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  • Day 9

    Chilenisches Patagonien

    April 13, 2017 in Chile ⋅ ☀️ 16 °C

    Die 5-stündige Busfahrt von El Calafate nach Puerto Natales, unserer ersten Stadt in Chile, brachte so auch den Grenzübertritt in ein für uns bis dato unbetretenes Land mit sich. Nachdem von unserem Supermarkteinkauf an den Vortagen noch etwas Obst übrig war, sollten wir die Agrarbestimmungen der Chilenen direkt mit der Einreise spüren. Die Einfuhr von frischen Lebensmitteln nach Chile ist strengstens untersagt und so mussten wir die verbliebenen Früchte direkt verzehren bzw. die Reste an den freudigen Mitarbeiter des "Ministry of Agriculture" aushändigen. Ich bin mir recht sicher, dass es kurz nachdem wir die Grenze passiert haben, mal wieder Obstsalat gab und seine gute Stimmung nicht zuletzt darin begründet war. Ein letztes Stück Ingwer konnten wir zu meiner Freude hingegen im Rucksack verwahren.
    In Puerto Natales angekommen sollten auch gleich unsere Vorbereitungen für die bevorstehende, bisher längste Wanderung unseres Lebens, starten. Vor uns lag ein 5-tägiger Wandertrail durch den Torres-del-Paine-Nationalpark, den von vielen als schönsten Nationalpark Südamerikas betitelten Ort (zugleich Biosphärenreservat der UNESCO). Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch vor durchgehend zu campen, sollten allerdings vernünftigerweise (auch wir werden älter!) dies später teilweise gegen eine etwas bequemere und vor allem wärmere Schlafoption eintauschen. So statteten wir uns mit allem aus, was wir zum Überleben brauchen würden. Da wir uns für die Option entschieden, das Zelt in den 4 verschiedenen Camps aufbauen zu lassen, mussten wir dies nicht besorgen/ tragen und blieben auch flexibel im Hinblick auf eine potenzielle Entscheidung gegen das Campen. Die Besorgungen beschränkten sich demnach im Wesentlichen auf Nahrung und Kochutensilien (Gaskocher und -kartusche, Geschirr, Besteck etc.). Leider nahm auch dies eine beachtliche Zeit in Anspruch.
    Zu Puerto Natales gibt es sonst nicht viel zu sagen. Es ist eine Stadt, die zweifelsohne eine gewisse Aufbruchsstimmung spüren lässt, da die meisten sie wie wir lediglich zur Vorbereitung der Wanderung durch den Torres-del-Paine-Nationalpark nutzen... Einen wirklich eigenen Charme haben wir hier leider vermisst. Auch wenn El Calafate eine ähnliche Funktion einnimmt, da auch von dort die meisten zum Perito Moreno Gletscher oder nach El Chalten (einem weiteren beliebten Ausflugsort der Gegend) unterwegs sind, so hat dieser Ort aus unserer Sicht deutlich mehr Charme und es fiele einem nicht schwer ein paar mehr Tage in der netten argentinischen Kleinstadt zu verweilen.
    Am nächsten Tag sollte es nun endlich losgehen. Unser Bus fuhr bereits um 7.20 Uhr los, sodass die Nacht nach einer längeren Umpackaktion (da wir all unser Gepäck 5 Tage tragen mussten, halbierten wir unsere Last und verstauten den Rest im Hostel) leider nur noch wenige Stunden hatte.
    Nach Durchquerung aller bürokratischen Erfordernisse (Registrierung im Park, Sicherheitsbelehrung inkl. Video etc.) erreichten wir Pudeto am Lago Pehoé. Von dort aus nahmen wir den Katamaran zur anderen Seite des Sees. Dies sollte der Startpunkt unserer umgekehrten "W-Wanderung" sein. Als "W" wird dies aufgrund des Streckenverlaufs bezeichnet. Vorteil der Durchquerung von West nach Ost, wie wir sie unternahmen, sollte sein, dass das eigentliche Highlight, die Granitnadeln der Torres del Paine (Türme von Paine), ganz am Ende auf uns wartete. Unsere Wanderschuhe waren geschnürt und um etwa 12 Uhr ging es nun also los... Nach dem ersten Anstieg merkten wir schon bald, weshalb die meisten eine 5-7-Tagestour gegenüber einem simplen Tagesausflug empfehlen. Immer wieder erschlossen sich tolle Anblicke wie azurblaue Seen, gewundene Pfade, langsam plätschernde bis tosend sprudelnde Quellen oder schneebedeckte Gipfel. Eine wahrlich malerische Landschaft erschloss sich uns und jeder Aufstieg weckte die Neugier, was denn hinter dem Gipfel zu warten vermochte.
