• 4. Etappe PoB: Doberdol - Babino Polje

    20 juin 2024, Monténégro ⋅ ☀️ 29 °C

    Ihr Lieben,

    zunächst einmal ganz lieben Dank für Eure lieben Nachrichten und Kommentare😃 Tatsächlich hatte ich fast zwei Tage lang keine Internetverbindung, da es in den Bergen so gut wie keinen Empfang gibt und im Dörfchen Babino Polje, wo ich gestern übernachtet habe, sogar auch kein WLAN gibt. Doch der Reihe nach. Nachdem die Hitzewelle aus Griechenland endgültig Albanien und Montenegro erreicht hat, habe ich mich nach ein bisschen hin und her Überlegen, entschieden, die Wanderung um drei Tage abzukürzen. Die Temperaturen liegen zwischen 33 und 36 Grad und manche Etappen führen überwiegend über Wiesen und Berge mitten in der Sonne. Von Doberdol aus gibt es die Möglichkeit, die drei Tage im Kosovo auszulassen und direkt nach Babino Polje, Montenegro zu wandern. Für die Option hatte sich bereits eine Finnin entschieden, mit der ich mich sehr gut verstehe. Zunächst gefällt mir die Idee nicht, meine Pläne zu ändern. Allerdings sollen die Markierungen des PoB im Kosovo nicht so gut sein, sodass man sich eher mal verläuft. Die Route über den Kosovo ist also keine wirkliche Option mehr. Ich entscheide mich daher, mit Emilia, der Finnin, den PoB auf sieben Tage zu verkürzen. Wir laufen zunächst auf einen Gipfel, auf dem sich die drei Ländergrenzen Albaniens, Kosovos und Montenegros treffen und laufen anschließend fast den ganzen Tag auf der Grenzlinie zwischen Montenegro und Kosovo. Die Grenzlinie zwischen den beiden Ländern ist bis heute umstritten und war 1998/1999 u. a. Gegenstand des Kosovo-Krieges. Bis heute wird über den Grenzverlauf immer wieder verhandelt, bislang ohne Ergebnis. Von diesem diplomatischen Hochreck bekommen Emilia und ich beim Wandern nichts mit, sondern laufen im Zickzack zwischen den beiden Ländern hin und her. Es soll ab und zu Grenzkontrollen geben, für uns sind aber keine Grenzbeamten in Sicht, genau wie wir an dem Tag kaum andere Wanderer treffen. Da Emilia mit ihrem Zelt unterwegs ist, schlägt sie irgendwann an einem Bachlauf ihr Nachtquartier auf während ich noch weiter nach Babino Polje laufen muss. Als ich sie verabschiede, stelle ich erschreckt fest, dass es bis dorthin noch 2,5 Stunden sind und es ist schon kurz vor vier. Zu der Zeit war ich sonst immer schon angekommen und hatte genügend Zeit um meine Sachen zu waschen und mich für den nächsten Tag auszuruhen. Ich fange also an, mich zu beeilen und komme glatt etwas vom Weg ab. Also laufe ich zurück, kann den vorgesehenen Pfad in der steilen Wiese aber nicht finden. Ich entschließe mich daher, den offiziellen Markierungen zu folgen, auch wenn sie vom bereits sichtbaren Dort wegführen. Ziemlich erschöpft lande ich beim Abstieg auf einem kleinen Bauernhof, wo mich zunächst der Wachhund und kurz darauf - deutlich aufgeschlossener 😅- die Bäuerin begrüßt. Sie fragt, ob ich meine Cola mag, ich verneine zunächst weil ich unbedingt zum Abendessen in meiner Unterkunft sein möchte. Sie ist aber so freundlich, dass ich mich doch für eine Cola entscheide und sie ruft über ihr Satelliten-Telefon meinen Gastgeber Agron an und ruft ihm zu, dass sie mich aufgegabelt hat und ich gleich komme. Sie erzählt mir noch, dass sie wie alle ca. 30 Einwohner Babino Poljes nur