Satellite
Show on map
  • Day 257

    Boquete: Die höchsten Menschen in Panama

    December 9, 2022 in Panama ⋅ ⛅ 20 °C

    Damals im Air BnB bei Chris hatte ich einen Lonely Planet von Panam gefunden. Er hatte mir erlaubt ihn mitzunehmen, also stöberte ich einige Stunden darin nach den besten Zielen in Panama und fühlte mich bei Ankunft bestens vorbereitet. Leider etwas zu gut vorbereitet, denn es waren weit aus mehr Orte, die ich gerne besucht hätte, als die kurze Zeit in Panama zuließ.
    Außerdem wollten wir nach dem San Blas Trip entspannt reisen, heißt, nicht schon nach zwei Nächten wieder aufzubrechen. Nach den vier Nächten in Kalu Yala hatten wir noch drei weitere, bevor wir uns auf den Weg nach Costa Rica machen wollten, um pünktlich am 10.12. Biggi und Christian in San José in Empfang nehmen zu können. 🤩

    Da wir in San Blas das Strandleben genießen konnten und auch Costa Rica mit viel Strandurlaub lockte, entschieden wir uns, die Küste zu verlassen und Boquete, einen Ort in dem Bergen, zu erkunden. Der Lonely Planet empfahl, den Vulkan Barú zu besteigen, den höchsten Punkt in Panama. 🌋

    Wir hatten eine wunderschöne Busfahrt, die uns acht Stunden lang von Panama City nach David führte, vorbei an Wiesen, Bergpanorama und Küste. In Panama ist alles enger zusammen, wenn man sich die Breite dieses Landes ansieht, versteht man schnell warum. Das Glück bescherte uns die beiden vorderen Fenster, sodass wir durch das große Fenster beobachten konnten, wie sich der sonnige Tag langsam dem Ende neigte. Das war einfach wunderschön! Musik zu hören und die sich verändernden Farben des Himmels anzuschauen, bis zur totalen Dunkelheit. Natürlich fehlte auch nicht die obligatorische Person im Bus, der es einfach egal war und die ihren Handyton auf volle Lautstärke aufgedreht hatte. In unserem Fall war es der mittelalte Sitznachbar in unserer Reihe, der laut traditionelle Musik hörte, dabei im Takt mit wippte und leise sang. Irgendwie süß! Mich bringt das immer sehr zum schmunzeln!
    Und erstaunlich, dass es alle anderen um ihn herum so hinnehmen. In Deutschland hätte man schon von jedem Nachbar und wahrscheinlich auch den hinteren Reihen einen drüber gekriegt!

    Im Blasina Beer Hostel angekommen bezogen wir unser 16er Dorm (das bis dahin größte, in dem wir je waren) und lernten von einer Gruppe, bestehend aus einer Australierin, einer Deutschen und einem Niederländer, ein neues Kartenspiel - den Namen hab ich wieder vergessen.
    Sie erzählten uns, dass sie den Hike zum Vulkan nachts machen wollten. Um Mitternacht am nächsten Tag würde sie ein Shuttle abholen. Dann stünde ein fünfstündiger Aufstieg bevor mit der Belohnung, den Sonnenaufgang vom höchsten Punkt Panamas sehen zu können. Ich war direkt Feuer und Flamme, denn wir hatten noch nie eine Nachtwanderung dieser Länge gemacht.

