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- Day 8
- Saturday, June 22, 2024 at 4:43 PM
- ☀️ 28 °C
- Altitude: 920 m
MontenegroGerani42°31’52” N 19°50’2” E
6. Etappe PoB: von Plav nach Vusanje

Ihr Lieben,
mein heutiger Tag startet etwas anders als geplant, denn meine Nacht war unverhofft kurz. Einer der Niederländer, mit denen ich gestern zu Abend gegessen habe, ist in der Nacht krank geworden und verbringt Stunden im Gemeinschaftsbad. Dieses liegt gegenüber meines Zimmers und die Türe quietscht sehr laut, wenn man sie öffnet oder schließt. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie oft die Badezimmertüre in der Nacht geöffnet und geschlossen wurde, weiß aber, dass ich zuletzt um 1:50h auf die Uhr schaue bevor ich endlich einschlafe. Mein Schlaf ist vom kurzer Dauer, denn bereits um 4:15h übernimmt der örtliche Muezzin von Plav - eine der Moscheen befindet sich zwei Häuser neben meinem Guesthouse - das nächtliche Entertainment und als ich gerade meine Augen wieder geschlossen habe, steigt ein, für einen Samstagmorgen nach meinem Empfinden völlig überengagierter early bird-Nachbar, um 5:45h mit seiner Kreissäge ein in das Konzert. Als mein Wecker mich um 6:10h weckt, bin ich ziemlich gerädert und ich habe große Zweifel, ob ich die heutige Tour mit so wenig Schlaf bewältigen kann. Die Etappe von Plav nach Vusanje ist die längste und auch eine der anspruchsvollsten Etappen des PoB und während des Frühstücks merke ich, dass ich sie mit knapp drei Stunden Schlaf bei angesagten 33 Grad realistisch nicht sicher schaffen werde. Ich beschließe, nur etwa ein Viertel der offiziellen PoB-Etappe zu laufen und im übrigen über flachere Wege nach Vusanje abzukürzen und mir noch die „Ali Pascha-Quellen“ in Gusinje anzuschauen. Der kürzere Weg führt zunächst überwiegend über Waldwege, anschließend jedoch durch die Mittagssonne. Es ist wirklich unglaublich heiß hier im Tal und ich beschließe, in einen kleinen Kiosk am Straßenrand auf eine Cola einzukehren. Während ich dort im Schatten sitze, schauen alle möglichen Menschen, Nachbarn und Bekannte vorbei, holen bei den Inhabern etwas ab oder bringen etwas vorbei. So auch der örtliche Postbote, der mich fragt, ob alles in Ordnung sei und wo ich hin müsse. Ich erzähle ihm, dass ich auf dem Weg nach Vusanje in mein Guesthouse sei und mir auf dem Weg die Ali Pascha-Quellen anschauen möchte. Er sagt sofort, dass er mich bei der Hitze gerne dorthin mit dem Auto mitnimmt. Die Kiosk-Inhaberin bemerkt mein Zögern sofort und ruft mir beruhigend zu, dass der Herr einer der beiden Postboten hier in der Gegend sei und wenn er mir etwas antäte, gleich das ganze Dorf an seinen Versen wäre 😅. Ich vertraue also den beiden und kurz darauf sause ich mit dem Postboten in dessen Golf durch das Tal zwischen Vusanje und Gusinje. Auf dem Weg zu den Quellen werfen wir noch drei Briefe ein bevor ich sicher und unversehrt etwa 10 Minuten später bei den Quellen ankomme. Da der Postbote eine Bezahlung ablehnt, schenke ich ihm zumindest einen dm-Fruchtriegel aus meinem Wander-Proviant, den er gerne annimmt. Wegen der Hitze schaue ich mir die Quellen nur kurz an. Benannt sind die Quellen nach dem albanischen Militärführer Ali Hasan Shabanagaj, der 1828 in Gusinje geboren wurde. Als Montenegro 1878 auf dem Berliner Kongress die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erlangte, sollte das Gebiet um die Quellen und Plav herum eigentlich an Montenegro gehen. Dagegen wandte sich jedoch die mehrheitlich albanische Bevölkerung in der Region nach dem Abzug der osmanischen Truppen. Ali Pascha besiegte mit seinen Truppen die Armee Montenegros und eroberte die Region, zumindest übergangsmäßig, zugunsten der albanischen Bevölkerung zurück. Erst nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches wurde die Region an Montenegro abgetreten, wobei die Bevölkerung auch heute noch überwiegend albanischen