    Am Nachmittag trafen wir in unserer ersten Unterkunft ein. Unser Zelt war bereits für uns errichtet und so bezogen wir es kurzerhand und begaben uns unmittelbar darauf in die Küche, um unser Abendessen zu bereiten. Die Nacht sollte sehr kalt werden (nahe 0 Grad). Das Campen erforderte demnach gewisse Sicherheitsvorkehrungen. Dank der Vorabrecherche waren unsere beiden Schlafsäcke bereits für solche Temperaturen gewählt und ein Schlafsackinlay sollte weitere 3-4 Grad Celsius Temperaturgewinn mit sich bringen. Auch Skiunterwäsche sowie eine Mütze hilft natürlich zur Wärmespeicherung. Kathis urologischer Tipp war zudem eine geleerte Blase, um nachts Energie zu sparen. ;) Zudem ist es sehr hilfreich möglichst gesättigt zu Bett zu gehen. Nach einer interessanten Erfahrung, dick genug eingehüllt lässt einen die frische Luft durchaus nicht schlecht schlafen, entschließen wir uns jedoch in den Folgenächten ein Refugio (Schlafsaal) zu beziehen, um die Gefahr einer Erkältung zu bannen. Diese wäre sicherlich nicht der beste Weggefährte auf einer zeitweise doch recht anstrengenden 90-km-Wanderung. Am zweiten Tag ging es früh morgens für einen kurzen Ausflug und nur mit dem nötigsten Gepäck ausgerüstet zum nahegelegenen Grey-Gletscher (etwa 2 Stunden Entfernung). Auf dem Weg dorthin überquerten wir bereits 2 Hängebrücken, die wahrlich atemberaubende Anblicke gewährten. Schließlich wackelte die gesamte Brücke mit jedem Schritt :). Nach Überquerung der zweiten Brücke lag nun schließlich der angepeilte Aussichtspunkt, der uns einen exzellenten Ausblick auf den gigantischen Gletscher bot. Zurück im Camp angekommen, starteten wir am frühen Nachmittag nach einer kurzen Sonnenpause in Richtung Refugio Paine Grande. Wie zuvor beschrieben, hatten wir noch am Morgen das Camp dort gegen das Refugio getauscht. Diese Entscheidung sollten wir spätestens am Abend, als wir uns nach einer heißen Dusche neben den wärmenden vom Holz knisternden Ofen unserer Unterkunft setzten, wertschätzen. Der linke "Schenkel des W" war damit bereits vollendet. Auch am Folgetag, unserem dritten Tag, verließen wir bereits kurz nach Sonnenaufgang die Unterkunft. Aus unserem Zimmer hatten wir kurz zuvor drei Füchse erspäht. Einer von ihnen saß erfreulicherweise auch nach unserem Start noch in der patagonischen Steppe, sodass ich mich ihm bis auf wenige Meter vorsichtig nähern konnte. Das Gras knisterte mit jedem Schritt vom Raureif, der die Steppe in den frühen Morgenstunden überzog. Gebückt pirschte ich mich durch den sanften Nebel an ihn heran und ergatterte das ein oder andere Foto. Der Fuchs schien seine Gegend aufmerksam zu inspizieren, um die letzten Morgenstunden zur Jagd zu nutzen. Noch ein kurzes Foto vom Jagdruf des tierischen Frühaufstehers und schon sollte es weitergehen. Zwischenstation machten wir am Campamento Italiano. Hier stellten wir unser Gepäck ab, um einen leichteren Aufstieg zum Mirador Britanico zu haben. Immer wieder war unser Ausflug von Pausen inklusive kleinerer Zwischenmahlzeiten geprägt. Die Regel "Besser 5 kleine als 3 große Mahlzeiten" gelang uns während der Tage im Torres-del-Paine-Nationalpark so gut wie nie. Der Höhepunkt der Anstrengung des 3. Tages wurde schließlich mit einem der tollsten Ausblicke der gesamten Wanderung belohnt. Nach einer halben Stunde Entspannung sollte es aber auch direkt weitergehen. Mit 25 km Wegstrecke (darunter ein durchaus steiler Aufstieg) vermochte dieser 3. Tag schließlich unser längster Tag zu werden. Nach dem Abstieg zum Camp ging es anschließend mit Gepäck weitere knapp 2 Stunden Wegstrecke zum Refugio Los Cuernos, welches uns schließlich für die nächste Nacht Unterschlupf gewähren sollte. Hier