer Stadt. Keine Autos, keine Menschen, nur ein paar Vögel die zwitzscheln und ein gelber Schmetterling, der einen Platz zum Ruhen sucht. Europas älteste Schuhfabrik "Conrad Tack & Cie.Act.-Ges." wurde hier 1883 gegründet. Ach ja, und noch etwas. Etwas, was auffallend knackt...Dr. Kraft erfand hier sein Knäckebrot und erschuf 1931 die erste deutsche Knäckebrotfabrik.
    Ich verlasse die Stadt entlang eines stillen Kanals mit Anglern, die wie auf einer Perlenschnur aufgreiht am Ufer sitzen, und einer Stille und Ruhe, die man fast hören kann. Ein Blick auf die Karte und - oh Überraschung - ich fahre am Mittellandkanal entlang, der mit 325 km Länge die längste künstliche Wasserstraße Deutschlands ist und Rhein und Havel verbindet.
    Eine Verbindung, mit einer ganz besonderen architektonischen Leistung. Kurz vor Magdeburg wird der Kanal am größten Wasserstraßenkreuz Europas mittels einer Brücke, der wohl weltgrößten "Trogbrücke", über die Elbe geführt. Es ist schon ein skurriler Ort. Auf der einen Seite die Stahlkonstrukion der Brücke und die gigantischen Hebewerks- und Schleusenkonstrukionen und auf der anderen Seite die naturbelassenen so stillen Auen-Urwälder. Und plötzlich fühle ich mich unwohl. Mir ist irgendwie fremd in der modernen Welt und sehne mich nach der Stille und Ruhe meiner Elbauen.
    Kurz habe ich sie noch einmal, wenn auch in einem ganz anderen Gewand. Ich fahre an undendlich vielem toten Holz, ehemals vermutlich ehrwürdigen Eichen, Pappeln und Weiden vorbei, ich befinde mich im Quarantänegebiet des "asiatischen Laubholzbockkäfers"...so eine Art Borkenkäfer für Laubhölzer. Um ihrer Herr zu werden, muss man tatsächlich die Bäume nach ihnen absuchen...
    Magdeburg (man sagt hier übrigens Machdeburch) ist auch am Sonntag eine pulsierende Stadt mit allem was dazu gehört....und heute gehört sie den Fußballfans des 1. FC Magdeburg. Es geht um den Aufstieg in die 2. Bundesliga, und schon am frühen Mittag liegt ein gewisses Prickeln in der Luft.
    Claudi und Franz sind im Gewimmel des Hauptbahnhofs nicht leicht zu entdecken, aber dann liegen wir uns doch glücklich in den Armen. Eine erste Orientierung und wir werden auf einen seltsamen Turm (sieht aus wie das Horn eines Nashorns mit Wendel-Außentreppe) aufmerksam. Neugierig geworden landen wir auf dem Gelände der ehemaligen Bundesgartenschau, dem Elbauenpark. Im "Jahrtausendturm" werden wir, was für eine Überraschung!, vom sachsen-anhaltinischem Polizeiorchester mit einem Marsch begrüßt. Hat das was zu bedeuten? Franz kann sich gar nicht mehr losreißen... Nach viel Spaß mit der interaktiven technischen Ausstellung wagen wir den Außenaufstieg und werden mit einem herrlichen Blick über die "alte" und "neue" Elbe belohnt. Aber auch auf die Stadt, deren Skyline eher von Hochhäusern und Wohnblocks und leider weniger von alten Gebäuden geprägt ist. Wie schön ist es da, später den Tangotänzern an der Elbpromenade zuzusehen.
    Nach einem ein Abstecher zum Hundertwasserhaus und zum Magdeburger Dom erreichen wir unsere Unterkunft, die - gefühlt - mitten im Magdeburger Fußballstadion liegt. Der Platz vor unserer Wohnung ist blau-weiß...von Fans...und Polizeifahrzeugen. Schnell ins Haus und dann geht's draußen auch schon los. Man ist aufgestiegen, supi!... also Bier, Schnaps...und dann die Klopperei mit der Polizei. Wir stehen in der ersten Reihe auf unsrem Balkon und sehen uns das Ganze mal von oben an.
