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  • Day 59

    Krakau - über Drachen und Trompeten

    October 6, 2022 in Poland ⋅ ⛅ 18 °C

    In der heimlichen Hauptstadt Polens haben wir uns in ein Partyhostel eingemietet. Nicht etwa, weil wir Party machen wollten, dafür sind wir, wie wir mit Entsetzen feststellen mussten, schon bald ein bisschen zu alt, sondern weil es ganz einfach das günstigste war. Dort angekommen, merkte man auch bald wieso. Sex in den Dorm-Betten, so schien es, war nicht nur erlaubt, sondern richtiggehend erwünscht. Wir kamen dem Wunsch nicht nach, waren aber froh, dass wir uns für das 4-er-Zimmer und nicht für das 12-er entschieden haben.
    Da das Hostel nicht unbedingt zum Verweilen einlud und wir auch keine Lust hatten, Teil der Alkoholexzesse im Hostel zu werden, gingen wir am ersten Abend ins jüdische Viertel um gemütlich ein Bier zu schlürfen und eine Blutwurst essen. Zumindest ich. Rebecca mag keine Blutwurst. Kann man nichts machen.
    Es scheint so zu sein, dass man entweder elitäre Geschmacksnerven hat oder halt keine Blutwurst mag.
    Wie auch immer. Am zweiten Tag gingen wir auf eine Walking Tour. Sie war super! Der Guide, ein junger Student, war intelligent, lustig und sarkastisch, genau nach meinem Geschmack. Und er hat uns so viel über die Stadt erzählt, dass ich schon nichts mehr davon weiss.
    Vielleicht trotzdem ein paar interessante Eigenheiten der Stadt: Auf dem quadratischen Hauptplatz, der von den Deutschen geplant wurde, stehen nur zwei Gebäude, die nicht in die quadratische Form passen. Nämlich die zwei, die schon standen, bevor der Platz designed wurden: zwei Kirchen. Die eine ist die Adalbertkirche. Sie ist ziemlich klein und unscheinbar, was daran liegen dürfte, dass sie früher etwa fünf Meter höher war. Respektive der Boden rundherum war ursprünglich etwa 3-5 Meter tiefer. Das passiert, wenn man Jahrhunderte lang den Abfall nicht von den Strassen räumt.
    Die andere ist die Marienkirche. Zu deren zwei Türmen gibt es natürlich eine Legende, wie sich zwei Brüder über die Höhe der Türme stritten, denn jeder sollte einen bauen. Es endete mit dem Tod einer der Brüder. Irgendwie sind diese Geschichten immer gleich. Apropos gleiche Geschichten: Auch Krakau hat einen Drachen als "Stadttier" oder was auch immer. Er wurde, nachdem er tausende von Soldaten tötete, von einem Bauern überlistet. Er füllte ein jungfräuliches Schaf mit Salz. Der Drache frass gerne Jungfrauen - und anscheinend auch jungfräuliche Schafe. Durstig vom Salz lief der Drache zur Vistula und trank so viel Wasser, bis er platzte. Schöne Geschichte, nicht? Lustigerweise liegen heute noch immer zwei Knochen im Kerker des Schlosses, die von dem Drachen stammen sollten. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass sie von einem Wal und einem Nashorn stammen. Der Walknochen könnte noch Sinn ergeben, da das Gebiet vor Urzeiten einmal Meer war. Woher der Nashornknochen stammt, wird wohl Stoff für weitere absurde Legenden sein.
    Aber genug Drachen, ich wollte eigentlich von der Marienkirche schreiben. Denn diese hat eine ganz besondere Art die neue Stunde einzuläuten. Jede Stunde spielt ein Feuerwehrmann aus einem der Türme ein Trompetensolo, in vier Richtungen, Tag und Nacht. Danach winkt er den Menschen zu. Ich habe zurück gewinkt. Ob er auch morgens um 4 winkt, weiss ich nicht. Spielen darf man die Trompete nur, wenn man ein Feuerwehrmann ist. Denn ursprünglich war es als Alarm für das Schloss und die Bewohner der Stadt gedacht. Irgendwann haben die Feuerwehrmänner angefangen, jede Stunde zu spielen, um den Menschen zu zeigen, dass sie wach und aufmerksam sind. Wie sie nun die Menschen warnen würden, ist mir unklar. Ich würde die Stadt einfach zur vollen Stunde angreifen.

    Ich könnte noch lange interessante Geschichten aus der Walking-Tour niederschreiben. Aber ich mag nicht.

