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  • Day 142

    Ho Chi Minh

    November 3, 2023 in Vietnam ⋅ ☁️ 32 °C

    So viel ist passiert seit ich in Vietnam bin! Dabei waren es erst drei Tage. Im Bus vom Flughafen in die Stadt hatte ich noch kein Kleingeld, also hat eine alte vietnamesische Dame das Ticket für mich übernommen. So ein herzliches Willkommen 🥰
    Am ersten Tag haben ich und ein holländisches Mädchen aus dem Hostel die Tunnel von Cu Chi besichtigt, die während des Krieges ein hart umkämpftes Gebiet waren. Wir hatten großes Glück mit unserem Führer. Sein Name ist Tuan, er ist 74 Jahre alt und hat selbst in Cu Chi gekämpft. Als er 18 Jahre alt war, wurde er vom US-Militär ausgebildet, bevor er Offizier in der südvietnamesischen Armee wurde und 200 Soldaten anführte. Er wurde im Krieg dreimal verwundet, und sein Kopf wird von einer Vielzahl von Metallplatten und Schrauben zusammengehalten. Er forderte sogar einige Besucher auf, mit einem Finger sein Gesicht zu berühren. Er war sehr offen und erklärte alles mit größter Leidenschaft. "Die Amerikaner kamen jeden Tag hierher", sagte er. "Ich möchte, dass jeder versteht, wie es während des Krieges war." Tuan beantwortete alle möglichen Fragen, außer als ich ihn fragte, wo er aufgewachsen sei. Er wollte es nicht sagen - er sagte, es würde ihn wütend machen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was er durchgemacht hat. Was für eine großartige Gelegenheit, mit diesem tapferen, weisen Mann zu sprechen.

    Danach ging ich spazieren, aß wunderbare Pho und kaufte ein Souvenir für einen Freund aus der Heimat.
    Gestern bin ich frühmorgens losgegangen um etwas Geld zu wechseln und habe zum ersten Mal Banh mi gegessen. So gut! Und sogar mit Brot, das kein Toast ist! Ich wollte mir als nächstes das Kriegsmuseum ansehen, aber zuerst habe ich ein Fußballfeld am Wegesrand gesehen. Da spielten gerade zwei Highschool-Mannschaften mit 16-Jährigen Jungs, und ich schaute mir das Spiel an. Da hätte ich als Mittelstürmer einigen Schaden anrichten können, denn auch die Verteidiger waren kaum mal 1,70 groß.

    Ich sprach mit einem der Schüler auf der Tribüne und erzählte ihm Geschichten über die deutsche Fußballkultur. Als ich ihm erklärte, dass ich selbst aufgehört habe zu spielen, weil meine Mannschaftskameraden schlechte Spieler furchtbar gemobbt haben, gab er zu, dass er selbst gerade gemobbt wird, weil er so klein ist. Und ich gab ihm Ratschläge und munterte ihn auf. Ich bin mir sogar sicher, dass ich ihm ein bisschen helfen konnte.

    Danach ging es weiter zum Kriegsmuseum, und darauf war ich nicht vorbereitet. In der Schule lernen wir meistens nur Grundlagen über deutsche und vielleicht europäische Geschichte, nie über den Vietnamkrieg. Ich war also schockiert, als ich von den Gründen für den Krieg und den schrecklichen, schrecklichen Kriegsverbrechen hörte. Ich wusste nichts über T-52-Bomben oder Agent Orange. Jetzt weiß ich es. Es gab viele beeindruckende Bilder, die von Kriegsfotografen gemacht wurden, die selbst ihr Leben riskiert und zum Teil verloren haben. Als ich die Fotos sah und die Geschichten über Soldaten las, die gnadenlos Zivilisten abschlachteten, folterten und vergewaltigten, überkam mich Gänsehaut und mir war mulmig als ich das Museum verließ. In der Stadt hatte ich schon viele alte Männer im Rollstuhl, ohne Arme oder ohne Beine gesehen. Ich dachte an die Jungs vom Fußballfeld zurück und war so froh, dass der Krieg vorbei ist. Denn sonst müssten sie stattdessen um ihr Leben kämpfen.

    Als nächstes besuchte ich die nahgelegene Bücherstraße. Es ist eine niedliche kleine Gasse mit etwa 20 Bibliotheken und Cafés links und rechts. In einem Café sah ich eine kanadische junge Frau und erinnerte mich daran, sie vorhin im Museum gesehen zu haben. Ich hatte den Mut, sie anzusprechen, und ich durfte mich dazusetzen. Wir hatten ein super tolles Gespräch, fast euphorisch, bis ihre Freunde nach etwa einer Stunde kamen und die Situation irgendwie versauten 😂 Trotzdem sind sowas immer Erfahrungen, an die ich gern zurückdenke. Ich ging weiter, um ein Buch zu kaufen, und fand sofort eines, auf das ich richtig Lust habe.

    Danach bin ich zurück zum Hostel gegangen, wo ich ein tolles Gespräch mit der super knuffigen Rezeptionistin hatte. Sie empfahl mir, ihre Heimatstadt zu besuchen, die überhaupt nicht touristisch sei. Dort ist es kühler, es gibt Berge und Wälder und weniger Leute. Das Gleiche gilt für Da Lat, wo ich gerade hinfahre. Acht Stunden mit dem Bus, der an sich zwar super komfortabel ist, dafür aber über kein Klo verfügt. Zwei Deutsche aus meinem Hostel werden auch bald dorthin kommen. Ich hatte großes Glück mit den Leuten, die ich hier getroffen habe. Und im Vergleich zu meinen Anfängen fühle ich mich viel wohler damit, neue Freunde zu finden und mich einfach mit Fremden zu unterhalten.
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