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  • Day 54

    Pilz- und andere Kulturen

    March 3, 2019 in Argentina ⋅ ☀️ 24 °C

    Unbehaglich fühlt sich an, aus den „Ferien“ zurück zu kehren, ein neues AirBnB-Zimmer beziehen zu wollen, aber den Vermieter nicht erreichen zu können und nicht zu wissen, welche der 100 Türklingeln betätigen zu müssen. Wir hatten seit einem Monat eine Reservationsbestätigung und auch schon den Monatsbetrag für das Zimmer bezahlt. Das Gebäude sah sehr neu und unbewohnt aus. Argentinische Balkone sind in der Regel reichlich mit Ramsch geschmückt, und sehen nicht so steril aus... Mit Verdacht auf Betrug setzten wir uns etwas ratlos mit unserem 40kg Gepäck in ein Restaurant. Gut erzogen wie wir sind, haben wir sehr anständig auf spanisch kommuniziert, dass wir innerhalb der nächsten Stunde eine Antwort benötigen und dass wir ansonsten kurzfristig eine andere Bleibe suchen werden. Für solche eher ungewöhnliche Fälle bietet AirBnB ein Mediationscenter, wo sich ein Angestellter sofort um einen kümmert und einen beratet. Da der andere kein Lebenszeichen von sich gab, haben wir (Danke Internet) sehr spontan ein anderes Zimmer gebucht. Sehr luxuriöses Glück im Unglück. Wir bezahlen da viel weniger, sind viel näher an der Tanzschule, haben viel mehr Platz und dazu auch Waschmaschine, Pool, Billiardtisch, riesige Terrasse und Küche mit reichlich Utensilien. Und wir haben einen Hund, der auf den kreativen Namen „Dog“ hört. Der andere hatte sich dann 3h später doch noch gemeldet und sich wahnsinnig fest entschuldigt, sein Handy sei kaputt gwesen. Doof... Der hätte das Geschäft seines Lebens gemacht, hätte er sich mit irgendeinem anderen Gerät über das Internet verbunden... Auf jeden Fall haben wir alles Geld zurück erhalten und auch den Glauben an AirBnB.
    Neben Dog wohnen hier auch noch andere Lebewesen. So die Dueña des Hauses mit ihrer Tochter, eine italienische Austauschstudentin, eine französische Tangoliebhaberin, zwei Katzen, ein fast durchsichtiger Gecko, mindestens eine Milliarde Mücken, die es alle auf mich abgesehen haben und Oskar, unser Badezimmer-Pilz. Eines Tages lachte er mich an. Ein richtiger Pilz mit Stängel und Hütchen, geboren direkt aus der Ecke des täglich überschwemmten Badezimmers. Er ist jetzt aber schon wieder tot.
    Wenn man „Peru Beach“ hört, denkt man an Sand und Meer oder? Ging mir jedenfalls so, als uns Milos, ein Kollege dorthin mitnahm. Es war in Wirklichkeit der grüsigste Ort, wo ich mich jeweils freiwillig aufgehalten habe. Das braune Meer war mit einem Zaun abgesperrt von der braunen Wiese, die kaum zu sehen war, weil viele viele Menschen hier die Feiertage mit Sünnelen verbringen. Wieso geht man an einen Ort, „Beach“ genannt, ohne jeglichen Zugang zum Meer zu haben? Ok, man könnte sich auch fragen, warum man mit den Möglichkeiten des Internets nicht vorher recherchiert wo man hingeht. Auf jeden Fall waren Alain und ich glücklicherweise ausgerüstet mit Spieli, womit wir dann doch einen unterhaltsamen Nicht-Tango-Nachmittag mit unserem polnischen Freund Milos und venezolanischen Freundin Dani verbracht haben.
    Ganz ohne Tango gehts dann aber doch nicht. Auf dem Rückweg vom Norden südwärts machten wir Halt im Parque Belgrano und haben noch ein Stündli getanzt. Obwohl ich regelmässig, also eigentlich täglich Tangokrisen habe, scheint mein Tango doch Fortschritte zu machen, denn ich bekomme doch ab und zu sehr nettes Feedback.
    Das bestärkendste Feedback habe ich gestern erlebt. Wir waren an einer Milonga mit Livemusik. Ein Wahnsinns-Orchester namens „Herederos del Compás“ haben Stücke von Juan DˋArienzo zum Besten gegeben. Da die Tanzfläche wirklich vollgestopft war und ich keine Lust mehr hatte, böse Blicke zu ernten, nur weil ich jemanden unabsichtlich gemüpft habe, habe ich mich an die Bar gesetzt und einfach zugehört. (Manchmal nervt mich diese intolerante Gesellschaft dieser Tangokultur ein bisschen...) Ein eleganter Mann im Frack (nein, nicht Alain), hat mich aufgefordert zu tanzen. Da gerade ein schnelles Milongastück gespielt wurde, habe ich gesagt, dass mir dies zu tanzen sehr schwer fällt. Woraufhin er mir etwas in dieser Art entgenete: „Te muestro, que es fácil“. Und tatsächlich bin ich nur so über die Tanzfläche geschwebt. Während mehr als einer ganzen Tanda! (Eine Tanda = 4 Tangostücke) Normalerweise darf man nach einer Tanda aufhören. (Aber er hat weitergetanzt! Mit mir!) Seine Führung war sehr klar und musikalisch und das erstaunlichste war, wie gut ich seine perfekte Achse gespürt habe. So einfach hat sich Tango noch nie angefühlt! Ich habe ihm auch ganz begeistert gesagt, wie gut er tanzt! Voller Glückshormone bin ich zu Alain gegangen, der mir sagt, dass ich gerade mit einem Maestro getanzt habe. Später haben wir den Namen „Pedro Ochoa“ gegoogelt und er ist tatsächlich ein Meister des Tango Salón. Zu meinem Glück habe ich nichts davon gewusst, sonst wäre ich wahrscheinlich nicht ganz so entspannt gewesen.

    Für Neugierige habe ich hier ein Video von ihm mit einer Tänzerin bei einem Auftritt: https://www.youtube.com/watch?v=sYmyfIf2rFU&amp…
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