    Am nächsten Tag hieß es also Ausruhen und nur ein bisschen in Boquete rumlaufen. Wir kochten Nudeln Bolognese und waren um 20 Uhr im Bett. Dreieinhalb Stunden, dann ging der Wecker. Als der Alarm losging dachte mein Körper es wäre 4 Uhr morgens. Geschlafen hatte ich nicht wirklich. Nachdem ich mich 45 Minuten lang hin und her gewälzt hatte, verstand mein Körper endlich, dass er jetzt schlafen sollte. Ich schlummerte ein. In dem Moment setzte plötzlich lauter Bass, Schlagzeug und schlechter Gesang ein - das Rock-Konzert (ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal Rock live gehört habe) dauerte meine gesamte Ruhezeit an. Um zwölf Uhr, als wir in den Shuttle stiegen, war die Veranstaltung zu Ende.
    Naja, es musste also ohne Schlaf geschafft werden. Keine Ahnung warum, aber irgendwie war ich ein bisschen aufgeregt, als wir aus dem Van stiegen und das große Schild "Vulcano Barú - 13,5 km" im Schein unserer Kopflampen auftauchte. Andere aus dem Hostel hatten uns schon mental darauf vorbereitet, dass dies kein Zuckerschlecken wird.
    Die ersten 5 Kilometer waren gefühlt schnell gelaufen. Der Weg war nicht wirklich steil, aber ging kontinuierlich bergauf. Es war ein schönes Gefühl in der Nacht zu laufen. Neben unserer Gruppe trafen wir noch zwei Amis und zwei Niederländerinnen. Es war Vollmond und wir konnten unsere Kopflampen immer wieder ausschalten, weil der Mond hell genug auf den Weg schien. Er war so breit wie eine Straße, damit die Jeeps, die für 100$ p.P. Touristen für den Sonnenaufgang zum Gipfelkreuz bringen. Er war aber übersäht mit kleinen und großen Steinen, die uns nach 3 Stunden bergauf das Leben ordentlich erschwerten und wir uns fragten, wie hier irgendein Jeep hochkommen sollte.
    Mit der AllTrails App checkte ich ab und zu, wie viele Kilometer wir schon geschafft hatten. Ab Kilometer 7 wurde es richtig zäh. Wir waren schon zwei Stunden unterwegs - wohlgemerkt stetig bergan - und es war gerade die Hälfte geschafft. Jetzt setzte auch noch leichter Regen ein, der uns die Sicht vernebelte. Keiner sprach mehr, alle konzentrierten sich nur noch auf den eigenen Körper und darauf einen Schritt vor den nächsten zu setzen. Wir alle nahmen unsere Verwunderung über die Warnungen der anderen schnell zurück und einigten uns: "It's gonna be tough!" Von Kilometer 7 bis 10 dachte ich wirklich, das schaffe ich nicht. Aber als wir zweistellig waren, hatte ich das Gefühl, gleich sind wir da. Als es nur noch 1,5 Kilometer waren, konnten wir das Ziel sehen. Die gingen dann um, wie im Flug. Bei den vielen Funkmasten angekommen, nur noch 200 Meter vom Gipfelkreuz entfernt, war es erst kurz vor 5. Wir waren 30 Minuten schneller als erwartet und hatten die 2000 Höhenmeter in viereinhalb Stunden geschafft. Ich war selbst überrascht über unsere Leistung, vor allem, weil Dominik und ich so lange keinen so anstrengenden Trail mehr gemacht hatten.
    Das neue Problem war jetzt nicht mehr die körperliche Anstrengung, sondern die Kälte und unsere schweißnassen Klamotten. Zwischen den Funkmasten fanden wir eine windgeschützte Ecke und schlüpften in die Wechselsachen. Die Hände waren so eingefroren, dass das Umziehen sehr mühsam war. Wie sollten wir jetzt hier noch eine Stunde bevor der Sonnenaufgang losging überleben, überlegten wir in unserer kleinen Ecke. Neben uns zeigte ein Thermostat null Grad an.
    Plötzlich ging hinter uns eine Tür auf und ein verschlafener, aber sehr verärgerter Mann schaute uns durch zusammengekniffene Augen an. "Soy de la Policia Nacional." Er sei für die Sicherheit der Funkmasten zuständig. Sicherheit vor den Menschen wie uns, die nachts hier noch kämen. Eigentlich würde es jetzt 100$ pro Person Strafe kosten, denn der Park machte erst um 4 Uhr auf. Da war schon um 5 Uhr bei ihm oben wären, könnte er sich ausrechnen, wann wir losgelaufen wären. Ohoh.
    Wir waren noch dreist genug, beziehungsweise verzweifelt genug, um zu fragen, ob wir bei ihm drinnen warten könnten, weil wir so durchgefroren wären. Zum Glück sah er von der Strafe ab und half uns. Er gab uns sogar noch eine Decke.