in den Sommermonaten dort ist und sonst in Plav lebt. Auf ihrem Bauernhof stellt sie selbst Käse, Joghurt und Butter her - ihre Spezialität sei selbst gemachter Joghurt mit selbstgemachtem Heidelbeer-Sirup. In den Genuss komme ich leider nicht, ich muss endlich weiter und finde irgendwie den Weg zur Straße. Während ich noch überlege, ob dieser Schotterweg ernsthaft die Straße in Richtung Plav sein soll, kommt mir ein Junge auf einem Pferd entgegen und fragt, wo ich hin muss. Ehrlich gesagt, bin ich zunächst etwas skeptisch, denn ich habe es auf Reisen hin und wieder erlebt, dass Gasthäuser ihre Kinder losschicken, um Kundschaft zu suchen. Für solch eine Diskussion hätte ich nach dem Tag nun wirklich keine Energie mehr gehabt. Der Junge hat aber nichts dergleichen im Schilde sondern freut sich über die Abwechslung am Abend. Er spricht ziemlich gutes Englisch und ich freue mich, eine weiche Pferdenase zu streicheln. Er fragt mich allerhand und wir spielen ein kleines Ratespiel über unser Alter, aus dem wir beide beglückt herausgehen (er hat mich auf 25 geschätzt, ich ihn auf 12, obwohl er erst 9 Jahre alt ist 😅🙌🏽). Nach gut 2,5 km komme ich ziemlich erschöpft in meiner Unterkunft an und habe riesiges Glück, an diesem Tag bei Agron im Triangle Woodhouse zu schlafen. Er hatte mir bei der Reservierung über WhatsApp schon super-sympathisch geantwortet und ich werde nicht enttäuscht. Mit mir schlafen noch vier andere Deutsche dort, zwei von ihnen kenne ich von der letzten Unterkunft und freue mich, sie wiederzusehen. Das Abendessen hat Agron auf einem kleinen Holzofen selbst gekocht und ist das beste Essen, dass ich in den letzten Wochen gegessen habe. Es gibt eine Gemüsesuppe mit Eierstich, als Zwischengang selbstgemachten Börek mit Feta und fermentiertem Gemüse, als Hauptgericht Moussaka und als Nachtisch eine gefüllte Haselnussrolle mit Obst. Alle Zutaten kommen aus der direkten Umgebung und so lassen wir den Abend zunächst mit dem köstlichen Abendessen, dann mit Agrons selbstgemachtem Raki und abends auf der Veranda unter Tannenbäumen ausklingen. Agron unterhält in den Sommermonaten das Guesthouse und lebt ansonsten mit seiner Familie in München und spricht mit breitem, bayrischem Akzent 😌. Er erzählt uns viel über die Geschichte des Landes und auch über die Essenstraditionen. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen so aufmerksamen Gastgeber hatte und kann das Triangle Woodhouse wirklich nur empfehlen, sollte jemand von Euch mal in Montenegro sein. Nach einer herrlich ruhigen Nacht mitten im Wald (Ihr seht die Unterkunft auf einem der Bilder) werden wir mit einem ebenso herausragenden Frühstück empfangen wie das Abendessen hat vermuten lassen. Es gibt frischen Käse aus dem Dorf, Rührei mit Gemüse und Kräutern, selbstgemachtes Ayvar und selbstgemachte Himbeer- und Feigenmarmelade. So sind wir alle frisch gestärkt für die nächste Tagesetappe, zumal Agron noch für alle ein Lunchpaket vorbereitet hat inklusive Äpfeln und Pflaumen aus dem Garten seiner Eltern. So bin ich nach einem gestern wirklich anstrengenden Tag froh und glücklich in die nächste Etappe nach Plav gestartet, wo ich gerade schon gut angekommen bin.

    Ganz liebe Grüße von Eurer Astrid 😘😘☀️
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