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  • Day 238

    Hastings, 13.04 -23.04.2019

    April 22, 2019 in New Zealand ⋅ 🌧 14 °C

    Manchmal kommen die Dinge ganz anders als geplannt. Geplant hatte ich dieses Mal nicht so viel für meine restliche Zeit in Neuseeland, nur, dass ich direkt nach dem Reisen nochmal für drei Wochen arbeiten wollte. Da ich bisher nie Probleme mit dem Job finden hatte, habe ich dieses Mal die Jobwahl bis zum letzten Tag aufgeschoben. Die Wahl hatte ich nun zwischen einer Apfelverpackfabrik ('Packhouse') in Hastings und einer Kiwiplantage in Te Puke (nur hier habe ich für so einen kurzen Zeitraum von drei Wochen einen Arbeitsplatz gefunden, außerdem kann man hier innerhalb kurzer Zeit sehr viel Geld verdienen), dort würde ich weiterhin im Zelt auf einem benachbarten Campingplatz leben. Eine Zusage hatte ich bei beidem,da mir der Kiwiplantagen-Manager am Ende aber etwas unsympathisch erschien und auch weil es wetterunabhängig ist, habe ich mir für das Packhouse entschieden.
    Da ich nun aber sehr spät dran war und schon am nächsten Tag schon nach Hastings fahren wollte, waren die Buspreise mittlerweile sehr teuer geworden. Deshalb habe ich in einer Facebook-Backpackergruppe gefragt, ob jemand am nächsten Tag sowieso nach Hastings fahren würde und einen freien Platz hätte. Eine Mitfahrgelegenheit habe ich zwar so nicht organisieren können, dafür habe ich nur einige Minuten ein unerwartetes Jobangebot erhalten: Mick, der mir schon vor einigen Monaten ein Jobangebot geschickt hatte, fragte mich nun erneut, ob ich interesse hätte für ihn zu arbeiten. Als Trainer in einem Rennpferdestall brauchte er Hilfe beim Füttern, Auf-und Absatteln, Training der Jungpferde und Weiteres. Dazu bot er mir eine super Bezahlung, freie Kost und Logis und ein Auto zum Mitbenutzen an. Da dies um Einiges vielversprechender als von nun an jeden Tag neun Stunden lang bis Mitternacht Äpfel sortieren zu müssen, nahm ich das Angebot an, auch wenn mit gemischten Gefühlen, da ich bisher viel Schlechtes über den Rennsport gehört habe. Dennoch iwollte ich mir mein eigenes Bild machen.
    So habe ich am nächsten Tag die acht Stunden lange Busfahrt von Auckland nach Hastings angetreten, wo Mick, ein großer, sehr schlanker Mann schon an der Haltestelle auf mich wartete. Kopfschüttelnd half er mir, mein üppiges Gepäck in sein Auto zu laden und brachte mich auf seine Farm. Viel sehen konnte ich davon zwar nicht mehr, weil es mittlerweile schon stockdunkel war, im Haus wurde ich allerdings lebhaft empfangen: hier wurde gerade eine kleine Abschiedsparty für eine niederländische Familie gefeiert, die hier für zwei Monate gearbeitet hatte und am nächsten Tag weiterreisen würde. Sie hatten eine ziemlich interessante Geschichte zu erzählen: die vierköpfige Familie machte wie ich auch Work-and-Travel, allerdings mitsamt zwei kleinen Kindern. Funktionieren würde das anscheinend sehr gut, die Kinder wurden von der Mutter einfach während dem Reisen unterrichtet und alle würden diesen neuen Lebenstil genießen. Zudem schien es der Familie hier sehr gut gefallen zu haben, was mich ziemlich erleichterte.
