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  • Day 61

    Tag 59: Von Grafenrheinfeld nach Bamberg

    June 7, 2022 in Germany ⋅ ⛅ 20 °C

    Die Würde des Menschen ist unantastbar. Mit diesen Worten aus unserem Grundgesetz wird auf einem Gedenkstein auf dem ehemaligen Gelände der Schweinfurter Firma Kugelfischer (Produzent von Kugellagern für Panzer und Flugzeuge) der vielen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter während des 2. Weltkriegs erinnert. Ein minimalistisch gestalteter und vielleicht deshalb so eindringlicher Ort. Um den halbrunden Stein stehen drei Linden. Linden als Symbol der Begegnung (unter den Linden fand früher das Dorfleben statt), der Rechtsprechung (unter Linden oder Eichen wurde wohl früher meist Recht gesprochen) und der Freiheit und des Friedens (die Linde gilt wohl als Friedensbaum).
    Wieder ein Ort, über den ich bei meiner Weiterfahrt nachdenke. Eigentlich hatte ich gehofft und auch gedacht, dass ich mit Verlassen der ehemaligen deutsch-deutschen Grenzregion auch die ständige Erinnerung an die Nazi-Schreckensherrschaft und ihre Folgen hinter mir lasse. Aber, ja, überall in Deutschland gab es sie und so ist es nur folgerichtig, dass ich an Orten vorbeifahre, die erinnern. Wie subtil und menschenverachtend war die damalige Demagogie. Auf einem Propagandaplakat hieß es: "....Arbeiter aus allen Nationen, die sich am Aufbau eines neuen Europas beteiligen, strömen hierhin, um durch fleißige Arbeit ihrer Heimat zu helfen!"... Gut, dass es immer wieder Menschen und Initiativen gibt, die gegen das Vergessen ankämpfen.
    Schweinfurt (wohl primär Industriestadt) lasse ich bei meiner Weiterfahrt im wahrsten Sinne des Wortes links liegen. Nur am ersten und damit ältesten Walzenwehr der Welt halte ich kurz an. Erstmals 1903 wurde mit ihm wohl der Wasserstand des Mains reguliert, mehr verstehe ich von den technischen Erklärungen allerdings nicht. Sieht aber heftig groß und bedeutend aus.
    Der nun folgende Weg ist schön, immer wieder Ausblicke auf den immer schmaler werdenden Fluss, an dem man in diesem Bereich auch "wasserwandern" kann. Man steige in ein kleines Schiffchen, fahre bis zur nächsten Station, gucke sich dort um, fahre weiter...und so fort. Eine Station ist auch das auf steiler Höhe gelegene und von Weinbergen umgebene Schloss Mainberg. Wer die Kriminserie "Pfarrer Braun" mit Ottfried Fischer liebt, erkennt es bestimmt aus der Folge "Das Erbe von Junkersdorf"...
    Kurz hinter dem kleinen Weinörtchen Haßfurt (mit der einzigen Waldorf-Schule weit und breit) und dem Flugplatz für Sportflugzeuge (ich beobachte etliche Fallschirmspringer, die gerade ihr Flugzeug verlassen haben) erreiche ich ein wunderschönes Naturschutzgebiet in den Main-Auen. Es gehört zum LIFE-Natur-Projekt, einem Vogelschutzprojekt, was in erster Linie von der Europäischen Union finanziert wird. Betreten absolut verboten! Aber man möchte doch so gerne gucken, und das darf man dann auch. So klettere ich auf den Beobachtungsturm abseits des Radwegs und genieße den Blick auf die vielen Vögel und die kleinen und großen Seen, die durch die Flußbegradigung entstanden sind.
    So guckt man nach Vögeln, Wasser und Bäumen und übersieht die Kleinsten. Fast hätte ich ihn mit meinen Rädern erwischt, den Bärenspinner. Sie kriecht ziemlich hektisch quer über den Radweg, die so besonders geschützte Raupe, die dank meiner Vollbremsung nun doch noch zum kräftigen Nachtfalter mutieren kann.
    Noch ein kurzer Blick ins Städtchen Zeil und dann in meine Hosentasche...Der Hotelschlüssel! Wie kann man nur so blöd sein! Aber alles wird gut, ein Einschreiben an die Alte Amtsvogtei macht's möglich.
    Vor dem Postamt treffe ich Bert und Martina. Nach Kufstein wollen sie mit ihren Rädern. Rentner sind sie...., dieses Jahr hätten sie aber nur vier Wochen Zeit....
    Ich kann es kaum glauben. Jetzt bin ich schon fast 3.000 km gefahren und zum ersten Mal treffe ich Radler mit annähernd dem gleichen Ziel, mit der gleichen Idee. Klar, dass wir ins Quatschen kommen. Und wir sind uns total einig. Wir erleben etwas ganz ganz Schönes und jeder sollte den Mut haben, es einfach auch zu tun. Der Rest geht von ganz alleine.
    Fast von ganz alleine erreiche ich dann auch Bamberg, wo ich für zwei Nächte in der Wohnung von Doris (sie macht grad Urlaub auf dem so schönen Usedom) schlafen darf.
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