Satellite
Show on map
  • Day 30

    Tag 28: Von Jena nach Erfurt

    May 7, 2022 in Germany ⋅ ⛅ 18 °C

    Jena, die Stadt an der Saale, die Stadt der Wissenschaft. Eine Stadt der Gegensätze auf engstem Raum. Das riesige Areal des Universitätsklinikums, der JenTower (das höchste Bürogebäude in Thüringen), der Zeiss Bau (das älteste Hochhaus Deutschlands, Bauherr Carl Zeiss), das Zeisswerk und die Jenaoptik stehen fast Seite an Seite mit mittelalterlichen, klassizistischen und Jugendstilgebäuden sowie einer alten Stadtmauer mit Pulverturm. Trotz dieser Gegensätze eine schöne Stadt mit viel viel Leben. In manch kleiner Gasse reihen sich kleine Geschäfte, schöne Kneipen und Cafès aneinander, es bringt Spaß durch sie zu schlendern.
    Ja, und dann ist da die Stadtkirche Sankt Michael, in der immer noch die Kanzel steht, von der Martin Luther einst predigte. Plötzlich höre ich Posaunen- und Trompetenklang und entdecke im Obergeschoss vier Bläser. Die Fensterflügel sind weit geöffnet und die Passanten und Marktbesucher bekommen ein kleines Konzert geboten. Ich stelle mich einen Moment zu ihnen und genieße die schöne Atmosphäre.
    Aber ich werde auch mit sehr trauriger, schrecklicher Geschichte konfrontiert. Dem Todesmarsch. Quer durch Jena wurden am 11. April 1945 von schwer bewaffneten SS-Männern mehr als 4.000 Menschen aus dem nahegelegenen KZ Buchenwald getrieben, viele überlebten es nicht. Den mutigen Helfern in Jena (Zustecken von Milch, Brot, Wasser...) drohte selber der Tod. Der Hintergrund? Die Konzentrationslager sollten vor Eintreffen der Alliierten evakuiert werden, die Nazis wollten ihr grausames Tun verwischen..
    Dann wird's schwer. Welche Mayo soll's bei "FritzMitte" auf meine Fritten sein? Trüffel, Honig-Limone-Dijonsenf, Harrisa, Curry-Mango? Ich wähle Parmesan-Rosmarin - perfekt!
    Ich verlasse die Stadt über das Schlachtfeld der Schlacht von Jena - Auerstedt (1806), bei der Napoleon das preußisches Heer vernichtend schlug. Heute beschauliche Wiesen, Felder und kleine Wäldchen, durch die ich mit Genuss radel.
    So gelange ich nach Weimar, die Stadt an der Ilm. Der Stadt der großen Dichter und Denker, Musiker,Maler.... Goethe, Schiller, Wieland..., Richard Strauss, Franz Liszt, Bach..Lucas Cranach..Walter Gropius (mit seiner Bauhaus-Universität), alle haben hier gewirkt und ihre Spuren hinterlassen.
    Was aber wäre Weimar ohne Goethe. Er hat dort gelebt, gewirkt und die Großen seiner Zeit beeindruckt. In Regierungsämter wurde er eingespannt, leitete die Kriegskommission, die Finanzverwaltung, den Wege und Bergbau...Er gestaltete den Landschaftspark an der Ilm ("Weimar ist eigentlich ein Park, in welchem eine Stadt liegt") und besuchte durch ein "heimliches Gässchen" seine Charlotte von Stein (natürlich rein platonisch). Sein Nachlass im Goethe-Schiller-Archiv wurde von der UNESCO als Weltdokumentenerbe aufgenommen.
    Und er traf Friedrich Schiller, der auch in Weimar wohnte und arbeitete. Zwischen beiden entstand eine enge Freundschaft, die bis zu Schillers Tod hielt. Er soll ermordet worden sein und Goethe soll als Freimauerer von der geplanten Ermordung Schillers gewusst und ihn nicht gewarnt haben...Wahrheit?-Lüge? -Man wird es wohl nie herausbekommen. Aber ein gemeinsames Denkmal haben sie. Sie stehen Seite an Seite auf dem Weimarer Theaterplatz.
    Weimar ist wunderschön. So viele kleine Gässchen und verwunschene Ecken neben beeindruckenden und bedeutenden Gebäuden. Trotz der vielen Touristen eine Art der Ruhe, die mich innehalten und genießen lässt.
    In dieser Stimmung radel ich weiter, bis ich den weit sichtbaren Turm des KZ Buchenwald erblicke. Er wurde von der DDR Regierung bereits 1954 als Mahnmal errichtet. Da werde ich von einem alten Mann auf seinem E-Bike angesprochen. Ein nettes Gespräch entwickelt sich. Er erzählt von seinen vielen Radreisen an den Flüssen unserer Republik und gibt mir den einen oder anderen Tipp. Dann zeigt er auf auf Buchenwald (ich habe beschlossen, es auf meiner Reise nicht erneut zu besuchen) und spricht plötzlich von Politik. "Die Ukrainer sind alle verkappte Nazis..was interessiert es uns, was die Russen da machen...der Scholz und seine Vasallen drücken uns ihre Meinung auf, ziehen uns in einen Krieg....das Volk hat hier nichts mehr zu sagen...wir brauchen eine humane Diktatur.."
    Ich suche schleunigst das Weite, aber sein Gedankengut beschäftigt mich noch lange. Wie kann ein so alter Mann (ich schätze ihn auf Mitte 80), vermutlich im 2. Weltkrieg geboren, die DDR und die Wende erlebt, so schrecklich denken.
    Erst als ich an der Dorfkirche von Tröbsdorf vorbeifahre, komme ich auf andere Gedanken. Eine unscheinbare Dorfkirche vom großen Lyonel Feininger gemalt, kaum zu glauben. Aber er lehrte von 1919 bis 1925 im Bauhaus in Weimar und suchte sich in der Umgebung immer wieder Motive (die Kirche erkenn ich auf seinem Bild allerdings nicht..).
    Meine heutige Unterkunft liegt in Schwerborn, einem kleinen Dörfchen nördlich von Erfurt. Wieder einmal ein "lebender" Gasthof, in dem gerade eine diamantene Hochzeit gefeiert wird. Das kommt mir so wunderbar bekannt vor, alle in großer Runde, Reden, DJ... Und als die Blasmusik als "Überraschungsgast" ein Ständchen bringt, gelacht und getanzt wird, fühl ich mich richtig wohl und heimisch.
    Read more