    Die nächsten Tage waren dann allerdings erstmal hart: jeden Tag fing von nun am um sechs Uhr an, die Pferde wurden dann in einen riesigen Transporter geladen und kurze Zeit später befanden wir uns auf der Rennbahn. Hier ging es recht stressig zu: Decken wurden runtergenommen, Pferde wurden aufgesattelt, und warmgeführt, nach einer kurzen Trainingseinheit abgespritzt und wieder eingedeckt - das ganze bis zu neun Mal hintereinander. Obwohl ich mir viel Mühe gab, schien ich alles falsch zu machen: ich spritzte die Pferde nicht ordentlich genug ab (nach der letzten Ladung triefte ich allerdings selbst schon fast), machte die Decken falsch auf und vor allem gab es einen komplett eigenen Ablauf beim Aufsatteln und Absatteln, an den ich mich erstmal anpassen musste. Außerdem wurde es nach der Abreise der niederlämdischen Familie ziemlich still auf der Farm, nur das Ehepaar Sue und Mick sowie ich blieben zurück. Ich stellte schon fast meine Entscheidung infrage, als ich endlich auf dem älteren Pferd Jimmy vorreiten durfte. Er stellte seine anscheinend üblichen Test, indem er sich vor Kleinigkeiten erschreckte und plötzliche Losgallopierte. Mich kümmerte das allerdings wenig, weshalb Sue am Ende sehr begeistert war. An diesem Abend betonte sie das auch nochmals ausdrücklich, bedankte sich für meine Mitarbeit in den letzten Tagen und erklärte mir, dass sie es mit ihren ständigen Verbesserungsvorschlägen nicht böse meint, sondern nur schon sehr viele Unfälle miterleben musste und weitere auf jeden Fall verhindern möchte. Die Pferde hier sind eben doch stärker und sensibler als die meisten Freizeit- und Sportpferde, mit denen ich bisher gearbeitet habe.
    Das änderte meine Einstellung schon ziemlich. Mit der Ankunft der britischen Shannon wuchen wir dann zu einer vierköpfigen "Familie" an, zudem stoß der neuseeländische Jake jeden Morgen als Reiter für die Rennpferde hinzu. So habe ich auch festgestellt, dass es sich um sehr nette Leute handelt. Nicht wie bisher auf anderen Farmen habe ich einfach Aufgaben bekommen, die ich erledigen sollte, während die Eigentümer anderes zu tun hatten, sondern Sue und Mick helfen die ganze Zeit aktiv mit und ich habe gemerkt, dass sie ein riesigen Wissen über Pferde haben und sehr viel von ihnen lernen kann (hier laufen auch den halben Tag Pferdesportsendungen im Wohmzimmer). Außerdem handelt es sehr humorvolle Leute, sodass wir beim Arbeiten viel Spaß haben. Ich wurde schnell zu "Couscous" umgetauft, meinen vegetarischen Essangewohnheiten zu verdanken, die eher wortkarge Shannon bekam ironischer Weise den Spitznamen "Rowdy" und der Mädchenschwarm Jake "(Eye-) Candy". Mit den beiden unternehme ich meiner (vielen!) Freizeit auch Einiges, so hat Candy mich schon mit ins Gym genommen (danach konnte ich vor Muskelkater vier Tage lang kaum mehr laufen) oder war mit den beiden am Strand und in einer Trampolinhalle. Auch auf Te Mata Peak, wo ich schon mit meinen voherigen Reisepartnern Laura und Viola schon bei sehr schlechtem Wetter hochgefahren bin, bin ich gewandert, dieses Mal bei strahlendem Sonnenschein. Ansonsten beschäftige ich mich auch sehr gerne mit den zwei kleinen, supersüßen Hunden Bella und KJ, die es lieben, gekrault zu werden und mit mir Gassi zu gehen.
    Morgens darf ich nun immer mehr beim Training der Jungpferde helfen, die 'Babys' zum ersten Mal reiten und mit Jimmy als Babysitter neben den frisch angerittenen Pferden herreiten. Hoffentlich werde ich auch bald meine Lizenz bald bekommen, um dann auch als Jockey die Rennpferde auf der Rennbahn trainieren zu dürfen - auf einem Pferderennen war ich nun auch schon, wo wir zwei unserer Pferde angefeuert haben.
    Ich bin hier auf eine ganz neue (Pferde-)welt gestoßen, die ich nun weniger negativ sehe, als ich es bisher gemacht habe, trotzdem werde ich wohl nie Fan davon werden. Hier geht es einfach zu viel ums Geld, die Pferde werden zwar gut gehalten (besser als viele Freizeitpferde in Deutschland), trotzdem wird ihnen aufgrund mangelnder Zeit nicht viel Zuneigung gezeigt und müssen schon von sehr jungem Alter an sehr viel leisten.
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