• Koman-See Fierze-Koman

    September 21, 2021 in Albania ⋅ ⛅ 15 °C

    Mit Superlativen ist das so eine Sache. Die Fahrt auf dem Koman Stausee hat
    den Titel als eine der schönsten Schiff- oder Fährfahrten jedoch verdient.
    Dabei liegt der See mitten im Nirgendwo. Er ist ein gut gehütetes Juwel,
    versteckt in den Albanischen Alpen (Prokletije). Der Fluss Drin ist hier
    zwischen Koman und Fierze auf 34 Kilometern aufgestaut. Gut zweieinhalb
    Stunden sind die Fähren durch die fjordähnliche Landschaft unterwegs. Die
    Schlucht ist kaum mehr als 400 Meter breit, an den engsten Stellen misst sie
    gerade einmal 50 Meter und die meterhohen Felswände kommen extrem nahe. Es
    gibt keine Strasse, welche die beiden Orte auf dem Landweg verbinden würde.

    Die Regierung Enver Hoxha investierte kräftig in den Ausbau der
    Wasserkraftwerke. Der Koman Stausee entstand in den 1980er-Jahren als Teil
    eines riesigen Energiegewinnungsprojekts. Er ist nur einer von mehreren
    Stauseen entlang des Drins, dessen bis dahin unverbaute Flussabschnitte zur
    Stromerzeugung aufgestaut wurden.

    Der Koman See erstreckt sich zwischen den Staumauern des Fierza und
    Vau-Deja, ist 34 Kilometer lang und 96 Meter tief. Trotzdem ist er mit einer
    Fläche von zwölf Quadratkilometern und einem Fassungsvermögen von 500
    Millionen Kubikmetern Wasser nur der kleinste Stausee der Kaskade. Neben dem
    Drin speisen Valbona und Shela den Stausee.

    In Staudamm und Kraftwerk stecken chinesische und französische Technologie.
    Noch heute wird vom Koman Stausee der grösste Teil des albanischen Stroms
    produziert. Wir alle wissen Bescheid um die Vor- und Nachteile der Nutzung
    von Wasserkraft. So zeigen sich auch entlang des Drins die ökologischen
    Auswirkungen, der Flächenverbrauch ist enorm. Wie die natürliche
    Flusslandschaft hier früher wohl ausgesehen hat?

    Mittlerweile hat die albanische Regierung den Grundstein für die Skavica
    Talsperre, die letzte noch nicht gebaute von sieben Stauanlagen am Drin,
    gelegt. Im grössten Stausee Europas würde dann ein grosser Teil der
    geschichtsträchtige Region Dibra mit ihren idyllischen und fruchtbaren
    Tälern versinken. Bleibt zu hoffen, dass die Vjosa, dem letzten
    unregulierten Wildfluss Europas im Süden Albaniens, dieses Schicksal nicht
    ereilt.

    Die Autofähre Berisha verkehrt zwischen April und November. Der Himmel zeigt
    sich von der blauen Seite und lässt das Wasser noch tiefer im Blau
    versinken. Wir passieren die hohen Felswänden und engen Schluchten, was sehr
    stark an norwegische Fjorde erinnert. Einzig am Heck der Fähre finden wir
    ein Fleckchen, das ein wenig windgeschützt ist. Hier lässt es sich gut
    aushalten. Schliesslich möchten wir möglichst viel von der
    zweieinhalbstündigen Fahrt ungefiltert mitbekommen. Uns verschlagen die
    Schönheit der Natur und die Farben des Wassers fast den Atem.

    Nach etwas mehr als einer Stunde, wir haben gerade die Friedensinsel im
    breitesten Abschnitt des Sees passiert, legt die Berisha an. Im Sommer laden
    an dieser Stelle einige Hostels und Gästehäuser zum Übernachten ein. Sogar
    einen kleinen Strand gibt es. Heute werden die wenigen verbliebenen Bewohner
    des Tals mit dem Nötigsten versorgt. Kurz danach erhaschen wir auf Backbord
    einen Blick in den Arm des Shala Flusses. Er ist vor allem für
    Ausflugsfahrten im Sommer sehr beliebt. Die Felswände werden höher und
    rücken richtig nahe ans Boot heran. Vergeblich halten wir Ausschau nach
    einem Anleger. Doch die Berisha landet gekonnt auf einer Schotterbank am
    Flussufer an. Um die Lücke zwischen Laderampe und Ufer zu schliessen, wird
    kurzerhand zur Schaufel gegriffen. Auf ein Kommando der Angestellten dürfen
    zuerst die Fussgänger und dann die Autos die Fähre verlassen. Nicht nur das
    Befahren der Fähre ist ziemlich eng, da wird jeder Zetimeter genutzt, auch
    die Ausfahrt bereitet Platzangst, vor allem die anschliessende Fahrt durch
    den in den Fels gemeisselten Tunnel.
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