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  • Day 3

    Ausflug in die Wicklow Mountains

    January 15, 2016 in Ireland ⋅ ☀️ 1 °C

    Bis zum Einschlafen habe ich etwas gebraucht, durch die dünnen Fenster fühlt man sich als würde man direkt im Freien neben der Straße schlafen. An die Verkehrslautstärke hatte ich mich schnell gewöhnt und begann statt Schäfchen Fahrzeuge zu zählen. Aber als sich gleich zwei Personen in dieser Nacht lautstark unter dem Gelächter ihrer „Freunde“ irgendwo in der Nähe meines Fenstes erbrachen, wies ich den Rezeptionisten auf das dünne Fenster hin und riet dazu es zu ersetzen und warb gleichzeitig dafür, dass die Heizkosten dadurch stark sinken werden. Er nahm meinen Hinweis ausdruckslos zur Kenntnis. Diese Konversation bekommt das Prädikat „erfolglos“. Etwas gerädert wachte ich um 6.30 Uhr auf, der Berufsverkehr startete. Und so hatte ich genug Zeit mir einen Tee zu machen, Irish Soaps zu schauen und pünktlich um 9.20 Uhr vor dem Gresham Hotel zu stehen. Denn dort war der Treffpunkt für meinen heutigen Tagesausflug. Die „Wild Wicklow“ Tour hatte ich bereits zuhause über Guidedtours.de gebucht. Es ging raus aus Dublin, u.a. zu den Klosterruinen von Glendalough, bei eisig kaltem Wind aber dafür bei strahlend blauen Himmel.

    Am Treffpunkt begrüßte mich ein gutgelaunter Busfahrer namens John, der gleichzeitig den Tourguide und Animateur gab. Auf unserem Weg raus aus der Stadt sah ich die Zugverbindung, die entlang der Küste (Dublin Bay) führte. Eine tolle Strecke, sollte ich mich mal wieder in Dublin rumtreiben, werde ich die Fahrt Richtung Wicklow mal mit dem Zug fahren. Nach einer kurzen Stop am James Joyce Tower am Sandycove Park ging es vorbei an Bulloch Castle zum Killney Hill Park.

    Vom Fitzpatrick Castle Hotel spazierten wir hoch auf den Victory Hill. Von dort oben hat man einen wundervollen Ausblick, unter anderem auf das Anwesen von U2 Sänger Bono. Auf dem Weg kam ich schnell mit einem Studenten aus Prag ins Gespräch, der derzeit und London lebt und studiert und ebenfalls alleine reiste und mit dem ich mich über unsere Reiseerfahrungen austauschte. Kaum zu glauben aber wahr, durch den Black Friday Sale hat Miky für seinen Flug mit Ryainair lediglich vier Pfund gezahlt. Irre. Auch eine junge Dame aus Deutschland war an Bord. Janzu ist ebenfalls das erste Mal in Irland und besucht hier Ihren Bruder, der in seit mehreren Jahren in Dublin arbeitet. Sie hat durch ihn und dessen irischer Frau nochmal einen intensiveren Blick auf Dublin und plauderte etwas aus dem Nähkästchen, unter anderem von den unglaublichen Immobilienpreisen in Dublin. So sei es nicht ungewöhnlich, dass man für ein kleines Haus mit 100 Quadratmetern in der City eine Millionen Euro hinlegen muss. Chapeau.

    Nach dem halbstündigen Fußmarsch ging es mit dem Bus weiter, vorbei an einer kleine Burg in der Sängerin Enya lebt. Rund um Killiney Beach gibt es zahlreiche Residenzen, bei der Lage verständlich. Im Schatten des Great Sugar Loaf Mountain gab es dann die erste Kaffeepause. Kurz aufgewärmt ging es weiter nach Glendalough, das „Tal der zwei Seen“ in den Wicklow Mountains.

    John erläuterte uns innerhalb der Ruinen und des Friedhofs die Geschichte des Heiligen Kevin, der sich im 6. Jahrhundert hier niederliess und angeblich im Alter von 120 Jahren gestorben sein soll. Jährlich feiern in diesem Tal die Pilger am 3. Juni den St. Kevin’s Day.

    Nachdem wir die Umgebung erkundet hatten ging es zum unweit gelegenen Lynham Restaurant zum Lunch und auf ein Pine of Guinness. Gestärkt ging es dann entlang der Wege zum Upper Lake.

