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  • Day 19

    In Teufels Wohnzimmer

    April 1, 2023 in Iran ⋅ 🌬 25 °C

    Mitten in der Straße von Hormuz liegt die gleichnamige Iranische Insel. Heiß ist die Gegend nicht nur klimatisch, die teils nur 20 Seemeilen breite Engstelle müssen alle Tanker passieren um die Öl-Verladehäfen der Golf-Staaten Kuwait, Irak, Iran, Katar, Bahrain sowie der Arabischen Emirate zu erreichen. Rund 20 % des globalen Erdöls müssen durch dieses geostrategische Nadelöhr. Der Iran hat die defacto Kontrolle über die Straße von Hormuz, vielleicht ein weiterer Grund warum manche im Westen fest vom Demokratisierungsbedarf des Iran überzeugt sind ;)
    Aber deswegen bin ich nicht dort aufgeschlagen. Mich ziehen die roten Strände und die Mangrovenwälder an. Leider sind es noch die letzten Tage des persischen Neujahrsfests und auf den Inseln im persischen Golf verbringt ca. der halbe Iran mit Kind und Kegel seinen Urlaub. Was sofort auffällt sind viele junge Iraner die, in weiten Hippie-Klamotten, ihre freien Tage genießen. Hier fernab der Hauptstadt können sie zumindest etwas von der Freiheit auskosten, für die sie in Tehran auf die Straße gingen und wohl manche ihrer Freunde ihr Leben lassen mussten. Auch das ist Iran, nicht dass hier nicht die gleichen Gesetze gelten würden wie überall sonst, aber auf der kleinen Insel scheint man wohl weitestgehend beide Augen zuzudrücken.
    Da ich mal wieder keinen Schlafplatz im Voraus organisiert habe (hab es diesmal wenigstens versucht aber erfolglos), latsche ich planlos in der Mittagshitze durch die staubigen Gassen. Als planloser Ausländer falle ich sofort auf. Alireza ein junger Iraner, erkennt das Problem auf Anhieb und nimmt mich gleich mit in sein Café, ein paar Anrufe später habe ich dann eine Unterkunft, ein paar Decken auf dem Boden einer kleinen mit Palmwedeln bedeckten Hütte am Rande der einzigen Siedlung auf der Insel.
    Alireza nimmt mich abends noch mit auf seinem Motorrad auf eine Rundfahrt um die Insel, die Strecke einmal rundherum misst ganze 25 km. Als er mir sagt was er normalerweise für eine Rundfahrt auf dem Moped nimmt, wird mir klar welchen Stellenwert der Urlaub für viele Iraner hat. Normalerweise lässt er sich für die Fahrt auf dem Moped 20 Millionen Rial (40 €) bezahlen, klingt erstmal nicht viel, bis man bedenkt, dass ich kürzlich für rund 110 km Taxifahrt 4 € berappen musste. Abgesehen vom bekannten roten Strand, beherbergt die Insel in einer Höhle Gesteinsschichten in allen Farben des Regenbogens, durch Jahrmillionen tektonischer Aktivitäten fein säuberlich aufgeschichtet.
    Mein absolutes Highlight sind jedoch die ausgetrockneten Salzflüsse die sich aus den Bergen im Herzen der Insel ins Meer ergießen. Teilweise wirkt das Fußbett wie gefroren, dutzende Zentimeter dick durchsichtiges glänzendes Salz. An anderen Stellen liegt eine gelb-leuchtende schweflige Schicht auf dem Salz. Umgeben von roten Bergen und weit und breit kein Strauch auf dem toten Salzboden. Angeblich verbirgt sich im inneren der Insel ein Dämon, weshalb manche Einheimische diesen Ort noch immer meiden. Zwar bin ich keinem begegnet, sollte es aber irgendwo auf der Welt etwas derartiges geben, dann stehen wir hier wohl in seinem Wohnzimmer. So surreal und leblos wie dieser Ort aus Felsen, Salz und Schwefel wirkt, kann hier kein natürliches Wesen überleben, höchstens vielleicht Satan höchst selbst.
    Ob dieser auch am nächsten Tag seine Finger im Spiel hat? Am kleinen Fährhafen der Insel sind die Tore geschlossen. Der Wind peitscht die Wellen an die Kaimauer. Zwar sind es nur 25 km bis in den Hafen von Bandar Abbas aber für heute ist die Passage zu gefährlich, einen Tag behält mich das Biest noch auf der Insel. Der Teufel hätte es nicht besser planen können. In der Nacht wandern Alireza, ein paar Freunde vom Cafe und ich in das salzige Herz der Insel. Der Mond erleuchtet die sternenklare Nacht zwischen den Felsen, die Salzflüsse reflektieren das Mondlicht und Alirezas Freund spielt auf einer Art Klangschale magische Töne in die toten Berge um uns herum. Irgendwo auf einem der Hügel sitzt er mit dem persischen Instrument, sehen kann man ihn nicht nur seine Klänge hört man, scheinbar sitzt er überall um uns herum. Ein kleines Lagerfeuer knistert in unserer Mitte. Mag sein, dass es auf der Insel reichlich psychodelische Drogen gibt, heute Nacht wären sie überflüssig, nichts kann diesen Moment noch magischer machen.

    Noch nie war ich über eine verpasste Fähre so glücklich.

    P.S. Auch diese Geschichte ist schon etwas her und gehört vor jene die Belutschistan handelt.
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