    Mit einem fantastischen Mahl aus "Adams Gasthof" in Moritzburg (danke an Claudis nunmehr ein Jahr älteren Freund, der uns die Reste seines Geburtstagsschmauses spendiert hat... und an Claudi, die alles mitgebracht hat) beschließen wir den Abend.
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  • Tag 16: Von Magdeburg nach Aken

    25 April 2022, Jerman ⋅ ☁️ 12 °C

    Einen Tag durch das UNESCO Biosphärenreservat auf der Ostseite der Mittelelbe südlich von Magdeburg zu radeln, ist für mich ein ganz besonderer Tag. Denn ich habe Claudi dabei, die fast bei jedem Vogelpiepen, -klappern, -kreischen, -rufen....ganz kurz und knapp sagt: ein Storch, ein Rotschwänzchen, ein Falke, ein...., um dann kurz darauf begeistert auszurufen: guck mal, ein Grünspecht, ein Wasserhuhn, eine Schnepfe....Und nichts anderes geschieht beim Passieren einer blauen Blume (Immgergrün), einer gelben (Bocksbart)..., Franz und ich hören nur staunend zu und sind irgendwie stolz auf sie.
    Kurz nach Magedeburg kommen wir erstmal nicht weiter. Eine riesige Schafsherde versperrt uns den Weg über den Deich. Wir kommen uns vor, wie im Bilderbuch. Der Schäfer mit langem wetterfesten Mantel, seine zwei Hütehunde, die kurzen knappen Befehle an sie, alles wirkt so "wie früher".
    Franz ist dann derjenige, der uns mutig einen Weg durch die Herde bereitet. Und, oh Wunder, die Tiere lassen sich kaum stören.
    Weiter geht es an einem in unmittelbarer Ufernähe brütenden Schwan vorbei durch wunderbar blühende Obstbäume zum "salzigen Jungbrunnen" in Schönebeck. Dort entdeckte der Arzt Dr. Tolberg zum ersten Mal die Ähnlichkeit der Salzsode mit dem Seewasser, baute 1801 das erste Gradierwerk und gründete damit die Solebadkultur Deutschlands. Er sah darin eine Möglichkeit ,"für ungeduldige Kranke,...welche die modische, physische und moralisch schwächende Lebensart hervorbringt" Linderung zu schaffen.
    Wir radeln weiter dahin, quatschen, lachen und keiner achtet auf den Weg. Verfahren. Und so landen wir am Pretziener Wehr, einer ingenieurtechnischen Meisterleistung, die bei der Pariser Weltausstellung 1889 (neben dem Eiffelturm) die Welt verblüfft haben soll. Die Nieten waren es wohl, die faszinierten! Beide Stahlkonstruktionen werden bis heute durch unzählige Nieten zusammengehalten. Den goldenen Nieten, den die Pretziener als Anerkennung für ihr Bauwerk auf der Weltausstellung erhielten, haben wir allerdings nicht gefunden. Und dieses alte Wehr hat es tatsächlich geschafft, dass Magedeburg bei dem Elbhochwasser 2002 relativ verschont blieb.
    Die Überquerung der schmiedeeisernen Elbbrücke bei Barby ist dann nicht ganz so einfach. Mit fast letzter Kraft schiebe ich mein vollbeladenes Bike nach oben, werde dann aber mit dem Blick auf eine faszinierende alte Eisenbahnbrücke belohnt. Holprig und nicht ganz vertrauenserweckend erreichen wir die andere Seite (zumindest die alten Eisenbahnbohlen wirken schon sehr sehr alt und sehr brüchig...).
    Noch ein kurzer Stopp im Zerbster Land, der Heimat von Katharina der Großen, und wir erreichen Aken und damit das Gut Lorf, unsere heutige Herberge. Und wie es so sein soll, lernen wir den jetzigen Gutsherren kennen...einen schweizer Investor. Er berichtet von der abwechslungsreichen Geschichte des Grunds, auf dem das Herrenhaus steht (um 800 eine Burg) und deren Besitzern. So ließen sich Anfang des 20. Jahrhunderts die in Amerika lebenden Eigentümer mit einem Zeppelin hierher bringen....Ist schon spannend ihm zuzuhören. Und er kann stolz auf das sein, was er hier geschaffen hat. Aus einer zerfallenen Bruchbude hat er ein Kleinod der Geschichte wieder aufgebaut.