Ursprunges und muslimischen Glaubens ist. Nach diesem kurzen Ausflug in die Landesgeschichte laufe ich in Richtung meines nächsten Guesthouses und werde unterwegs noch von drei weiteren Autofahrern gefragt, ob sie mich ein Stück mitnehmen sollen. Ich mag das Glück nicht auf die Probe stellen und verneine daher, bin mir aber sehr sicher, dass ich guten Gewissens hätte mitfahren können. Das sagt mir zumindest mein Bauchgefühl und darauf konnte ich mich bisher immer gut verlassen. Am späteren Mittag erreiche ich mein nächstes Guesthouse oder meine das zumindest, denn nach einigem Hin und Her stellt der Inhaber fest, dass ich im Guesthouse nebenan gebucht habe, das ganz ähnlich heißt wie dieses. Bis wir das herausgefunden haben, ist er dann doch einigermaßen gestresst und ich frage mich, ob ich es mit dem bisher ersten, nicht uneingeschränkt höflichen und zuvorkommenden Montenegriner zu tun habe. Bis er alles geklärt hat, bittet er mich, mit einer Cola auf der Terrasse Platz zu nehmen und während ich die Cola trinke kommt er noch einmal vorbei, um sich für das Durcheinander bei der Buchung zu entschuldigen. Ich erwidere, dass ich mich doch mindestens genauso entschuldigen müsse, da ich das Durcheinander wegen der Verkürzung meiner Route herbeigeführt hätte. Das will er aber nun gar nicht gelten lassen, er sei einfach gestresst, da er noch nicht so lange bei booking.com vermiete und heute zum ersten Mal ausgebucht sei. Um mir die Cola zu versüßen, dreht er kurz darauf die Lautsprecher auf und heraus schallt eine lupenreine späte 80er / frühe 90er Playlist, von Guns n Roses bis Every Rose has a Thorn über Whitney Houston ist alles dabei. Als dann schließlich Céline Dion mit „My Heart will go on“ über die Terrasse schallt, während ich völlig durchgeschwitzt unter dem Sonnenschirm sitze und mit Blick auf das Prokletije-Gebirge in meinen Wanderklamotten zerfließe, muss ich einfach lachen. Bevor ich mich schließlich auf den Weg zu meiner wirklichen Unterkunft nebenan mache, möchte ich die Cola bezahlen, aber die geht wie selbstverständlich aufs Haus, da der Gastgeber mir nicht solche Umstände nach einer Wanderung machen wollte. Völlig geplättet von so viel Höflichkeit laufe ich zur benachbarten Unterkunft und werde dort von einer ganz herzlichen Gastgeberin begrüßt. In einer wilden Mischung aus Montenegrinisch, Russisch, Französisch und ein paar Wörtern Deutsch bewältigen wir meinen Check-in und ich warte noch etwas im selbst gezimmerten Gasthaus bis mein kleines Blockhouse, wo ich die Nacht verbringen werde (seht Ihr auf einem der Fotos), bereit für den Bezug ist. Dabei werde ich von der Gastgeberin zuverlässig mit einer Art montenegrinischem Damengedeck, bestehend aus Raki auf Zwetschgenbasis, frischen Gurken aus dem Garten und selbstgemachtem Käse, bei Laune gehalten. Nach dem zweiten Raki läuft auch mein Schul-Französisch wieder überraschend gut (zumindest nach eigenem Empfinden😆) und ich freue mich riesig auf den Abend und die Nacht im kleinen Blockhaus, das innen super-modern mit einem kleinen Badezimmer mit Fliesen im Granit-Look und Regendusche (dieses Mal nur für mich, ohne erkrankte Mit-Wanderer🙏🏽) ausgestattet ist. Während ich gerade noch hoffe, weiteren Raki-Offensiven beim Abendessen zu entkommen, freue ich mich auf die morgige, für mich letzte Etappe auf dem PoB und bin ganz beseelt und glücklich von meinen Erlebnissen des heutigen Tages in Montenegro 😌.
Ganz liebe Grüße von Eurer Astrid😘😘Read more
Das Damengedeck und alles andere lassen mich vor Neid erblassen 🫠. [Lisa]
TravelerHahaha, nach dem dritten Raki wäre ich auch fast erblasst😅✌🏽!
TravelerWahnsinn, was Du alles erlebst… zunächst eine hoffentlich geruhsame Nacht mit ausreichend Erholung für die nächste Etappe!
TravelerLiebsten Dank, lieber Markus🤗 Gestern war ich auch etwas überrascht, was der Tag, der eigentlich als ruhiger Zwischentag geplant war, so alles gebracht hat😅 🏤 🧭.