• Heinaberg... unser neues, ganz anderes Zuhause...
    Unmittelbar an einem großen FjordMit 15km spektakulärer Anfahrt... bei Regen nicht so schön...Berg 100 Meter hinter dem Haus...Da passt jemand gut auf uns auf...Da wird Essen zur Nebensache ....Yes, I survived the Mitternachts-Strandspaziergan

    Heinaberg, zwischen Berg und Meer

    30. juni 2024, Island ⋅ 🌧 13 °C

    Willkommen in Heinaberg - das totale Gegenereignis zu dem Haus der letzten Tage, das zwar ruhig gelegen war, inmitten einer vergleichsweise sehr freundlichen und milden Natur eingebettet.
    Heinaberg ist einsamer als einsam sein kann... irgendwo am Fjord ... Die Anreise ist spannend: 15,5 Kilometer nur Schptterpiste bergauf und runter, eine Straße, die sich an dem hohen, steil aufagenden Berg entlangschlängelt. Häuser und Zivilisation schob lang hinter uns gelassen (der nächste Ort mit einem einzigen kleinen Supermarkt und einer Tankstelle liegt 50 Kilometer entfernt). Die nächste Bank und Post wiederum in 1,5 Stunden Fahrzeit Entfernung... wie sagte die freundliche Isländerin im Pulloverladen (nur hangestrickte Sachen von Frauen aus diesem Ort): "willkommen im isländischen Landleben, wo sie einem mehr und mehr wegnehmen und wo das Leben oft hart ist". Nur so als Relation für uns verwöhnte Stadtmenschen.... da sollte der Spruch "Schatz, kannst du noch schnell eine Milch holen?" eher die Ausnahme sein 😀. Und tatsächlich ist der Prozess des Einkäufens sehr viel bewusster...

    Aber zurück zum Haus in Heinaberg, wenn man es denn erst mal gefunden hat. Wobei das ja sehr viel einfacher ist, weil sonst weit und breit nichts ist und es auch nicht versteckt im Wald liegt, sondern zwischen dem hohen Berg (im wahrsten Sinne von Null auf 995 Meter steil aufragend) und dem Fjord, der nur wenige Meter vor dem Haus liegt.... puh... kontrastreicher und extremer geht's wohl kaum.
    Kein Baum oder Strauch, der Windschutz bieten könnte - bei dem starken Wind hier, wächst und steht nichts mehr, was für den Wind Angriffsfläche sein könnte... außer dem Haus, dass dann bei Wind und Regen und Sturm sehr viele eigenartige Geräusche macht und das Gebälk wackelt... wird in der Hausbeschreibung auch eindeutig drauf hingewiesen,weil wohl schon viele Menschen/Gäste panisch angerufen haben...
    Mehr an Gefühl den Naturgewalten ausgesetzt zu sein, ist wohl kaum möglich... herrlich (solange man nicht dauerhaft hier wohnen muss).

    Innen drin ist es kuschelig warm und angenehm, man hat von überall einen grandiosen Blick auf Berg und Fjord und kann stundenlang dasitzen und rausschauen... mit dem Fernglas die vielen Vögel, Schafe und Flut und Ebbe beobachten... reden überflüssig und unmöglich, zu viel zu verarbeiten und zu realisieren... ist das wirklich alles wahr, reell und echt??? Das ist besser als jede noch so hochprofessionelle Naturdoku... einschließlich des Gefühls hier in der totalen (selbstgewählten) Einsamkeit zu sitzen...
    Jetzt erschließt sich auch der Spruch "wo Fuchs und Hase (in dem Fall Schafe) sich gute Nacht sagen", denn gestern hat tatsächlich ein Polarfuchs unseren Weg gekreuzt. Und das nicht ausgestopft in einem Museum sondern einfach da draußen... echt jetzt? Denkt man... und ja, er war sehr echt und flink unterwegs... Im Sommer ist sein Fell dunkelbraun um sich besser der Natur anzupassen und wechselt nur im Winter in weiss. Er ist übrigens das einzige freilebende Säugetier in Island, das während der letzten Eiszeit auf Eisschollen treibend aus Grönland her auf die Insel gekommen.
    Außer Füchsen gibt es hier auch viele Schafe und damit meine ich nicht die normalen Schafe, die es hier überall inflationär gibt und die gerne auch mal auf der Straße stehen (Vorsicht beim Autofahren ist ein Muss!), sondern hier gibt es die supersportlichen, hochalpinen Schafe, die auf den steilsten Bergen, ganz weit oben grasen....und die ich ohne Fernglad für nistende Vögel in den Felsen gehalten hatte 😀...
    Und die Seeschwalben, die in hier auf der Wiese ihre Nester haben und in der Brutzeit sehr aggressiv sind. Die "beschweren" sich jedesmal lauthals, wenn man das Haus verlässt... "Mensch, du hast hier nichts verloren" rufen sie...
    Das Meer, das hartnäckig und beständig, still vor sich hin flutet und ebbt, die Regentropfen, die ans Fenster Klopfen und der Wind, der nicht nur gespürt, sondern auch gehört werden will und zuweilen laut pfeifft und heult... die gibt es alle auch noch. Und den Berg, der allein durch seine Nähe und Größe teilweise etwas bedrohlich und finster wirkt und dem ich jeden Abend für seine Schönheit danke und ihn bitte, er möge da dableiben, wo er ist und schon lange war und noch sein wird....

    Es ist vorprogrammiert sich hier in der ganzen Schönheit und Rauheit der Natur zu verlieren und sich gleichzeitig auch wieder zu finden... sich auf die Stille einlassen, sich in sie fallenlassen und bereichert an Erkenntnissen daraus wieder auftauchen.
    Wer das Buch "Die Möglichkeit einer Insel" von Houllebecq kennt, dem fällt vielleicht die Assoziation ein die Welt neu erkunden... aus der künstlich geschaffenen Umgebung und sicheren Komfortzone raus und das Leben da draußen neu begreifen lernen, voller Staunen, was es da so alles gibt, außerhalb der Welt, die wir uns im Alltag geschaffen haben. Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden, fragen wie: Was brauche ich wirklich von alledem was man an materiellen Besitztümern anhäuft, um glücklich und zufrieden zu sein?

    Aber das führt nun doch zu weit... es ging um Haus und das ist in dieser Lage, an diesem Ort so richtig und tut viel mit einem.. außer einen sicheren, warmen Unterschlupf zu bieten, es kann viel mehr: es regt zum Nachdenken an und macht glücklich!

    PS: kleine Ausnahme war der nächtliche Spaziergang zum Strand, der uns auf unseren Irrwegen und Umwegen durch extrem unwegiges Gelände an den Rande unserer Kräfte getrieben hat... danach haben wir allerdings auch tief und fest schlafen können...
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