    Entgegen unserer Meinung, handelt es sich nicht um einen See oben auf dem Berg, sondern lediglich um einen angrenzenden See , also westlich des Lower Lake. Unser kleiner Ausflug zum „top of the mountain“ wurde nach 45 Minuten durch einen Anruf von Janzus Bruder – der mit seiner Frau im Bus saß – unterbrochen, und der sich im Namen von Busfahrer John meldete und uns erläuterte, dass wir schnellstmöglich wieder vom Berg kommen sollten und seine Schwester gleichzeitig darüber aufklärte, wo genau der Upper Lake liegt.

    Also drehten Miky, Janzu, die vier britischen Mädels, die fünfköpfige italienische Familie und ich um und machten uns an den Abstieg. Eine halbe Stunde später kamen wir am Bus an, John lachte nur über unseren „mountain climbing“ Ausflug und verteilte an die Runde ein Pinchen Jameson Whiskey zum aufmuntern. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass John kein Whiskey trank, sondern Wasser. Anekdote: bei einer Bewertung über Tripadvisor schrieb ein Gast mal, dass der Fahrer selbst mitgetrunken hatte und John sich vor seinem Boss dafür rechtfertigen musste. Slainte. Und zwischen den Bergen von Wicklow Mountain endete dann unser Trip, leider konnten wir auf Grund von Strassensperrungen wegen des Schnees in den Bergen keinen weiteren höhergelegenen Punkte mehr anfahren und so machten wir uns am späten Nachmittag wieder auf den Weg nach Dublin. Ich wäre gern noch etwas geblieben, denn nachmittags wenn die Sonne langsam hinter den Bergen verschwindet, leuchten die Wälder und Wiesen in einem ganz besonderen Licht.

    Nach einer warmen Dusche machte ich mich auf den Weg zum Jersey Einkaufszentrum, um mich dort mit einem Freund zu treffen. Bereits Silvester hatten Kai und ich uns bei einer Feier in Kamp Lintfort für ein Treffen verabredet. Kai lebt und arbeitet in Dublin, war an den Feiertagen und zum Jahreswechsel zu Besuch bei seiner Schwester und hatte uns an diesem Abend ein vorzügliches Essen zubereitet. Wir machten uns also auf dem Weg zum Viertel Temple Bar. Wusstet ihr das sich der Mietpreis in Irland nicht nach Quadratmetern, sondern nach der Anzahl der Schlafzimmer berechnet wird? Statt in eine „größere“ Wohnung zu ziehen, verbessert man sich hier, wenn man von 1-bedroom in eine 2-bedroom Wohnung zieht und fast unabhängig von der Quadratmeterzahl oder Anzahl der weiterer Zimmer gerne mal mit 1500 Euro plux X rechnen muss. Unseren ersten Stop machten wir im Porterhouse.

    Drei Etagen, mehrere Bars, Live Music. Eine coole Location, freitagabends natürlich voll und ein echter Touritreff. Wir ergatterten die letzten zwei Plätze an der Bar, bestellten Chicken Wings und tranken das ein oder andere Stout, die selbstgebraute Alternative zum Guinness. Ein wirklich leckeres Gebräu.

    Auf unserem Weg zum nächsten Pub kamen wir an mehreren Strassenmusikern vorbei, für mich normalerweise ein Grund länger dort zu verweilen und zuzuhören, aber in diesem Fall hielten wir nie kurz an und lauschten. Einige der Jungs haben richtig abgerockt, oder besser gesagt ihre neuen Fans 😄

    Unser nächster Halt war das Woods, eine Localbar in die sich höchstens mal ein Touri ausversehen verirrt oder wie ich mitgeschleppt wird. Eine nette kleine Location in der sich die Twens zum vorglühen treffen oder mittfünfziger Damen mit „Happy Birthday“-Kopfschmuck ihren Geburtstag feiern. Was Kai an Irland übrigens nicht mag, so erzählte er mir beim nächsten Guinness, ist die Unpünktlichkeit der Iren. Ob zum Essen verabredet oder zum Sport, sei immer eine halbe Stunde später als abgemacht am Ort und du bist immer noch als erstes am Treffpunkt. Und auch hier in der Bar fällt es mir wieder auf: Der Modetrend bei jungen Irinnen sind Leggins und dazu einen Dutt tragen. Alternativ geht natürlich auch der Ausgehjogger.

    Um 0 Uhr zogen wir weiter zum Pub „The Norseman“ und ergatterten den letzten und besten Platz, nämlich einen Tisch zwischen den Türen der Damen- und Herrentoilette. Ich war kurz geneigt mich bei vorbeigehenden Gästen als Motombo Umbokko, den Austausch-Toilettenmann aus Deutschland vorzustellen, belasse es dann aber doch dabei und stelle auch kein Trinkgeldschälchen auf. Apropro Toilettenmann. Die Herrentoilette blitzt, am Waschbecken stehen Parfümfläschen, vor dem Händewaschen wird Seife und nach dem Händewaschen Papier zum abtrocknen gereicht. Was ist denn hier los. Darf ich vorstellen, der freundliche Toilettenmann von nebenan und die Genehmigung zur Veröffentlichung des Fotos habe ich eingeholt.

