• Fishtë

    September 25, 2021 in Albania ⋅ ☀️ 21 °C

    Richtung Norden nach Fishtë in der Region Lezhë, suchen wir nach einem
    Übernachtungsplatz. Wir sind nicht mehr weit von der Grenze zu Montenegro
    entfernt. Hier ist die Natur so unberührt, dass wir uns nicht wundern, dass
    wir wilde Orchideen und unzählige Kräuter am Wegesrand sehen. Es gibt Seen,
    kleine Bauernhöfe und mittendrin das «Mrizi i Zanave», auf dessen Parkplatz
    wir übernachten wollen.
    Als das Brüderpaar Altin und Anton Prenga sich 2010 entschloss, nach Jahren
    im Ausland, nach Albanien zurückzukehren, hatten sie den Plan einer sich
    selbst versorgenden Farm und einem Restaurant. Und das in einer Gegend, wo
    es keine geteerte Strasse gab. Was folgte, ist eine der wunderbarsten
    Erfolgsgeschichten des Landes. Ziel war es stets die kleinen Betriebe der
    Region zu integrieren. Auf dem heutigen Hof gibt es eine eigene Käserei, die
    kleine Mühle schafft es, gerade so viel weissen Mais zu mahlen, dass der
    Eigenbedarf zum Brotbacken gedeckt ist, hier wird Fleisch und Wurst
    geräuchert, Käse gemacht und neuerdings auch Wein aus eigenem Anbau
    gekeltert. Das «Mrizi i Zanave» (der Name kommt aus den albanischen Mythen
    und steht für «Stärke der Feen») wächst und wächst. Olivenhaine, Kräuter-
    und Gemüseanbau, Gänse, Ziegen und Obstbäume. Hier wird nichts verschwendet.
    Ein eigenes Team widmet sich Tag für Tag dem Einmachen und Fermentieren der
    Erzeugnisse, die sowohl im Restaurant, als auch im kleinen Hofladen verkauft
    werden. In nur wenigen Jahren wurde es zum Slow Food Convivium.

    Es ist Mittagszeit, als wir den Hof «Mrizi i Zanave» erreichen. Der
    Parkplatz ist brechend voll. Gut, denke ich, schliesslich ist es Samstag und
    heute sind bestimmt viele Familien unterwegs. Doch auch am Montag und
    Dienstag wird es nicht anders sein. Die Gäste kommen teils von weit her,
    denn eines war den Gründern immer wichtig – niemals der Verlockung zu
    erliegen, elitär zu werden. Hier kostet ein Essen bestehend aus Vorspeisen,
    Hauptgang und Dessert und Obst um die CHF 14.00 und so soll es nach
    Möglichkeit auch bleiben, denn es soll ein Restaurant für alle sein. Wir
    kommen zwar auch von weit her, sind auf der Suche eines Übernachtungsplatzes
    aber eher zufällig hier eingefahren und haben das grosse Glück, noch einen
    Tisch zu ergattern.

    Zuvor müssen wir aber noch etwas hungrig werden, und wir beschliessen eine
    Wanderung in der Nähe Neshat zu machen. Die App Wikiloc hat uns auf diese
    Wanderung gebracht. Leider ist der Pfad nicht sonderlich gut ausgeschildert,
    und wir folgen einfach dem Trail auf Wikoloc für ca. 7 km. Doch auch die
    abenteuerliche Suche nach dem Weg bringt uns den gewünschten Hunger herbei.
    Wir freuen uns aufs Essen.

    Immer mehr Teller werden auf unseren Tisch gestellt, Teller mit
    eingemachten Tomaten und kleinen Perlzwiebeln, Teller mit selbstgebackenem
    Maisbrot, verschiedene Käse und Würste und einem kleinen Ricotta mit
    Spinatcreme. Dazu kommen noch gefüllte Zucchiniblüten und köstliche,
    süss-sauer eingemachte Melonenrinde. Dann kann ich wählen zwischen Nudeln
    oder Fleisch (für Sam). Nudeln gibt es mit Pilzsauce oder einer herzhaften
    Blaubeersauce (unbedingt probieren!). Geschmorte Ziege, Rindfleisch, Lamm
    oder Schwein stehen für Fleischesser zur Auswahl. Wer hier Beilagen haben
    möchte, wie Salat, Gemüse oder Kartoffeln, sollte dies mitteilen. Ein
    Dessert findet danach kaum mehr Platz. Frisches Obst gibt es auch immer.

    Wir übernachten auf der unteren Ebene des Hofes, direkt unter den
    Weinreben. Am nächsten Morgen fällt das Frühstück ebenso vielfältig und
    gepflegt aus. Puahh, wir haben uns sicher für eine weitere Woche
    vollgefressen. Dann aber geht es zum Rundgang über den Hof und die
    Manufakturen. In der Käserei wird gerade Ricotta gemacht, der dann in
    grossen Bottichen reifen darf. Gerade werden Rosenblätter angesetzt. Kleine
    Feigen werden mit Molasse gekocht und abgefüllt und in mühevoller
    Fleissarbeit die Zwerg-Zwiebeln gepellt. Ein paar Gläser von der
    eingemachten Melonenrinde sind noch da. Fragwürdig, aber bei diesem Anblick
    könnte schon wieder Hunger aufkommen. Im Weinkeller stehen lange Reihen
    französischer Weinfässer. Zum Glück eignet sich Horu nicht als Lieferwagen.

    Das war unserer kulinarisch krönender Abschluss im traumhaften Albanien.
    Sam bringt mich, entsprechend meinem Rückflugticket, zurück zum Flughafen
    nach Tirane, wo ich nervige 1.5 Stunden am CheckIn warten muss, bis meine
    Schweizer Corona-Impfbestätigung anerkannt wird. Samuel sollte es in Durres,
    für die Überfahrt nach Italien, auch nicht einfacher haben. Er erreicht die
    Fähre um ein Haar, da er auserkoren wird, mit Horu den Scanner zu passieren.
    Dafür nehmen sie sich ausreichend Zeit, ungeachtet gebuchter Tickets. Es
    werden keine Drogen gefunden, und so kann er die Ladekippe (bevor sie
    hochgezogen wird) noch im letzten Moment befahren; der Fahrplan ist strikt,
    gewartet hätten sie nicht.
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