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  • Tag 17: Von Aken nach Wittenberg

    26 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    Was wäre ein Leben ohne Franz. Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, genannt Fürst Franz, und natürlich "meinem Franz", der mir heute meine Gepäckrolle abnimmt und dessen breites Kreuz immer wieder mein Windschatten ist. Genial.
    Wir starten nach einer Nacht mit Nachtigallengesang mit dem Blick auf das sich im Schlossteich spiegelnde Herrschaftshaus. Das seltsame Pfeifen, was wir an den Elbstränden hören, ist doch wohl klar: der Flussregenpfeifer (danke Claudi) und auch Döbel und Aland werden problemlos erkannt. Ich weiß jetzt auch, dass es Fische sind...
    Es ist wieder einmal herrlich durch die Flussauen zu radeln und wir genießen die klare Luft und das immer wärmer werdende Wetter. Und immer wieder begegnet uns der Franz. Als Skulptur, als Auftraggeber für nicht mehr exitstierende Schlösschen und als Bildnis..., mal allein, mal mit seiner Luise.
    Fast wären wir dann vorbeigefahren, an den Meisterhäusern von Walter Gropius in Dessau. Kaum zu glauben, dass diese in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschaffen wurden, so modern sind sie. In ihnen wohnten Haustür an Haustür Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger. Und auch das kastenförmige Bauhaus auf dem Campus Dessau könnte vor kurzem entstanden sein. Was für ein Visionär muss Gropius gewesen sein.
    Durch ein "Dornröschentor" fahren wir dann in eine wunderschöne Parklandschaft, die final in den Wörlizter Park mündet. Und wieder spielt Fürst Franz eine große Rolle, diesmal als Auftraggeber für diesen wunderschönen, oftmals verwunschenen Park. Er reiste gern, lernte Italien, England, Frankreich...kennen und kam mit den Gedanken der Aufklärung nach Hause. Sein Volk sollte von den antiken Bauweisen, modernen landwirtschaftlichen Anbautechniken, sowie Deich- und Brückenkonstruktionen anderer Länder erfahren. Deshalb enstanden in dem idyllischen Gelände auch viele beeindruckende Bauten (römische Villen, alte Burgen, große Stallungen...sogar ein Vulkan ist dabei), die bis heute ihren Charme nicht verloren haben.
    Mit viel Gesang, diesmal allerdings von Claudi und ihrer Version der Vogelhochzeit, erreichen wir unser heutiges Ziel Wittenberg. Und dort geht der Gesang noch weiter, allerdings nun von unserem Vermieter, einem Instrumentenbauer (er baut Drehleiern, Fideln, Lauten, Gamben und Zistern). Er lädt uns bei unserer Ankunft in seine Werkstatt ein und nach unseren vergeblichen Versuchen Didgeridoo zu spielen, greift er zur Gitarre und singt für uns den Wallerman-Song (wir unterstützen ihn mit Backgroundgegröle) und noch ein paar andere irische Weisen. Was für ein musikalisches Finale des heutigen Tages.
    Ach, eins hätte ich fast vergessen. So mitten in der Einsamkeit zwischen Wörlitz und Wittenberg ist es so weit. 1000 Kilometer sind geradelt. Wahnsinn! Den Sekt ausgepackt und prost!