    Aus Afrika stammt er, lebt seit mehreren Jahren in Irland und hat so gut wie keine Chance auf einen Job. Im The Norseman ist er nicht angestellt, sondern wird geduldet. Er kauft die Putzutensilien und das Parfüm selbst und lebt von den Trinkgeldern, die die Gäste ihm geben. Ein Tipp von Kai. Solltet ihr in einem Pub mal längere Zeit verbringen, gleich zu Beginn ein „ordentliches“ Trinkgeld geben und ihr hab über den gesamten Aufenthalt eine super Toilettenservice. Das geht soweit, dass euch bei nochmaligen Eintritt und vor Benutzung eines Klos oder des Pissoirs dieses extra für euch gesäubert wird. Ich war vom Service und von der Nettigkeit schwer beeindruckt und kam mit dem jungen Mann schnell ins Gespräch, schließlich wollte ich etwas mehr über von ihm und seiner Arbeit wissen.

    Als die Live Musik einsetzte stieg die Stimmung im Laden. Es wurde getanzt, gelacht und gefeiert. Und wir verlagerten unseren Ort mit Blick auf den Musiker. Aber in einem kurzen Moment der inneren Stille merkte ich, dass ich irgendwie mein Heimatgefühl verliere. Das war kein schleichender Prozess, sondern eher soetwas wie eine Eingebung. Das „ich freue mich auch wieder auf Zuhauses“-Gefühl ist irgendwie weg. Zumindest was den Ort angeht, nicht die Menschen. Was hat das zu bedeuten? Ich kann es nur vermuten. Aus den Gedanken werde ich gerissen als ein Wolfgang Petry Verschnitt eine junge Dame aus der Truppe hinter uns über den Parkett wirbelt. Mein „böser Blick“ lenkt den Tänzer von seiner weiteren Anmache ab und er lässt die junge Frau los. Diese dankt es mit einem netten Lächeln und einen süßen Blick und von ihren Freunden hinter mir bekomme ich sogar ein Schulterklopfen. So funktioniert das mit dem Flirten, hatte ich ganz vergessen. Aus gegeben Anlass konzentriere ich mich aber wieder auf mein Guinness und höre fasziniert Kai zu, der mir von seinen Trips und Reisen erzählt und wirklich schon viel von der Welt gesehen hat. Besonders inspirierte mich sein Reisebericht zum Nordkap mit seinem Vater. Nordkap, ja, dieser Reiseplan kam Anfang des Jahres tatsächlich auch schon bei mir auf und ich werde darin bestärkt das ganze weiterzuverfolgen.

    Ein besonderer Moment des Abends – und Kai und ich dachten genau dasselbe – war eine simple und im Zuge der aktuellen Islam-Diskussion doch aktuelle Feststellung: Christen, non-religious und Muslime können doch zusammenfeiern. Die junge, mit Kopftuch bedeckte, Muslimin und ihre muslimischen Freunde tranken, feierten und tanzten ausgelassen mit allen anderen im Pub und machten kräftig Stimmung. Komisch, dass wir beide dieses als besonderen Moment wahrgenommen haben, aber irgendwie war die Szene vor uns so beispielhaft gut, um die vielen derzeit kursierenden pauschalisierten Vorurteile zu widerlegen.

    Es muss so 2 Uhr gewesen sein als wir den Pub verließen und uns verabschiedeten und mich mein Hunger zu Burger King an The Spire trieb. The Spire, oder offiziell „Monumet of Light“ ist eine 123 Meter hohe Nadel aus 126 Tonnen schweren Edelstahl und ist das Wahrzeichen der Stadt. Mir gefällt die umgangssprachliche Bezeichnung „Stiletto in the Ghetto“ aber wesentlich besser. 🙂 Die zwei Securities an den Türen der Fastfoodkette hatten in dieser Nacht einiges zu tun, denn der Alkohol hatte bei vielen Gästen seine Spuren hinterlassen. Hysterische Mädels, aggressive Jungs und ein paar völlig Verpeilte. Vom Secu bekam ich einen Platz in der Ecke mit den Tischen für – so glaube ich – die Kategorie „angetrunken aber friedlich“ zugewiesen und beobachtete das Geschehen ein geschlagene Stunde. Dublin @ Night, schon interessant.
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