    Kurz vor Sonnenaufgang, aber mit immer noch kalten Händen, trauten wir uns raus und erklommen die letzten Meter. Wir waren die ersten! Die höchsten Menschen in ganz Panama! Die Freude war riesig und der Moment zu wissen, es geschafft zu haben unbeschreiblich!

    Der Sonnenaufgang begann und kurze Zeit später war die ruhige Idylle dahin, als die Jeeps mit den Touristen, die den teuren aber gemütlichen Weg gewählt hatten, ankamen.

    Das Naturschauspiel war ein Traum. Die Wolken verfingen sich an den Bergen unter uns. Besser beschreiben als der Begriff Wolkenmeer kann man es nicht. Das gelb-orange an einem Punkt am Horizont wurde immer greller. Genau gegenüber wurde der leuchtend weiße Vollmond immer blasser. Dann tauchte sie aus dem Wolkenmeer auf, die Sonne.
    Unsere kalten Hände waren vergessen und wir genossen alle zusammen diesen einzigartigen Moment. Ein Alleinstellungsmerkmal des Vulkan Barú ist, dass man bei wolkenlosem Himmel gleichzeitig Atlantik und Pazifik sehen kann. Die Bilder erklären, warum uns dieses Highlight leider verwehrt blieb.

    Irgendwann übermannte uns dann doch die Kälte und wir entschieden uns, den Rückweg anzutreten. Wie herrlich angenehm kontinuierlich runter und nicht hoch zu laufen. Dachte ich dir ersten 2 Kilometer. Nach und nach entpuppte sich der Rückweg aber mindestens genauso herausfordernd wie der Hinweg. Wir stolperte und rutschten auf dem steinigen Untergrund und nach 5 km abwärts bedanken sich auch die Knie. Nach gut der Hälfte wunderten wir uns das es erst die Hälfte war. "Ich bin so froh, dass wir den Hinweg nachts gelaufen sind.", stellte ich fest, denn im Dunkeln konnte man nicht sehen wie weit es noch war und war wie im Film. Ich fragte mich trotzdem, wie wir es bis zur Spitze geschafft hatten, so lang fühlte sich der Weg zurück an. Wir legten einige längere Pausen ein, um uns zu setzen und die Knie zu entlasten. Nach vier Stunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, konnten wir endlich die Schranke sehen, die verriet, dass es nur noch eine Kurve bis zur asphaltierten Straße war.

    Eeeeeeeeendlich! Wir legten uns direkt auf den warmen Asphalt. Ein kleiner öffentlicher Bus, ich würde ihn er als Van bezeichnen, sammelte uns 15 Minuten später ab. Darin saßen schon so viele Leute, dass ich dachte, wir fünf könnten nicht mehr mitfahren. Aber was nicht passt wird hier passend gemacht. Es stieg sogar noch eine weitere Familie mit zwei Kindern zu.
    "Cuanto es?" "Tres Dollares" - das entsprach dem Gringo-Preis, was wir bemerkten als alle anderen im Bus nur einen Dollar hinlegen. Naja, der Bus fuhr uns immerhin direkt zum Hostel.

    Wir schleppten uns die letzten Treppen hoch und waren dann heilfroh endlich zu Hause zu sein. Dominik und ich würden am nächsten Tag schon aufbrechen, obwohl man mindestens fünf Tage in Boquete verbringen könnte. Ich wollte die heißen Quellen unbedingt sehen, aber als ich mich kurz hinlegte, überkam mich die Müdigkeit und ich schlief, bis Dominik mich um 17:30 Uhr weckte. Wir packten unsere Backpacks, bereiteten Sandwiches für den nächsten Tag vor und hatten noch ein schönes Abendessen zusammen mit dem deutschen Mädchen Jasmin bei einem Mexikaner.

    Die Reise nach Costa Rica sollte um sechs Uhr morgens starten, also gingen wir so schnell es ging ins Bett. Meine Augen brannten vor Müdigkeit. Als der Wecker am nächsten Morgen um sechs Uhr klingelte, war ich noch versunken im Traum und schreckte aus dem Tiefschlaf hoch. Naja, im Bus schlafe ich normalerweise sehr gut - viel entspannter als mit dem Auto!
    Read more