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  • Tag 18: Von Wittenberg nach Torgau

    27 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    Wir haben einen festen Termin zum Frühstück: 08:00 Uhr, dann frühstückt Jörg, der Hausherr. Wir sitzen mit ihm und seiner Frau in deren Küche am liebevoll gedeckten Tisch, als kurze später Abdul aus Ghana zu uns stößt. Es wird über dies und das gequatscht bis wir wieder bei der Musik landen. Da beginnt Abdul zu erzählen. Er sei Percussionspieler und es sei so schwer mit uns Europäern und unserer Musik. Immer müsse bei uns der Musiker im Mittelpunkt stehen und bewundert werden. In Afrika sei das Publikum das Zentrum, dorthin bewege sich die Musik. Begeistert beschreibt er solch ein Konzert mit sich nach Musik bewegenden Menschen. Eine tolle Bewegung, ein toller Tanz und die Musik gehe dorthin, zum Tänzer. Sie bliebe dort, bis eine Vereinigung zwischen dem Takt, dem Tanz und dem Klang stattfinde, dann wandere die Musik weiter....
    Wir werden schon von Abduls Erzählungen mitgerissen, wie mag es da sein, wenn er spielt.
    Mit einem beschwingten Gefühl verlassen wir Wittenberg mit der Schlosskirche und den 95 Thesen Luthers. Ich bin dabei immer noch von diesem mutigen Mönch fasziniert, der mit seiner Überzeugung und seinem Mut die religiöse Welt dauerhaft verändert hat. Es war für mich schon ein besonderer, irgendwie mystischer Moment vor der berühmten Tür der Schlosskirche zu stehen, auch wenn es sich dabei nicht mehr um die Originaltür handelt.
    Auch so manch anderes scheint in der Stadt original, ist es aber nicht. So wurde die Stadt 2017 anlässlich der 500 Jahre Luther-Feier regelrecht aufgepimpt. Wir sehen wunderschöne Fassaden ... und dahinter zerfallen die Gebäude... alles nur für den Schein. Und das ist so so schade...
    Tja, und wie entsorgt man heimlich eine leere Ginflasche? Endlich finden wir einen einsamen Papierkorb, kaum ist sie versenkt, passiert uns ein älterer Mann mit strafendem Blick..."und so was am frühen Morgen...."
    Vom Weg durch die Elblandschaft werden wir heute enttäuscht. Keine wunderschönen Auen, keine verwunschenen Wälder, nur weitreichende Felder, der Fahrradweg führt nur unterhalb des Deichs entlang, kaum etwas, an dem das Auge hängen bleibt. So faszinieren uns ein dicker unter Naturschutz stehender Käfer (Hydrophilus), der über die Straße krabbelt, ein paar Nutrias, die im Teich schwimmen, ein vom Biber abgenagter Baumstamm und eine Apfelbaumallee. Auch das Wetter spielt nur so halb mit, aber das aus frischer Milch gemachte "Leckeis" an der Fähre von Pretzsch schmeckt trotzdem genial.
    Und so genießen wir dann auch den Blick auf das Renaissance-Schloss Pretzsch (Pretzsch ist übrigens slawisch und heißt Sumpf), in dem ein Kinderheim untergebracht ist. 1531 hat wohl Luther hier seine Auslegung des Psalms 147 (kennt man ja) geschrieben. Auch soll hier Christiane Eberhardine, die Gemahlin von August dem Starken, gewohnt haben.
    Die Landschaft ändert sich nicht groß und so sind wir fast froh, Torgau zu erreichen. Und dann, tja dann erscheint Norbert Krause auf seinem E-Bike. Schließer sei er gewesen, genau gegenüber in dem roten Gebäude, dem ehemaligen Knast von Torgau, jetzt sei er Rentner. Jetzt habe er Zeit, was solle er Zuhause, da säße nur seine Frau und wolle beim Fernsehen nicht gestört werden....Norbert lässt sich überhaupt nicht stoppen, so erfahren wir viel über den Deichbruch 2002 und eben seine Stadt Torgau, die mal eine napoleonische Festung gewesen sei. Auch sei das Schloss Hartenfels, dem ehemals wichtigen Zentrum der Reformation ("Wittenberg ist die Mutter, Torgau die Amme der Reformation") dort. Die Nazis und die Russen hätten dort ein Gefangenenlager gehabt, in seinem Gefängnis......und morgen müssten wir zur Landesgartenschau....und...
    Er liefert uns abschließend in unserem Hotel (ehemals Hotel Sonne), in der "längsten Straße der Welt" ab (50 Meter von jeder Seite bis zur Sonne...).
