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  • Day 24

    DIE ENTSCHEIDUNG

    January 1 in France ⋅ ☁️ 7 °C

    Um Mitternacht sind wir in Montblanc. Nein, nicht auf der Höhe von 4.805,59 m. Eher bescheiden auf 43 m. Aber in Frankreich. Mitten zwischen den Weinfeldern. Nördlich von Beziers liegt unser Montblanc, unser Berg der Entscheidung heißt "Les Tipis de Soleil". Oh, ich erinnere mich, ihr wart doch schon öfter hier. Der Besitzer spricht mit seiner Frau in französisch und deutet auf den Aufkleber, sie waren hier, die Spaziergänge kenne ich.

    Viel Betrieb auf dem Wohnmobilstellplatz. Diesen Silvester bleiben sie hier, ständig kommen noch Fahrzeuge. Wo wir vor zwei Jahren mit vier Campern standen, sind es jetzt bestimmt fünfmal soviel. Gut, dass Petra und ihr Mann uns einen Platz reserviert haben.

    Wir sind von Argelès sur Mer gekommen, waren heute morgen in den Bergen, weil ich einen klaren Kopf kriegen wollte.

    "Natürlich war der Plan aus der Ferne gut. Wir fahren langsam die Küste am Mittelmeer entlang Richtung Portugal. Doch desto näher wir kommen, wird mein Konstrukt immer wackliger. Es gibt viel, was dagegen spricht, und ich erinnere mich an die letzte Fahrt mit ihren Stellplätzen bis kurz vor Malaga, wo wir umgedreht haben.

    Aber Malaga ist 1200 km entfernt, und für so einen Ritt fehlt mir vollkommen die Lust, die Energie, die Freude an der Zeit, am Leben. Das ist mir alles bewusst geworden, als wir die zwanzig Kilometer bis hierher gefahren sind." (FindPenguins)

    Noch einmal nach Port Leucate ans Meer, der letzte Spaziergang am Wasser. Stark ist der Wind, die Wellen grau wie die Wolken, die vorbeifliegen. Letzte Reste von Blau, angeschwemmtes Holz, ein Spaziergänger mit einer Tüte eingepackter Lebensmittel. Hilde will zurück zum Bus, ein Hund versteckt sich hinterm Busch vor ihr.

    Mitternacht. Ein neues Jahr. Wir sind angekommen. Natürlich schon um 18 Uhr. Trotzdem war es schon dunkel. Wie jetzt auch. Ich habe eine Entscheidung getroffen, auch wenn der Berg nicht so hoch war. Eine Route liegt vor mir, bis zum nächsten Übergang. Weiter kann ich auch am Berg nicht sehen.

    Die Reise verändert sich. Das wäre mein Rückblick für 2023. Mehr habe ich noch nie gemacht. Keine Reminiszenz der vergangenen Ereignisse, keine Höhepunkte, keine Tiefen. Oft weiß ich nicht mal, wo ich vor zwei Tagen übernachtet habe, welche Strecke ich gefahren bin. Mit wenigen Ausnahmen finde ich Stellplätze etc nicht wieder. Ich weiß, dass ich mir das auf einer Karte fixieren könnte, aber das hat mich noch nie begeistern können.

    Ich führe einen Kalender, der nicht mit dem Jahr identisch sein muss, die Daten reichen mir. Dort trage ich im Übergang des Jahreswechsels alle wichtigen Informationen ein, im Blick zum Neuen Jahr, nicht in der Rückschau. Da ist eh alles durchgestrichen, was hinter mir liegt, die Seiten zerreiße ich immer.

    Spätestens mit jedem Text schließe ich den jeweiligen Zeitraum ab. Und gestern existiert dann nur noch im Dankeschön.
    An Gott
    An die Hilde und unseren
    blauen Bus
    An die Menschen, die mit uns reisen
    An das Geschehen, an dem ich teilhaben durfte.

    An Manches erinnere ich mich. Oft ist es lange her, aber die Vergangenheit begegnet mir manchmal auf der Straße ins Morgen, im Jetzt. Das zählt. Dazusein. Zu leben. Mich auf all das freuen, was vor mir liegt. Und das passiert gerade jetzt. Immer und immer wieder.

    Und natürlich freue ich mich auf Menschen, Freunde, die Familie. Begegnungen unerwartet und verabredet. Spontan. Auf Wegkreuzungen. Ohne davon zu wissen, wie wunderbar die Menschen sind, die mir entgegenkommen. Das ist ein großes Glück. Das macht das neue Jahr immens reich. Auch wenn man sich manchmal verliert. Das ist traurig und schmerzhaft. Unwiderruflich. Aber es gehört zum Leben.

    Jetzt ist der Zeiger schon einige Minuten vorgerückt. Wir schreiben das Jahr 2024, mein 74stes Lebensjahr. Was für ein Geschenk.
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