• Tolle Leistung von K91716! 🐒

    9 ноября 2024 Π³., Австралия β‹… ☁️ 26 Β°C

    Der Tag war unspektakulär, denn das heutige Highlight erwartete mich erst in der Nacht.

    Ich fuhr vormittags nach Bargara, einem hübschen Badeort ohne große Hotelklötze. Laut Aussage der Vermieterin muss man hier eigentlich nicht mal die Tür abschließen. Trotzdem ist das Klopapier in den öffentlichen Toiletten am Strand mit dicken Vorhängeschlössern gesichert. Beim Schwimmen stelle ich fest, dass nicht nur das Klima immer wärmer und schwüler wird, je weiter ich nach Norden komme, sondern auch das Meer nicht mehr erfrischend ist.

    Am späten Nachmittag machte ich mich auf zum Mon Repos Turtle Center. Dort habe ich eine Ranger Guided Turtle Encounter Tour gebucht, die erste überhaupt der Saison. Dafür hatte ich extra meine Unterkünfte noch mal umgebucht, denn nach dem ursprünglichen Plan wäre ich heute schon gut 300 km weiter nördlich. Und ich habe mächtig Angst, dass ich letztlich doch keine Schildkröte zu Gesicht bekomme, denn es ist halt Natur und noch sehr früh in der Saison. Ich werde Gruppe eins zugeteilt. Ob ich das meiner frühen Buchung, meiner frühen Ankunft oder einfach bloß dem Zufall zu verdanken habe, weiß ich nicht. Auf jeden Fall steigert es meine Chance auf eine Schildkrötensichtung. Trotzdem weisen alle Vorabinformationen darauf hin, dass ich mich auf möglicherweise lange Wartezeiten gefasst machen sollte.

    Ich habe allerdings doppelt Glück: als es um 18.30 Uhr losgeht, ist die erste Schildkröte schon da. Also werde ich nicht nur mein Encounter haben, sondern das auch noch ohne Wartezeit. πŸ˜ƒπŸ˜ƒπŸ˜ƒ

    Wir werden von mehreren Rangern mit genauen Instruktionen an den Strand geführt. Dabei ist es wichtig, dass wir kein Licht dabei haben, also Handys und Kameras erst mal weg. Außerdem müssen wir möglichst kompakt stehen und dürfen uns wenig bewegen. Wir sollen wirken „wie eine Gruppe Büsche“. Geräusche sind egal, Schildkröten hören fast nichts.

    Nachdem die Ranger erkundet haben, in welche Richtung sie schaut, können wir uns vorsichtig von hinten nähern. Die Schildkröte ist in der Dämmerung deutlich zu erkennen an der dunklen Spur, die vom Meer bis zum Anfang der Düne führt. Dort hat sie ein Loch gegraben und ist bereits dabei, Eier in dieses fallen zu lassen. Wir hocken und stehen in geringem Abstand hinter ihr und schauen zu, wie sie eines der Tischtennisball großen Eier nach dem anderen in das Loch fallen lässt. Ein faszinierendes Schauspiel.

    In der Zwischenzeit nehmen die Ranger diverse Untersuchungen vor, von denen sich die Schildkröte nicht im geringsten stören lässt. Dank des Tags wissen sie, dass sie 2008 das erste Mal da war und somit gut 50 Jahre alt ist (Schildkröten werden mit 35-40 Jahren geschlechtsreif). Mit einem Maßband wird sie gemessen, was schwierig ist, weil ihr am Panzer ein bisschen was fehlt. Sie hat ein paar Seepocken und ziemlich viel Sand auf dem Panzer, scheint aber rundum gesund zu sein.

    Nach der Eiablage buddelt sie das Loch mit den Hinterbeinen zu. Als sie die Vorderfüße dazu nimmt und die gesamte Gegend wieder so einplaniert, dass ohne die Kennzeichnungen der Ranger niemand mehr sagen könnte, wo sich das Nest befindet, dürfen wir fotografieren. Sie lässt sich auch davon nicht stören - Blitz ist wohl nicht so schlimm wie dauerhafte Lichtverschmutzung.

    Dann bilden wir eine breite Gasse und schauen zu, wie sie ihren 100 Kilo schweren Körper langsam Richtung Meer schleift. Eine ganz schöne Plackerei. Zumal die arme Schildkröte in Abständen von zwei Wochen mehrmals Eier legt und in der gesamten Zeit keine Nahrung zu sich nimmt. Deswegen legen Schildkröten auch nicht jedes Jahr Eier, denn sie brauchen nach dem Vorgang 18 Monate, bis sie körperlich wieder regeneriert sind.

    Als die Schildkröte glücklich im Meer angekommen ist, gehen wir zurück zum Nest. Das liegt nämlich etwas zu niedrig und ist daher von Überschwemmungen gefährdet. Die Ranger buddeln die Eier aus, zeigen sie herum und bringen sie in ein neues Loch weiter oben auf der Düne. Das Nest wird gemessen: es ist 56 cm tief, die obersten Eier liegen in 34 cm Tiefe. Und das Tier war sehr fleißig: es sind 143 Eier! Der Durchschnitt liegt bei 127 Eiern. Eigentlich hätten wir sie transportieren dürfen, aber der Hang ist so steil, dass die Ranger offensichtlich Angst haben, dass wir entweder uns oder die Eier verletzen. Das Umbetten der Eier muss innerhalb von zwei Stunden passieren, denn danach hat sich der Embryo an der Schale fest gesaugt und würde bei einer Bewegung abfallen und dadurch zerstört werden.

    Nach ungefähr 2 Stunden kommen wir zurück ins Turtle Center und bekommen gerade noch mit, wie die Ankunft der zweiten Schildkröte vermeldet wird und Gruppe zwei an den Strand darf. Die Ranger waren sichtlich begeistert, so früh in der Saison und bei ihrer ersten Führung gleich eine erfolgreiche Eierablage zeigen und dokumentieren zu können. Und ich erst!

    Ich fand es auch interessant, dabei gleichzeitig die wissenschaftliche Arbeit mitzuerleben. Dadurch fühlte ich mich wie ein heimlicher Beobachter von Natur und Naturschutz und nicht wie ein Tourist, der sich eine Show anschaut. Und ich habe einiges gelernt über Schildkröten.

    Wie so vieles sind auch die Schildkröten bedroht vom Klimawandel. Die Temperatur des Sandes bestimmt über das Geschlecht der schlüpfenden Jungtiere. Steigt sie an, werden nur noch Weibchen geboren.

    Dann bin ich sehr vorsichtig nach Hause gefahren. Ich hatte schon auf dem Hinweg Kängurus gesehen, die nur ein paar Meter hinter dem Warnschild über die Straße hüpften. Und jetzt stand tatsächlich ein riesengroßes graues Känguru direkt an der Straße. Ich hielt an und fuhr dann im Schritttempo an ihm vorbei. Es schaute mich an, blieb zum Glück aber ruhig sitzen. Jetzt war ich sehr froh, dass ich mir eine Unterkunft gebucht hatte, die nur 10 Minuten entfernt war - aus genau diesem Grund.

    Ich denke noch lange über diesen Abend nach. Es war unglaublich bewegend, ein dermaßen intimes Schauspiel zu beobachten. Ich bin sehr beeindruckt und staune, dass es tatsächlich möglich ist, die Eiablage aus solcher Nähe zu beobachten. Ich schlafe danach unruhig, weil ich immer noch so aufgeregt bin.
    Π§ΠΈΡ‚Π°Ρ‚ΡŒ Π΄Π°Π»Π΅Π΅