    Ein kurzer Blick noch auf das Schloss und das darunterliegende Bärengehege (ist dort schon seit 1425) und die Glocken läuten...
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  • Tag 19: Von Torgau nach Riesa

    28 April 2022, Jerman ⋅ ⛅ 13 °C

    Die Landesgartenschau in Torgau...na ja... wir sind vielleicht ein bisschen zu früh im Jahr da, das wird bestimmt noch....
    Zumindest gefallen uns die Elbauen, die uns nun endlich wieder haben, viel viel besser. So gelangen wir nach Mühlberg, wo 1547 eine Schlacht Geschichte geschrieben haben soll, die finale Schlacht des Schmalkaldischen Krieges....man kann das ja noch mal genauer nachlesen...
    Und wir gelangen nach Schildau, wo angeblich die Schildbürgerstreiche ihren Ursprung haben (weder das dreieckige Rathaus noch die Steckenpferde haben wir allerdings gefunden). Und wir suchen auch noch immer nach dem magischen Ring (der Ring des Sauron?) aus dem 11. Jhd., der in dem 900 Jahre alten Paußnitz gefunden worden sein soll.
    Noch während wir die magischen Kräfte suchen (ich könnte sie heute gebrauchen), gelangen wir zur Elbfähre nach Strehla. Was für ein bedeutender Ort. Im April 1945 sammeln sich an dieser Stelle Flüchtlinge, KZ-Häftlinge auf ihrem Todesmarsch, deutsche Soldaten. Alle wollen über die Strehlener Pontonbrücke über die Elbe. Zehntausende Menschen liegen auf den Elbwiesen und warten auf ihre Chance der Überquerung. Gleichzeitig rückt vom rechten Elbufer die russische und vom linken die amerikanische Armee heran. Dann die Tragödie. Am 22.04.1945 wird die Brücke versehentlich durch einen Elbkahn teilweise zerstört und die vielen Menschen müssen auf die kleinen Fähren ausweichen, die die Elbe überqueren. Dem Ansturm der vielen vielen Menschen sind diese aber überhaupt nicht gewachsen, immer mehr Menschen stauen sich auf den Elbwiesen. Das Schreckliche ist nun unvermeidbar. Zwischen der Wehrmacht und den mittlerweile eingetroffenen alliierten Armeen kommt es zu einem sinnlosen Kampf. Auf ihrer Flucht sprengen die Deutschen die Brücke und die vielen Menschen in den Elbwiesen befinden sich nun ohne Chance auf Entkommen unmittelbar in den Kampfhandlungen. Als die Russen nach Vetreibung der Deutschen Armee als erste die Elbwiesen erreichen, bietet sich ihnen ein grausames Bild...
    Am 27.04.1945 kommt es dann zu einem ersten Treffen zwischen Vertretern der Roten Armee und den mittlerweile auch eingetroffenen Amerikanern. Der Sieg wird mit Bier, Weib und Gesang gefeiert und unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse wird von Russen und Amerikanern gemeinsam der "Schwur an der Elbe" verkündet: "Endlich Frieden. Keiner feuert mehr von Westen und niemand feuert mehr von Osten - niemand." .... Tja, was ist davon geblieben.
    Wir lassen uns mit der Fähre auf die andere Seite, Claudis Heimat bringen. Mit alten Erinnerungen begleitet radeln wir direkt an der Elbe entlang und staunen immer wieder über die Hochwassermarken der letzten Jahrhunderte.
    Dann ein riesiger Phallus direkt am Eingang von Riesa, denk ich zumindest, und auch die Rieseraner: die "Elbquelle" des Düsseldorfer Künstlers Jörg Immendorff. Er will sich dabei durch historische Gemälde von Caspar David Friedrich inspiriert haben. "Getarnt durch Baum und Borke wird des Malers Pinsel zum Spaten", soll er gesagt haben.
    Wir denken nicht weiter drüber nach und fahren zu Claudis Freunden, die uns herzlich aufnehmen. Der Grillduft hängt uns schon in der Nase..
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