    Lieber lege ich Krakau allen noch ans Herz, die auf der Suche nach einer Destination für einen Wochenendurlaub sind. Die Stadt ist wunderschön und nicht nur interessant, wenn man Kunstgeschichte studiert hat. Es ist eine Studentenstadt und hat gegen die 200'000 Studenten. Also etwas für's Auge ist auch für die weniger auf Gebäude fokussierten Besucher vorhanden. Die grössere Bevölkerungsgruppe als die Studenten stellen momentan mit etwa einer Viertelmillion die Flüchtlinge aus der Ukraine dar. Das merkt man als Tourist allerdings nicht.
    Krakau ist Unesco-Welterbe, Unesco-Kulturstadt, hat eine 20'000-jährige Geschichte und war einstige Hauptstadt Polens. Bis der damalige König den Palast bei Chemieexperimenten niederbrannte und dann die Hauptstadt nach Warschau verlegte. Vielleicht war es auch, weil er eigentlich von Schweden kam und sein Rech nordwärts orientieren wollte, wer weiss das heute schon noch so genau. Kopernikus hat hier studiert (wenn auch nur drei Monate) und Leonadro da Vincis "Dame mit dem Hermelin" hängt hier.
    Die Stadt war im Laufe der Geschichte unter Rüsischer Herrschaft, das sind schlawische Stämme aus dem Norden oder Wikinger oder wie auch immer, dann lange Teil des Litauischen Herrschaftsreiches, anschliessend kamen die Habsburger, Deutschland, rote Armee, und so weiter. Wie gesagt: spannend für Geschichtsinteressierte.
    Ein Grund, warum die Stadt so geschichtsträchtig ist, ist vermutlich, weil die Deutschen die Stadt evakuierten, bevor die rote Armee kam, und die Stadt beinahe unbeschädigt den Krieg überstand.
    Doch dann kam der Kommunismus. Ach ja, dabei kommt dann Papst Johannes Paul II zum Einsatz, wobei ich mit Religion auch nach Krakau nicht mehr anfangen kann als zuvor. Darum lasse ich diese für die Polen und den Liberalismus super wichtige Figur und ihre Geschichte in meinem Bericht hier einfach gekonnt aus. Eigentlich muss man nur wissen, dass er eine wichtige Figur für den polnischen Widerstand darstellte.
    Also genug Wakling-Tour. Wem's gefällt soll's selber machen.
    Nach der Walking-Tour wurden wir irgendwie doch noch zum Pubcrawl überredet, gezwungen, verleitet, wie auch immer. Zu Beginn hat uns ein 18-jähriger Deutscher gefragt, ob wir auf ihn aufpassen können, weil er noch nie in einem Club war. Ich mag Deutsche mit angemalten Fingernägeln nicht, wenn sie mich nach dem ersten Bier um halb 9 fragen, ob ich auf sie aufpassen kann. Noch weniger mag ich Deutsche, die 3 Stunden später ihr Portmonaie verlieren und anfangen zu heulen und Rebecca mit ihnen mitgeht und ich sie verliere, ohne zu wissen wo sie sind und wir zum nächsten Club gehen und ich kein Internet habe. (Und nein es war nicht der 18-Jährige, der hat bereits nach dem ersten Club schlapp gemacht.)
    Es war also sehr mühsam die zwei Ladys wieder zu finden. Noch mühsamer war es, dass Rebecca, kaum habe ich sie gefunden, in den BurgerKing musste. Und zwar genau dann, als der Rest zum nächsten Club weiterzog. "Wir können ihnen ja nach, wir finden sie schon wieder"... Wir haben sie nicht mehr gefunden. Die Nacht war gelaufen und meine Stimmung ziemlich im Keller.
    Es half dann auch nicht, dass ich am nächsten Morgen völlig verkatert dem Zimmergenossen zuhören durfte, wie er über den letzten Club, das Ziel des Pubcrawls, schwärmte und sagte, dass der einzige Grund, warum man da mitmachen würde, der letzte Club sei. Das wusste ich bereits zum Vorhinein, deshalb wollte ich ja in erster Linie überhaupt mit. Naja. Verschwendete Nacht und dank dem Kater noch einen extra verschwendeten Tag. Wir haben nicht mehr viel gemacht, ausser vielleicht die Traditionellen Irgendwas-Brote mit irgendwas drauf zu essen, die es hier überall gibt.
    Dann gingen wir früh schlafen und am nächsten Tag ging es nach Auschwitz für einen Tagesausflug und dann nach Prag mit dem Nachtzug ohne Schlafwagon. Yeeey!!
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