legten wir einen Tag Pause von selbst erwärmter Camping-Nahrung ein, die wir an den Vorabenden mit einem Gaskocher erhitzt hatten. Wir belohnten uns für den anstrengenden Tag mit einem 3-Gängemenü, auch wenn es kurze Überzeugungsarbeit erforderte, dass wir um die Uhrzeit noch Essen ohne vorherige Anmeldung erhielten. Beim Essen führten wir eine sehr interessante und demnach kurzweilige Unterhaltung mit einem Pärchen aus Chile. Sie waren es schließlich auch, die uns zu einem unserer bisherigen Lieblingsgetränke der Reise brachten - der sogenannte Calafate-Sour unterscheidet sich vom Pisco-Sour dadurch, dass ein Anteil des Nektars der hiesigen Calafate-Frucht beigemischt wird. Es sollte nicht das letzte mal sein, dass wir dieses Getränk bestellten. Die beiden kurzen "Mittelschenkel des W" waren nun auch absolviert. Der nächste Tag, der unser dritter durchgehender Sonnentag werden sollte, wurde in der Rangfolge der höchsten Anstrengung schließlich Platz 2. Nachdem von Kathi der ambitionierte aber äußerst glückliche Vorschlag kam doch noch heute bis ganz nach oben zum Mirador Las Torres zu marschieren (glücklich insbesondere deshalb, weil das Wetter am Folgetag deutlich bewölkter war), sollte dieser Tag letztlich knapp 23 km mit sich bringen. Wir hatten unsere Unterkunft entgegen der vorherigen Planung wieder leicht adaptiert (ein weiterer Vorteil der Nebensaison in der hierfür genügend Kapazität vorhanden ist) und sollten nun im Refugio Chileno nächtigen. Dieses war etwa 2,5 Stunden Aufstieg vom höchsten Aussichtspunkt entfernt und erlaubte uns die Unterkunft nach erfolgreicher Erklimmung noch vor Sonnenuntergang zu erreichen. Vom Refugio Los Cuernos ging es also knapp 3,5 Stunden zum höher gelegenen Refugio Chileno. Waren es zuvor nur kleinere Bäche oder Flüsse, die wir zu durchqueren hatten, so lag hier vor uns auf einmal ein unausweichliches Schlammfeld. Selbst hineingeworfene Stöcke bis kleinere Stämme (eine häufiger verwendete Technik) halfen nur wenig zur Durchquerung. Die Wasserdichte der Wanderschuhe erlangte hier ihren ersten Härtetest. Wenngleich sie danach optisch fast nicht wiederzuerkennen waren, blieben unsere Füße nahezu trocken. Ein weiteres malerisches Tal zeichnete nun den verbleibenden Weg zum Refugio Chileno. Hier stellten wir kurz unsere Sachen ab und bezogen unsere Zimmer, bevor wir uns schließlich zum Mirador Torres aufbegaben. Ein weiterer Fuchs nahe unserer Unterkunft sollte mich nach Start noch mindestens eine Viertelstunde beschäftigen, lag er doch von der Sonne angestrahlt in einer optimalen Fotoposition und ließ sich auch durch meine Anwesenheit in zuletzt ca. einem Meter nicht stören. Kurz darauf ging es aber schließlich fest entschlossen weiter. Insbesondere die letzte halbe Stunde Aufstieg hielt dabei durchaus eine gewisse Anstrengung bereit. Oben angekommen wurden wir allerdings erneut mit einem sagenhaften Anblick belohnt. Die drei fast senkrechten Torres del Paine standen nun vor uns. Wir genossen den Anblick und die letzten Strahlen der Spätnachmittagssonne, die unsere Haut erwärmte. Schließlich ging es zurück zum Camp, in dem wir unsere letzte Nacht verbrachten. Nach kurzem Aufenthalt am Ofen der Unterkunft läuteten wir auch schon bald darauf die Nachtruhe ein. Das Pensum für den letzten Tag war dank unserer vorherigen Anstrengungen nun eher überschaubar. Nach dem moderaten Abstieg war das "W" vollendet und es ging schließlich am frühen Nachmittag mit dem Bus zurück nach Puerto Natales. Der intensive 5-tägige Wanderausflug wird uns wohl noch sehr lang in positiver Erinnerung bleiben und war bisher das absolute Highlight.
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